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„Werker brauchen Lösungen, keine Komponenten“

Bosch-Manager Wolfgang Pomrehn setzt auf die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter
„Werker brauchen Lösungen, keine Komponenten“

Robotik | Mit dem Modell Apas Assistant hat die Robert Bosch GmbH einen Roboter entwickelt, der mit dem Werker ohne Schutzvorrichtungen zusammenarbeiten kann. Wir sprachen mit Produktmanager Wolfgang Pomrehn über aktuelle und künftige Einsatzmöglichkeiten des Modells. §

Autor: Uwe Böttger

Herr Pomrehn, wie kam bei Robert Bosch die Idee auf, einen Roboter wie den Apas Assistant zu entwickeln und zu bauen?

Das Modell ist quasi aus den Anforderungen der Fertigungswerke entstanden. Dabei waren anfangs flexible Handhabungs- und Palettiersysteme gefragt, die einfach zu bedienen sind und die unmittelbar mit dem Menschen zusammenarbeiten können. Unmittelbar bedeutet ohne Schutzzaun, aber trotzdem ungefährlich für den Mitarbeiter. Das Ergebnis war ein kamerageführter und roboterbasierter Produktionsassistent. Die geforderte einfache Bedienbarkeit und Flexibilität haben verfügbare Systeme nicht geboten. Damit war der Startschuss für eine interne Entwicklung gefallen.
Wo wird der Roboter bei Bosch intern eingesetzt und welche weiteren Applikationen sind geplant?
Heute sind Systeme in mehreren europäischen Fertigungswerken im Einsatz. Ein erstes System ist nach China gegangen. Einsatzschwerpunkt ist das Palettieren und Chargieren von Bauteilen. Neu hinzugekommen ist das Beladen und Entladen von Fertigungsautomaten in so genannten Chaku-Chaku-Linien. Angedacht ist aber auch eine enge Zusammenarbeit des Roboters mit behinderten Menschen, um diese wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Die Erfahrungen aus den Projekten werden uns helfen, ergonomische Arbeitsplätze auch im Hinblick auf den demografischen Wandel zu schaffen.
Wird das Modell künftig ein Standard-Tool in den Bosch-Werken sein?
Die Erfahrungen seit der Einführung des Systems weisen in diese Richtung. Gleichzeitig wird die Entwicklung des Modells mit der wachsenden Zahl an Anwendungen weiter gehen. Künftige Systeme werden sich von den aktuellen sicherlich unterscheiden.
Wird der Roboter von den Kollegen als Assistent akzeptiert?
Die Geräte werden in den Werken gut angenommen. Die anfängliche Skepsis hat sich schnell in Erleichterung gewandelt, denn die Modelle werden gezielt dort eingesetzt, wo die Arbeitsbelastung sehr hoch ist. Außerdem übernimmt der Roboter monotone und daher unbeliebte Aufgaben. Die Menschen dort können sich auf andere Tätigkeiten konzentrieren.
Was zeichnet den Roboter als flexiblen Produktionsassistenten aus?
Das Modell ist vielseitig einsetzbar und kann als intelligentes und eigensicheres System direkt mit dem Menschen zusammen arbeiten. Eine aufwendige Abschirmung ist nicht notwendig. Das Gerät ist auf Schnellfixierrollen gelagert und kann so flexibel an unterschiedlichen Produktionsorten eingesetzt werden. Mit dem Drei-Finger-Greifer lassen sich Komponenten und Produkte kraft- und formschlüssig greifen. Der 3D-Kamerakopf mit integrierter Beleuchtung kann Objekte und den Arbeitsplatz im Raum erkennen. Auf diese Weise lassen sich Produkte mit hoher Genauigkeit greifen und ablegen, was die Anforderungen an die Teilezuführung gering hält. Neue Aufgaben lassen sich über die dialoggesteuerte Bedienoberfläche ohne Programmierkenntnisse konfigurieren.
Wie funktioniert die sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter?
Dafür haben wir den Roboterarm in eine Sensorhaut gesteckt. Das Modell registriert, wenn sich ein Mensch nähert und hält an. Das Besondere daran ist, dass der Roboter stoppt, bevor sich Mensch und Maschine berühren. Gefährliche Kollisionen werden also berührungslos verhindert. Untersuchungen haben gezeigt, dass die berührungslose Zusammenarbeit mit einem Roboter die größte Akzeptanz beim Menschen findet. Sobald der Mitarbeiter den Gefahrenbereich verlassen hat, setzt das Modell seine Arbeit fort.
Was steckt unter dem schwarzen Kunststoffmantel?
Darunter verbergen sich rund 120 kapazitive Sensoren, die ein zuverlässiges Sicherheitssystem bilden, das bei uns im Haus entwickelt wurde. Die Grundlage des Gesamtsystems ist allerdings ein robuster Sechsachs-Roboter aus dem industriellen Umfeld.
Das Modell lässt sich derzeit auf einer Plattform durch die Produktion schieben. Soll der Roboter später einmal selbstständig herumfahren können?
Die Idee liegt nahe, zumal das Gerät zur Orientierung bereits mit einem Kamerasystem ausgerüstet ist. Allerdings sind derzeit die Arbeitsplätze, für die der Apas Assistant konzipiert wurde, zwar verteilt, aber überwiegend ortsfest. Der Wechsel von einem Einsatzplatz zum nächsten lässt sich manuell und preisgünstig erledigen. Unser Fokus liegt derzeit eher auf Standfestigkeit, Präzision und Robustheit. Trotzdem wird im Haus auch über eigenmobile Lösungen nachgedacht.
Wie grenzt sich der Apas Assistant von anderen MRK-Ansätzen von Kuka, Universal Robots oder ABB ab?
Der erste wichtige Unterschied ist das berührungslose Sicherheitskonzept für die direkte Zusammenarbeit. Das bietet in dieser Form kein anderer Hersteller. Außerdem ist unser Modell ein vollständiges Automatisierungssystem, das aus einem Sechsachs-Roboter mit Greifer, Kamera und Software besteht. Es entfällt das aufwendige Engineering, mit dem normalerweise alle Komponenten zu einem System vereint werden. Unsere Zielgruppe sind Mitarbeiter aus der Produktion, die ein Komplettsystem suchen und die mit einem nackten Greifer nichts anfangen können. Werker brauchen Lösungen, keine Komponenten.
Für welche Einsatzszenarien und welche Branchen wurde das System entwickelt?
Das Modell wurde zunächst für unsere eigene Fertigung entwickelt. Eine typische Aufgabe ist zum Beispiel das Beladen und Entladen von Produktionsmaschinen. Trotzdem lässt sich der Roboter branchen-unspezifisch einsetzen. Speziell die intelligente Greiftechnik eröffnet unterschiedliche Applikationen. So kann das Gerät zum Beispiel auch bei der Handhabung von gefährlichen Stoffen oder heiße Teilen zum Einsatz kommen.
Gibt es schon erste Kunden?
Ja. Dazu zählen Unternehmen aus dem Automobilbereich ebenso wie Mittelständler. Aber hier stehen wir und auch unsere Kunden noch am Anfang. Doch wenn die Industrie 4.0 erst einmal richtig Fahrt aufnimmt, dann werden sich die Unternehmen zunehmend mit wandelbarer Automation und kollaborativer Robotik beschäftigen.
Der Apas Assistant ist Mitglied einer ganzen Produktfamilie mit dem naheliegenden Namen Apas Family. Was für ein Konzept steckt dahinter?
Die Apas Family ist ein neues Fertigungskonzept für die wandlungsfähige Fabrik von morgen. Neben dem Assistant gehören zu der Family aktuell das mobile optische Prüfsystem Apas Inspector und der mobile Fügeautomat Apas Flexpress. Alle Familienmitglieder basieren auf einer mobilen, standardisierten Prozessplattform, der Apas Base. Diese besteht aus einer PC-basierten Steuerung und einem flexiblen Zuführsystem. Wir wollen kundenspezifische Prozesse auf diese Plattform bringen. Damit verfolgen wir konsequent das Konzept der wandelbaren, vernetzten Automation. Ortsfeste und starre Produktionssysteme können durch agile Fertigungsinseln abgelöst oder ergänzt werden. Bei Bedarfswechsel lassen sich die Geräte in Echtzeit neu konfigurieren und anderweitig einsetzen. •
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