Startseite » Technik » Automatisierung »

Wissen, wann die Ware zu heiß wurde

RFID-TEchnik: Sensoren auf dem Chip erschliessen neue Einsätze
Wissen, wann die Ware zu heiß wurde

Um Ware während des Transports lückenlos überwachen zu können, werden im Forschungsverbund Track die RFID-Etiketten um Sensorfunktionen erweitert. Die eingebaute Kontrollfunktion könnte der RFID-Technik endgültig zum Durchbruch verhelfen.

Der internationale Warentransport rund um den Globus ist gigantisch – doch es klappt nicht immer alles reibungslos. Mal kommen Autokomponenten verrostet in der Fabrik an, mal treffen gekühlte Medikamente verdorben beim Großhändler ein. Für die Geschädigten ist es oftmals unmöglich, den Fehler in der Transportkette zu finden. Hersteller und Logistik-Unternehmer wünschen sich deshalb schon lange eine Überwachung der Lieferwege. Kostengünstige Lösungen aber fehlten bislang. Diese Lücke soll jetzt das Verbundprojekt Track schließen. Unter der Regie des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg werden kostengünstige Funketiketten mit Sensorfunktion für die Frachtüberwachung entwickelt.

Ähnliche RFID-Etiketten, auch Tags oder Transponder genannt, sind bereits in der Industrie zur Kennzeichnung von Bauteilen oder Produkten im Einsatz. Sie bestehen aus einem Mikrocontroller-Chip und einer Sendeantenne und können mit einem Schreib-Lesegerät über Funk ausgelesen oder beschrieben werden. Anders als der Barcode sind sie auch dann lesbar, wenn sie verschmutzt oder zerkratzt sind oder kein direkter Sichtkontakt besteht.
Bislang dienen RFID-Tags fast ausschließlich der Identifikation. Sensorfunktion übernehmen sie im Industriealltag nur selten, denn eine erschwingliche und robuste Standardlösung existiert bisher nicht. Genau die soll Track hervorbringen. Dabei geht es weniger darum, einen Multifunktionschip mit diversen Sensoren zu kreieren. „Das wäre wenig sinnvoll, weil unterschiedliche Transport-Szenarien ganz spezifische Lösungen brauchen“, sagt Dr. Jürgen Wöllenstein, Track-Projektleiter am IPM. „Unser Ziel ist vielmehr, eine einheitliche RFID-Chip-Plattform mit standardisierten Schnittstellen, an die sich je nach Bedarf die benötigten Sensoren ankoppeln lassen.“
Zu Track gehören sechs Kooperationspartner aus der Industrie: das Luft- und Raumfahrtunternehmen EADS, das Logistik-Unternehmen Süderelbe, die Sensorentwickler UST und IPC, der RFID-Etiketten-Hersteller Schreiner Medi-Pharm sowie der Spezialist für Schreib-Lese-Technik Scemtec. Sie verfolgen unterschiedliche Anwendungs-Szenarien, die mit der RFID-Sensorik realisiert werden sollen.
Süderelbe etwa sucht, nachdem immer wieder Autobauteile korrodiert beim Empfänger ankamen, nach einem zuverlässigen Feuchte-Sensor. Schreiner MediPharm will einen Tag auf den Markt bringen, der die Kühlkette beim Transport wärmeempfindlicher Impfstoffe überwacht. EADS treibt die Entwicklung eines Sensor-Systems voran, mit dem sich die Integrität von Luftfracht-Containern überwachen lässt: So wird ein Lichtsensor registrieren, ob ein Behälter geöffnet wurde, und ein Beschleunigungs-Sensor wird überwachen, ob der Container beim Transport stark erschüttert wurde.
Das RFID-Sensor-System speichert die Sensordaten auf dem Mikro-Controller und erfasst mit einer Uhr an Bord des Chips den Zeitpunkt der einzelnen Messungen. Im Falle einer Reklamation lässt sich ermitteln, wann im Verlauf der Reise ein kritischer Wert überschritten wurde.
Zwar existieren schon verschiedene kleine Beschleunigungs-, Licht oder Temperatur-sensoren, aber den Ansprüchen der Projekt-Partner genügte bislang keiner der handelsüblichen Messfühler: Der Sensor soll nicht nur klein und leicht sein, sondern auch besonders energiesparend, damit die Chip-Batterie lange hält und nicht nach jeder Reise ausgetauscht werden muss. Schreiner MediPharm hat Interesse an einem flexiblen Temperatur-Chip für rundliche Arzneiflaschen.
Wöllenstein, seine IPM-Kollegen und die Partner von IPC und UST haben inzwischen flexible Prototypen entwickelt. Für den Lichtsensor greifen sie auf Farbstoffsolarzellen zurück. Die bestehen aus biegsamen Polymer-Elektroden. Dazwischen befindet sich ein gelartiger Elektrolyt. Fällt Licht auf das Sandwich, entsteht ein ‚verräterischer‘ Spannungspuls, der auf dem Chip gespeichert wird. Unbefugtes Öffnen lässt sich so leicht nachweisen.
Den Temperatursensor entwickelt die Firma UST direkt in den Reinräumen des Fraunhofer-Instituts. Hier besteht die Herausforderung darin, einen besonders dünnen Platin-Sensor mit extrem hohem Widerstand zu kreieren, denn je höher der Widerstand, desto weniger Strom zieht der Sensor. Temperaturveränderungen registriert der Sensor anhand einer Änderung dieses Widerstands.
Wöllenstein und seine Kollegen arbeiten allerdings nicht nur an der Sensor-Hardware. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, Lösungen zu entwickeln, um das analoge Sensorsignal in einen digitalen Datenstrom umzuwandeln und die Information zum Controller zu übertragen. Ihr Ziel: Das Übertragungsprotokoll und die Softwareschnittstelle sollen sich mit handelsüblichen Mikrocontrollern koppeln lassen. Das erlaubt es, die RFID-Sensoren künftig kostengünstig herzustellen.
Für Michael Schmidt, bei der Firma Scemtec in Reichshof-Wehnrath zuständig für Track, ist das Projekt vor allem wegen dieses Praxisbezugs und wegen des direkten Kontakts zu den Anwendern von großem Interesse. Scemtec ist Spezialist für Schreib-Lese-Technik und entwickelt individuelle RFID-Lösungen für Unternehmen. Von der Kombination herkömmlicher Transponder-Technik mit Sensorik verspricht er sich den Durchbruch für die RFID-Branche. „Bislang entscheiden sich Kunden trotz der Vorteile von RFID häufig noch immer für den konkurrenzlos billigen Barcode“, sagt Schmidt. Die Sensorik verschaffe RFID einen einzigartigen Mehrwert, und vor allem bei der Überwachung von hochwertigen Gütern werde der Preis von einigen wenigen Euro pro Sensor-Tag kaum mehr eine Rolle spielen.
Tim Schröder Fachjournalist in Oldenburg
Uhr im Chip gibt den Zeitpunkt des Schadens an
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de