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Prüfstandskonzept ohne Schwungmasse

EtherCat: Getriebe-Synchronvorrichtung des Audi A4 im Dauerlauftest
Prüfstandskonzept ohne Schwungmasse

Von Audi erhielt die Edag-Prüftechnik den Auftrag, einen Dauerlaufprüfstand zur Lebensdaueruntersuchung der Synchroneinrichtung eines Getriebes zu entwickeln. Das Lösungskonzept, das ohne Schwungmasse auskommt, konnte auf der Basis des EtherCat-I/O-Systems von Beckhoff Automation realisiert werden.

Zum Leistungsspektrum der Edag GmbH gehört die Entwicklung kompletter Fahrzeuge ebenso wie der Modell,- Prototypen- und Sonderfahrzeugbau sowie die Kleinserienfertigung. Die Edag-Prüftechnik hat sich auf die Entwicklung und den Bau von Prüfständen spezialisiert, wie sie für die Qualitätssicherung und die Produktion von Fahrzeugkomponenten notwendig sind. So werden beispielsweise in Dauerlaufprüfständen die mechanischen und thermischen Belastungszustände von Fahrzeugkomponenten realitätsnah simuliert. Die Durchführung der Messreihen erfolgt im Zeitrafferverfahren; sich anbahnende Schaden werden über den Einsatz entsprechender Messsensorik erkannt und somit die Lebensdauer des Prüflings ermittelt. Zu den neuesten Projekten der Edag-Prüftechnik zählt ein Dauerlaufprüfstand für die Getriebe-Synchronvorrichtung eines Audi A4. Während das Getriebe mit konstanter Drehzahl im Leerlauf gefahren wird, werden zwei Gangwechsel pro Minute durchgeführt und die wesentlichen Kenngrößen, wie Schaltkraft, Drehzahl des Antriebsmotors, Schaltweg und Geräuschentwicklung erfasst, archiviert und dargestellt.

Der Hauptmotor treibt das Getriebe abtriebsseitig an; das Differential im Getriebe ist gesperrt, um die einseitige Ansteuerung zu ermöglichen. Damit wird die träge Masse des Fahrzeugs simuliert, so dass beim Schalten vom zweiten in den ersten Gang die Fahrgeschwindigkeit nicht verringert, sondern das Getriebe auf eine höhere Drehzahl gebracht wird. Eine Hauptanforderung besteht in der möglichst geringen Drehzahländerung des Antriebs während der einzelnen Schaltvorgänge. Der maximal erlaubte Drehzahlabfall wurde von Audi mit 15 1/min auf der Motorseite spezifiziert. In der Vergangenheit wurde für dieses Prüfverfahren in der Regel eine große Schwungmasse verwendet, die jedoch gravierende Nachteile aufweist, wie ein hohes Gewicht und großen Platzbedarf. Außerdem geht von der Schwungmasse ein starkes Gefährdungspotenzial aus und das Konzept lässt keine dynamischen Tests zu.
Eines der Hauptziele bei der Entwicklung eines neuen Prüfstandskonzeptes bestand im Verzicht auf die Schwungmasse, bei gleichen oder besseren Prüfergebnissen. Der neue Lösungsansatz sieht vor, dass das Getriebe abtriebsseitig im zweiten Gang auf Nenndrehzahl beschleunigt und dann energiefrei in den ersten Gang geschaltet wird. Durch die vorhandenen Massenträgheiten ergibt sich ein Drehzahlabfall, der vom elektrischen Antrieb abgefangen werden muss. Dieser muss auch die Energie liefern, um die Kupplungsscheibe beim Umschalten vom zweiten in den ersten Gang zu beschleunigen. Rein rechnerisch ergäbe sich durch die Beschleunigung der vorhandenen Massenträgheiten ein Drehzahleinbruch von 140 1/min, bzw. ein erforderliches Drehmoment zum Ausgleich des Drehzahleinbruchs von 1166 Nm, welches der Antrieb liefern müsste.
Zur Lösung dieser Aufgabe sind, neben dem notwendigen regelungstechnischen Know-how, ein schnelles, deterministisches I/O-System zur Erfassung der Ist-Drehzahl und der Übertragung der Regelsollwerte (bis 500 μs Zykluszeit) sowie ein entsprechend schneller und deterministischer Regelrechner für die Sollwertberechnung notwendig. Eine steuerungstechnisch sehr anspruchsvolle Aufgabe – und dementsprechend klein war die Zahl der möglichen Systemanbieter. Die Wahl fiel letztlich auf EtherCat und den Embedded-PC CX1020 von Beckhoff. Damit wurde gleichzeitig ein Systemwunsch von Automobilhersteller Audi erfüllt, der frühzeitig für einen Einsatz der EtherCat-Technologie plädiert hatte.
Der Embedded PC CX1020 mit TwinCat PLC bildet die integrierte Plattform für die Echtzeitregelung und die SPS-Aufgaben. Über EtherCat werden der Antrieb und die restlichen I/Os mit dem CX1020 vernetzt. Von entscheidender Bedeutung ist die schnelle Reaktion auf die Information „Gangwechsel“, damit der Antrieb den unmittelbar bevorstehenden Drehzahleinbruch in Echtzeit ausregeln kann. Diese Information wird über EtherCat in weniger als 100 μs vom Sensor zur Steuerung übertragen und ermöglicht eine unmittelbare Reaktion des Antriebs auf den Schaltvorgang. Ebenso wichtig, wie die Regelung des Systems, ist die Darstellung der Ergebnisse. Auch hier sind die zeitlichen Anforderungen an die Systemkomponenten hoch. Beispielsweise muss der Drehzahlistwert im 500-μs-Raster übertragen werden, um die Drehzahl hinreichend genau darstellen zu können. Zur Darstellung der Ergebnisse kommt ein Industrie-PC mit Labview von National Instruments zum Einsatz. Dieser ist via Ethernet TPC/IP mit der Steuerung vernetzt; der Datentransfer der darzustellenden Prozessdaten erfolgt blockweise per TwinCat ADS (integrierter TwinCat-Router). Eine entsprechende ADS-Kommunikations-DLL, zur einfachen Integration der TwinCat-Prozessdaten in Labview, ist im Basisumfang von TwinCat enthalten. Auf die gleiche Weise wurde ein zweiter Industrie-PC mit einer Delphi-Oberfläche zur Bedienung, Beobachtung und Parametrierung des Prüfstandes angebunden, womit beachtliche Ergebnisse erzielt wurden: Die maximale Drehzahlabweichung beträgt < 5 1/min. Damit ist sie um den Faktor drei besser als kundenseitig gefordert.
„Der erste Einsatz der Beckhoff-Technologie hat sich für uns als überraschend effizient und einfach erwiesen“, erläutert Edag-Projektleiter Michael Hahn. „Der verwendete Antrieb eines Drittherstellers ließ sich beispielsweise innerhalb von einer Stunde am Feldbus in Betrieb nehmen. Ohne die Performance wäre die Realisierung des Prüfstandes ohne Schwungmasse nicht möglich gewesen. Somit ist es uns gelungen, die Synchronprüfung ohne Schwungmasse zu realisieren. Darüber hinaus sind weitere dynamische Prüfungen durchführbar, wie schnelle Drehzahländerungen oder Durchfahren aller Gänge in schneller Abfolge, die früher so nicht möglich waren. Auch die elegante Integration in TwinCat und die ADS-Kommunikation mit den darauf verfügbaren Standardschnittstellen hat uns die Arbeit sehr erleichtert.“ wm
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