Es ist kein gefürchtetes Thema mehr – im Gegenteil: Mehr als die Hälfte von 1.003 befragten Personen sehen in selbstfahrenden Autos den Vorteil, dass die Umweltbelastung durch einen geringeren Kraftstoffverbrauch sinkt, weil die optimale Strecke mit angepasster Geschwindigkeit genutzt wird. Knapp 49 % erwarten zudem einen besseren Verkehrsfluss für alle Fahrzeuge – wovon ebenfalls die Umwelt profitieren würde. Das ist das Ergebnis einer Studie von Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, bei der sich im Januar 2021 1.003 Personen ab 16 Jahren zu Vor- und Nachteilen des autonomen Fahrens äußerten.
43 % der Bevölkerung sehen laut der Umfrage als Vorteile autonomer Autos außerdem eine geringere Lärmbelästigung durch die angepasste Fahrweise sowie mehr Zeit für den Fahrer für andere Dinge, beispielsweise Büroarbeiten oder Unterhaltung. Rund ein Drittel (35 %) erwartet mehr Fahrkomfort. Nur drei von zehn Befragten sehen dagegen ein Plus an Sicherheit als Vorteile beim autonomen Autoverkehr: 29 % erwarten mehr Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer, 27 % rechnen mit weniger Unfällen und 24 % mit mehr Sicherheit für die Insassen. Ein Fünftel der Befragten meint, dass autonome Autos schneller ans Ziel kommen.
Aktueller Gesetzesentwurf soll den Einsatz autonomer Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland regeln
„Vernetzte Mobilität mit autonomen Fahrzeugen bedeutet weniger Stop-and-Go in den Innenstädten und angepasste Fahrweise außerorts. Auf diese Weise lässt sich der Ressourcenverbrauch des motorisierten Individualverkehrs reduzieren“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Deutschland hat gerade ein Gesetz zum autonomen Fahren auf den Weg gebracht, mit dem es in Europa und auch international eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Frage ist längst nicht mehr, ob autonomes Fahren kommt, sondern nur noch: wann und wie,“ so Rohleder weiter.
Damit spielt Rohleder auf den Gesetzesentwurf an, den das Bundeskabinett am 10. Februar 2021 zum autonomen Fahren beschlossen hat. Mit dem vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vorgelegten Entwurf sollen die Voraussetzungen für den Einsatz autonomer Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr in ganz Deutschland geschaffen werden – allerdings nur in vorher von den zuständigen Landesbehörden festgelegten „Betriebsbereichen“, wie es heißt. Seit dem 21. Juni 2017 gilt das Gesetz zum automatisierten Fahren, das den Betrieb hochautomatisierter Fahrzeuge regelt. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen selbständig die Fahraufgabe übernehmen, ein Fahrer ist aber weiterhin notwendig. Mit Inkrafttreten des jüngst vorgelegten Gesetzes wäre Deutschland das erste Land weltweit, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt.
Autonomes Fahren wird sich nur langsam durchsetzen
Erfolge in puncto Rechtslage sowie bei Forschung und Entwicklung sind das eine – die Realität auf den Straßen ist eine andere. Denn eine Studie des Prognos-Forschungsinstituts zum autonomen Fahren für den ADAC zeigt: Automatisiertes Fahren wird sich nur langsam durchsetzen. Das liege vor allem daran, dass Autos durchschnittlich bis zu zwanzig Jahre im Einsatz sind. Daher würden sich neue Technologien nur allmählich im Gesamtbestand bemerkbar machen.
Laut Prognos wird der Anteil von Neufahrzeugen, bei denen sich der Fahrer auf allen Autobahnen komplett von der Fahraufgabe abwenden kann, im „optimistischen“ Fall von 2,4 % im Jahr 2020 auf immerhin 70 % im Jahr 2050 steigen. Ab 2030 werden dann Pkw mit Citypilot, also der Fähigkeit, sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt allein zu fahren, allmählich auf den Straßen auftauchen. Und erst nach 2040 werden in größerer Zahl Autos angeboten, die völlig autonom von Tür zu Tür kommen, also auch auf Landstraßen keinen Fahrer mehr benötigen. Den Forschern zufolge werden demnach normale Fahrzeuge noch bis weit ins 21. Jahrhundert hinein neben vollautomatisierten unterwegs sein. Damit relativiere sich auch die Hoffnung auf schnelle Sicherheitsgewinne durch autonome Pkw in den nächsten Jahrzehnten. Dass immer weniger Menschen im Straßenverkehr sterben oder verletzt werden, liegt eher an der Verbreitung leistungsfähiger Assistenzsysteme: So greifen Helfer wie der Notbremsassistent schon heute ein, wenn der Mensch einen Fehler macht.
Lesen Sie hier mehr zum Stand der Technik:
www.industrieanzeiger.de/noch-lange-kein-automatismus
Autonomes Fahren birgt gemäß Bitkom-Umfrage auch noch Nachteile
Fast ebenso viele Befragte (22 %) können allerdings gar keine Vorteile von autonomen Autos erkennen. Die Hauptargumente gegen autonome Autos gemäß der Umfrage sind unklare rechtliche Rahmenbedingungen (68 %), also etwa wer im Falle eines Unfalls haftet, sowie die Sorge davor, dass die Fahrzeuge gehackt werden könnten. 57 % haben Angst vor technischen Problemen, 54 % bemängeln hohe Investitionskosten für die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur. Rund die Hälfte hat Bedenken, dass persönliche Daten etwa zum Fahrverhalten ohne Einwilligung genutzt werden. Weiterhin meinen 41 %, dass autonome Autos ohnehin zu teuer sein werden, 39 % sagen: Ich will auf den Spaß am Selbstfahren nicht verzichten. Ein Drittel (36 %) traut der Technik im Auto weniger als einem Mensch am Steuer zu, Gefahrensituationen zu meistern. Und ein gutes Fünftel (22 %) gibt an, grundsätzlich wenig Vertrauen in Technik zu haben.
Entwicklungskooperation von Bosch und Microsoft beschleunigt die Entwicklung „Software-definierter Fahrzeuge„
Der Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch treibt das Thema autonomes Fahren schon seit wenigen Jahren intern stark an: 2019 erklärte CEO Volkmar Denner „Autos ohne Lenkrad und Pedal“ zum „Game Changer für die individuelle Mobilität im kommenden Jahrzehnt“. Der Konzern investiert viel Geld in das Zukunftsfeld: „Allein bis 2022 rechnen wir mit Vorleistungen in Höhe von vier Milliarden Euro“, sagte Denner.
Nun arbeitet der Zulieferer gemeinsam mit dem IT-Riesen Microsoft an einer Softwareplattform für die nahtlose Vernetzung von Autos und Cloud. Ziel der Kooperation ist es, Fahrzeugsoftware künftig schneller, einfacher und während des gesamten Autolebens weiter entwickeln zu können sowie diese über die Cloud auf die Steuergeräte und Fahrzeugrechner aufspielen zu können. Die Plattform basiert auf der Cloudlösung Microsoft Azure und beinhaltet auch Softwarebausteine von Bosch.
„Unsere Zusammenarbeit mit Bosch bringt die Expertise eines weltweit führenden Automobilzulieferers mit den Stärken von Microsofts Cloud, AI und GitHub zusammen“, sagt Scott Guthrie, Executive Vice President Cloud + AI bei Microsoft. „Software wird immer mehr zum zentralen Unterscheidungskriterium in der Automobilindustrie. Unser Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, einzigartige Mobilitätsdienste für PKW und Nutzfahrzeuge schneller und in großem Umfang zur Verfügung zu stellen.“
Neue Software-Services für Entwickler
Da in den kommenden Fahrzeuggenerationen Software eine immer wichtigere Rolle spielt, erfolgen auch Updates und Upgrades künftig häufiger. Wegen hoher Sicherheitsanforderungen während der gesamten Fahrzeuglebensdauer sind drahtlose Software-Updates und digitale Dienste für Autos noch aufwendig. Zusätzliche Komplexität entsteht durch zahlreiche verschiedene Baureihen und Modellvarianten. Bosch bringt in die Entwicklungskooperation daher laut eigenen Aussagen einerseits sein Verständnis von elektrischen und elektronischen Architekturen, Steuergeräten und Fahrzeugcomputern ein, das für die Over-the-Air-Updates der Fahrzeuge erforderlich ist. Andererseits steuert das Unternehmen sein Know-how sowie softwarebasierte Produkte für Autos bei. Dazu gehören die Basissoftware und sogenannte Middleware für Fahrzeugcomputer und Steuergeräte, ebenso wie cloudbasierte Softwarebausteine, um drahtlose Aktualisierungen auf ganze Fahrzeugflotten aufzuspielen.
Bosch und Microsoft planen zudem, bestehende Softwarewerkzeuge weiterzuentwickeln: Sie sollen es Autoherstellern und Zulieferern ermöglichen, ihre eigene Softwareentwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen, dabei jedoch weiterhin die hohen Sicherheitsanforderungen der Automobilindustrie einzuhalten. Die Unternehmen wollen außerdem die vollintegrierte Git-Hub-Enterprise-Plattform nutzen. Es ist zudem geplant, wichtige Teile der neuen Softwareplattform als Open Source auf Github.com für Entwickler bereitzustellen. Beide Unternehmen planen, dass erste Fahrzeugprototypen die neue Softwareplattform bis Ende 2021 nutzen können.
Auch VW arbeitet mit Microsoft an Services für autonomes Fahren
Auch der OEM Volkswagen holt sich für die Entwicklung von Software für selbstfahrende Autos Microsoft an Bord. Der Autohersteller will seinen Kunden ebenfalls schneller automatisierte Fahrfunktionen anbieten. Der Automobilkonzern kooperiert bereits seit 2018 mit Microsoft beim Aufbau einer Cloud-Plattform für den Datenaustausch zwischen vernetzten Fahrzeugen. Microsofts Cloud-Dienste sollen nun beim Aufbau einer Plattform für Entwickler zum Einsatz kommen, wie die Unternehmen kürzlich mitteilten. Volkswagen erhoffe sich davon unter anderem schnellere Entwicklungszyklen, wie Dirk Hilgenberg, CEO der Car.Software-Organisation im VW-Konzern, erklärte. Dabei geht es auch um Software-Updates, die wie bei Tesla per Funk vorgenommen werden. „Diese Funktionalität muss da sein. Wenn man das nicht kann, wird man Boden verlieren“, sagte Hilgenberg der Nachrichtenagentur Reuters. Microsofts Cloud-Vizepräsident Scott Guthrie verglich das mit Smartphones, die inzwischen regelmäßig im Hintergrund Updates vornähmen.
Mit diesen Entwicklungen wird das Thema automatisiertes und gar autonomes Fahren weiter an Fahrt aufnehmen.
Weiteres Hintergrundwissen zum Automatisierungsgrad beziehungsweise den fünf Level des automatisierten/autonomen Fahrens finden Sie beim ADAC: www.adac.de/autonomes-fahren-5-stufen
Kontakte:
Robert Bosch GmbH
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E-Mail: kontakt@bosch.de
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