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Sarissa-Chef Volker Jauch über moderne Assistenzsysteme in der Industrie

Betriebsbedarf
Sarissa-Chef Volker Jauch über moderne Assistenzsysteme in der Industrie

Sarissa-Chef Volker Jauch über moderne Assistenzsysteme in der Industrie
Volker Jauch ist Geschäftsführer der Sarissa GmbH in Weingarten. Bild: Uwe Schoppen
Trotz aller Bemühungen rund um die Automatisierung in der Produktion gibt es sie noch, die Handarbeitsplätze, vor allem in der Montage. Werkerführungs-Systeme des Herstellers Sarissa können an diesen Stellen die Effizienz erheblich steigern. Wie das funktioniert und worauf dabei alles zu achten ist, erzählt Geschäftsführer Volker Jauch im Interview.

» Uwe Schoppen, Redaktion Industrieanzeiger

Herr Jauch, wann und mit welchem Ziel haben Sie das Unternehmen Sarissa gegründet?

Die Gründung war im Januar 2010. Unsere Idee war, mit einem automatischen Werkerführungs-System menschliche Fehler in Handarbeitsprozessen zu verhindern, also Qualitätssicherung während der Wertschöpfung zu betreiben. Wir wollten sozusagen ein Indoor-GPS entwickeln, sprich ein Global Positioning System für Anwendungen in Gebäuden, mit dem man die Position der Hände des Mitarbeiters oder des Werkzeugs immer kennt, um so die Arbeitsabläufe unterstützen zu können. Mit den Funkwellen des GPS geht das natürlich nicht. Aber es gab damals ein Ultraschall-Erkennungssystem von Kieferbewegungen im Dentalbereich. Daran orientierten wir uns und haben unser LPS entwickelt, das Local Positioning System für die Werkhalle.

Wie kam es zu dem Namen Sarissa?

Der Name sollte keinen Bezug zu meinem Namen oder zum Produkt haben, er sollte nicht aus Zahlen und Buchstaben bestehen und international aussprechbar sein. Auf den Namen Sarissa stieß ich in dem Film „300“, den ich im Fernsehen sah. Eine Sarissa ist eine fünf Meter lange Lanze. Der Name war noch nicht vergeben, also habe ich mich dafür entschieden. Allerdings interpretierte ich die Sarissa weniger als Lanze, sondern als Speerspitze der Entwicklung.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie heute und welchen Umsatz generieren Sie?

Derzeit sind wir elf Mitarbeiter, der Umsatz bewegt sich zwischen einer und zwei Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten zwei oder drei Jahren die Grenze von zwei Millionen überschreiten werden, ohne dabei deutlich mehr Leute einstellen zu müssen.

Was genau ist eine Werkerführung?

Wir schauen dem Werker mit unserer Sensorik wohlwollend über die Schulter. Unser System kennt den Arbeitsablauf und wir beobachten dann im positiven Sinne den Mitarbeiter, ob er sich an die Arbeitsvorschrift hält. Wenn der Mitarbeiter einen Fehler macht, schreiten wir mit einem akustischen oder optischen Signal ein. Und sind die Werkzeuge mit unseren Sensoren ausgestattet, können diese abhängig vom Ort freigegeben oder gesperrt werden.

Wird dem Mitarbeiter auch signalisiert, dass er etwas richtig gemacht hat?

Nein, nicht direkt. Aber wenn der letzte Arbeitsschritt korrekt war, zeigen wir ihm den nächsten am Bildschirm an. Wenn er alles richtig macht, nimmt er uns eigentlich gar nicht wahr.

Wie kann man sich den Ablauf in der Praxis vorstellen?

Der ungelernte Werker stellt sich an seinen neuen Arbeitsplatz. Er muss nur das tun, was er auf dem Bildschirm liest. Da steht zum Beispiel: Greifen Sie mit der linken Hand das Stanzbiegeteil aus Box eins und legen sie es in die Form. Der Werker hat kleine Ultraschall-Sender an den Handschuhen. Die Wellen werden von einem Empfänger über dem Arbeitsplatz aufgenommen und ausgewertet. So können wir jede Bewegung erfassen und einschreiten, wenn etwas falsch läuft. Dann folgt die nächste Anweisung am Bildschirm. Das geht so weiter, bis das Teil fertig montiert ist. Wenn der Mitarbeiter die Prozedur hundert Mal durchlaufen hat, macht er das blind. Er blickt dann auch nicht mehr auf unseren Bildschirm. Aber wir schauen trotzdem weiter zu, auch bei dem tausendsten Teil. Dann nämlich schlägt unsere Stunde, denn irgendwann denkt er an Fußball, wird abgelenkt oder müde – und wir sind zur Stelle.

Führen Sie Buch über die Fehler der Mitarbeiter?

Das ist ein wichtiger Punkt. Das machen wir selbstverständlich nicht. Wir überwachen nicht, wir speichern nichts und wir melden auch nichts an den Meister nach dem Motto: Herr Müller hat heute zehnmal danebengegriffen. Wir könnten das, aber wir werden es nicht tun. Es gibt in unserem System auch keine Hintertür, ein versteckter Mausklick, mit dem man das aktivieren könnte. Würden wir das machen und das käme raus, könnten wir in normalen, zivilisierten Ländern nichts mehr verkaufen, wir könnten zumachen. Es gibt Länder, die würden das zulassen. Aber in Deutschland und den meisten anderen Ländern geht das nicht.

Gibt es eine Laserunterstützung bei Ihren Lösungen, also eine Führung mit Laserstrahl?

Ja. Und ich möchte hinzufügen, dass wir das zusammen mit der Firma LAP Laser erfunden haben. Gezeigt wurde die Technik zum ersten Mal 2019 auf der Fachmesse Motek. LAP liefert die Laserprojektoren, wir haben es als Visualisierungsinstrument in der Werkerführung umgesetzt.

Warum braucht die Industrie eine Werkerführung?

Klassische Werkerführungen gibt es schon lange. Früher machte man das mit ausgedruckten Arbeitsplänen. Die wurden dann in Klarsichthüllen verpackt und am Arbeitsplatz ausgelegt. Manchmal wurden in den Beschreibungen auch Bilder oder Powerpoint-Präsentation verwendet. Der Mitarbeiter konnte dann darin blättern und nachschauen, wie der nächste Arbeitsschritt sein soll. Das wird teilweise heute noch so gehandhabt, aber mit Klarsichtfolien geht das nicht mehr, denn die Losgrößen werden immer kleiner und die Aufgaben anspruchsvoller. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter oft wechseln. Man denke an Saisonarbeiter oder Ferienjobber. Dadurch wächst der Schulungsbedarf rasant. Da kann sich nicht jedes Mal ein teurer Arbeitsvorbereiter oder Springer hinstellen und den Leuten das erklären. Mit einer automatischen Werkerführung ist das Problem ein für alle Mal gelöst. Zudem lassen sich an so einem Arbeitsplatz auch kleine Losgrößen von verschiedenen Produkten fertigen. Der Werker liest QR-Code eins ein und startet damit die Werkerführung eins, mit QR-Code zwei die Werkerführung zwei und so weiter.

Gibt es Kernbranchen, denen Sie Ihre Lösungen anbieten?

Unsere Lösung ist branchenunabhängig, aber unsere Kernbranche sind die Automobil-Zulieferer.

Was kann Sarissa, was andere nicht können?

Wir können uns auf die Bedürfnisse des Kunden einstellen, weil wir die Entwicklung im Hause haben. Ein Kunde wollte sich zum Beispiel das Einteachen der Werkerführung sparen und fragte, ob sich das nicht über SAP automatisieren lässt. Den Wunsch konnten wir erfüllen. Das SAP-System liefert die Stückliste, die wir dann online in einen Arbeitsablauf umbauen und dem Werker zeigen. Wir liefern nicht ausschließlich von der Stange, sondern machen auch spezielle Anpassungen. Unser eigentliches Knowhow steckt allerdings in der präzisen Positionserkennung inklusive der schnellen Berechnung. Uns wurde oft vorgehalten, dass unsere Lösung zu langsam ist. Aber wir konnten jedes Mal nachweisen, dass es nicht unser System ist, das den Ablauf bremst, sondern die SPS des Kunden, der Schraub-Controller oder das überlastete Netzwerk im Unternehmen. Da sind wir uns nicht zu schade, mit dem Oszilloskop auf den Knien in der Fertigung unterwegs zu sein und dem Kunden zu zeigen, wo die Flanke von unserem System abfällt.

Wie wird sich Sarissa in den kommenden Jahren weiter entwickeln?

Inzwischen kommen Firmen zu uns, die bereits eine eigene Werkerführung haben. Die wollen nur noch unsere Koordinaten, sprich ein System, das in ihrem Werkerführungs-System kontrolliert, ob sich die Hände des Werkers oder das Werkzeug tatsächlich in der angegebenen Position befinden. So ist unser Positionbox entstanden. Die Luft- und Raumfahrt ist ein potenzieller Anwender der Positionserkennung. Mit dieser Technik werden wir uns in den kommenden Jahren verstärkt beschäftigen.

Kontakt:
Sarissa GmbH
Ettishofer Straße 8
88250 Weingarten
Tel. +49 751 509159–00
www.sarissa.de

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