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Schwimmende Nester

Automatisierte Produktion von Fensterbeschlägen
Schwimmende Nester

Der Fensterbauer Winkhaus setzt auf langfristige Geschäftsbeziehungen mit seinen Lieferanten. In dem schwäbischen Maschinenbauer Pfuderer fand das Münsterländer Traditionsunternehmen einen Partner im Bereich der automatisierten Produktion einzelner Beschlagteile. Das gemeinsame Erstlingswerk ist seit wenigen Monaten erfolgreich im Einsatz.

Die Funktionalität von modernen Fenstern ist unmittelbar abhängig von der Güte der Beschläge. Drehöffnen, kippen oder parallelabstellen: Jede Bewegung eines Fensters funktioniert ausschließlich durch die Mechanismen der Beschläge. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Fenster in einem Neubau als Erstausstattung verbaut ist oder als Sanierungsmaßnahme im Altbau nachgerüstet wird. Ob mit Kunststoff-, Holz-, Aluminium- oder Stahlprofil ausgeführt, ohne den Beschlag kann ein Fenster nicht beweglich sein. „Wer ein Fenster öffnet, denkt sicher nie an den Beschlag, der diese Flexibilität erst ermöglicht“, sagt Peter Hordt. Seit acht Jahren verantwortet er die technische Leitung des Bereichs Fenstertechnik bei der August Winkhaus GmbH & Co. KG. Das Münsterländer Traditionsunternehmen ist einer der führenden Beschlaghersteller. Am Hauptsitz Telgte sind über 500 Mitarbeiter in der Fertigung tätig, europaweit sind es rund 1500. Das Unternehmen bietet mehr als 5000 einzelne Komponenten aus der Fensterbeschlagtechnik an, die bei einer Bestellung bis 12 Uhr noch am selben Tag das Lager verlassen. Geliefert wird weltweit.

Die Produktion von modernen Beschlägen ist ein straff kalkuliertes Geschäft. „Komponentenhersteller wie wir sind entscheidend am Markterfolg unserer Kunden beteiligt“, weiß Hordt. „Sie erwarten von uns innovative Produkte, kurze Lieferzeiten, beste Qualität und Service, denn Fenster müssen viele Jahre lang einfach funktionieren.“ Neben der erheblichen mechanischen Beanspruchung muss ein Beschlag mit dem Profilmaterial harmonieren und außerdem unterschiedliche Normen und nationale Bestimmungen erfüllen. Übertragen auf die automatisierte Produktion heißt das: Die Anlagen stehen so gut wie niemals still, müssen einen hohen Output garantieren und neben der Montage der Bauteile eine integrierte Qualitätsprüfung ermöglichen. Die Produktionsanlagen bei Winkhaus arbeiten an sechs Tagen in der Woche rund um die Uhr und das tun sie in der Regel 15 bis 20 Jahre.
Bei Winkhaus wird auch an die effiziente Produktion beim Kunden gedacht. So entwickelte das Unternehmen mit dem Produkt activPilot ein Beschlagsystem, das Fensterbauern die Möglichkeit gibt, mit wenigen Komponenten auszukommen und damit auch die Komplexität in der Logistik zu reduzieren. „Gleichzeitig wurden Fortschritte beim Toleranzausgleich der Beschläge erzielt, um die Verarbeiter bei der Konstruktion der Fenster zu entlasten“, beschreibt Hordt die Vorteile des Winkhaus-Systems. Damit es keine Engpässe in der Lieferfähigkeit und auch keine Qualitätsschwankungen gibt, setzt Winkhaus auf langfristige, partnerschaftliche Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten.
Die Pfuderer Maschinenbau GmbH gehört zu den Partnern im Bereich der automatisierten Produktion einzelner Beschlagteile. Das gemeinsame Erstlingswerk steht seit wenigen Monaten in den Produktionshallen von Winkhaus. „Wir fertigen auf der Anlage den Achtkantverschlussbolzen des Fensterbeschlagsystems activPilot“, so Peter Hordt. Pfuderer erhielt den Zuschlag für die Montagemaschine aufgrund der langjährigen Branchenerfahrung. „Die Ludwigsburger kennen sich bei der exakten Positionierung von Stanzteilen mit Fertigungstoleranzen und deren Güteprüfung aus“, begründet Hordt die Wahl. „Wir kaufen unseren Stahl auf den internationalen Märkten und erleben trotz exakter Klassifizierungen immer wieder, wie unterschiedlich die Grenzen ausgelegt werden.“
Daher war die Ausführung der Objektträger als flexible, schwimmende Nester ein wichtiger Punkt bei Planung und Bau der hochtaktenden Ringtransferanlage. Ausgestattet mit einem optimierten Kurvenscheibenantrieb verfügt die Anlage über sechs Stationen für die Montage und Prüfung in zwei Bahnen mit 60 Takten pro Minute, sprich 120 Teile pro Minute in Summe. Der Montageprozess beginnt mit der Positionierung einer Feder auf dem Werkstückträger. Anschließend wird der Sitz der Feder geprüft. Montagestation drei führt eine Hülse in die hohle Feder passgenau ein, so dass Feder und Hülse lose verbunden sind. Da mit unterschiedlichen Hülsen gearbeitet wird, schließt sich eine Sitz- und Typenkontrolle diesem Prozessschritt an. An Station fünf wird ein Haltebolzen in die Hülse eingeführt, der Hülse und Feder fest miteinander verbindet. Diese feste Verbindung wird an Station sechs durch eine definierte Fügekraft sichergestellt. Dabei sind ebenfalls verschiedene Bolzen im Einsatz. Typen-Verwendung sowie die Verbindungskraft prüft abschließend eine Kontrollstation.
„Die Konzeption der Anlage geht von einem Produktlebenszyklus von maximal zwanzig Jahren aus“, erklärt Peter Hordt. „Deshalb ist das Ringtransfersystem von Pfuderer mit seiner Solidität nach unserer Erfahrung genau das, was wir brauchen.“ Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für Hordt die gute Zugänglichkeit der Anlage und die räumlich passende Lösung für die Produktion bei Winkhaus. Der Tisch ist großzügig ausgelegt, verschwendet dennoch keinen Platz und gibt dem Operator die Möglichkeit, schnell und sicher Bedienanweisungen am Panel vorzunehmen. Gleichzeitig erwartete Winkhaus ein modernes Konzept in Bezug auf Energieverbrauch, Taktfrequenz und Verfügbarkeit. Der Ringtransfer von Pfuderer sichert die Bewegung kleiner Massen und spart so Energie. Die Stößelsteuerung der Handlinge von innen nach außen bietet eine gute Zugänglichkeit. Gut gelöst wurden auch die Vorgaben für die integrierten Prüfverfahren, mit denen die Güte der produzierten Teile zuverlässig dokumentiert werden kann. Eingesetzt werden ein Kraftmessverfahren und eine optische Prüfung, die beide zuverlässig funktionieren.
Bereits in der Anlaufphase wurden 20 Mio. Teile produziert. Alle geforderten Parameter wurden erreicht oder sogar übertroffen. Die Verfügbarkeit der Anlage ist höher als 95 % und die Taktfrequenz wird zuverlässig eingehalten und ließe sich sogar noch um 10 % steigern. Die Menge der bisher produzierten Gutteile liegt bei über 99 %. Das alles funktioniert bei einer relativ kurzen Lieferzeit, denn nur ein halbes Jahr nach Auftragserteilung stand die Anlage schlüsselfertig an ihrem Platz.
Dass alles planmäßig verlief liegt nach Ansicht von Ulrich Traffa, Leitung Vertrieb und Marketing von Pfuderer, an der guten Zusammenarbeit mit seinem neuen Auftraggeber: „Wir trafen bei Winkhaus auf Verantwortliche, die ihre Bedarfsparameter exakt formulieren konnten, weil sie einen genau entwickelten Produktionsprozess vor Augen hatten. Den Weg dahin überließ man uns.“ Für Traffa war das eine perfekte Arbeitsteilung beim Bau einer solch speziellen Maschine. In der Tat ist bei Winkhaus die Beschaffung von Produktionsanlagen präzise organisiert. Es wird ein Team aus Projektingenieur, Produktionsmeister, Maschinenoptimierer und Operator gebildet, die aufgrund ihrer fundierten Erfahrung klare Zielvorgaben machen können. „Nur so bekommen wir genau die Anlagen, die wir brauchen“, ist sich Peter Hordt sicher. Bei Pfuderer stieß er auf ein technisches Konzept, das ihm entgegenkam: „Es gibt viele Maschinenbauer, die zwar grundsätzlich können, was wir fordern. Aber den meisten ist das Thema Beschlagtechnik fremd.“ Die Fachleute bei Pfuderer hingegen können eine langjährige Branchenerfahrung vorweisen. Peter Hordt ist deshalb mit dem Ergebnis der Zusammenarbeit zufrieden. Neue und deutlich komplexere Projekte sind bereits angedacht.
Heinrich Junghanns Fachjournalist in Hamburg
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