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Feedback- und Fehlerkultur macht F&E schlank

Lean Innovation 2011: Ergebnisse des Konsortialbenchmarkings
Feedback- und Fehlerkultur macht F&E schlank

Lean Innovation überträgt das wertorientierte Denken der Lean Thinking-Philosophie auf das Innovationsmanagement. In einem durch das WZL der RWTH Aachen durchgeführten Konsortialbenchmarking konnten erfolgreiche Ansätze identifiziert und neue Erkenntnisse gezogen werden.

International zu agieren und stetig neue Innovationen oder Produktvariationen mit kürzer werdenden Produktlebenszyklen auf dem Markt anzubieten, stellt Unternehmen weltweit vor neue Herausforderungen. Von der Entwicklung werden unter der Beeinträchtigung des steigenden Fachkräftemangels zum einen Produktneuheiten und zum anderen kontinuierlich verbesserte Varianten von bestehenden Produkten gefordert. In der Beherrschung dieser Herausforderungen sind besonders diejenigen Unternehmen erfolgreich, die sich durch eine effektive und effiziente F&E differenzieren. Die Lösung hierzu liegt in einer transparenten und wertorientierten Gestaltung der Prozesse: in Lean Innovation.

Im Vorjahr setzte das WZL ein umfangreiches Konsortialbenchmarking auf, in dem zum einen die Verankerung der Lean Innovation-Prinzipien gemessen, zum anderen Best Practices identifiziert werden sollten. Bei einem Konsortialbenchmarking schließen sich mehrere Unternehmen zu einem Konsortium zusammen, um gemeinsam ein Benchmarking-Projekt durchzuführen. Die Zusammensetzung des Konsortiums (siehe Kasten) zeichnet sich dabei durch seine Heterogenität und den dadurch möglichen branchenübergreifenden Austausch aus. Durchgeführt und organisiert wurde das Benchmarking durch einen Intermediär, in diesem Fall das WZL der RWTH Aachen. Das Benchmarking-Objekt bilden Drittunternehmen, die im Rahmen des Benchmarking-Prozesses auf Basis einer Fragebogenstudie und anschließenden Unternehmensbesuchen identifiziert und analysiert werden. Das Konsortium beeinflusst durch den jeweiligen Wissensschatz und die individuellen Fragestellungen im Fragebogen die Auswahl der Best Practice-Unternehmen entscheidend mit.
Im Rahmen der Studie wurden aus einer Grundgesamtheit von 70 Unternehmen die besten 20 % ausgewählt – die sogenannten Top Performer. Diese Auswahl erfolgte anhand von im Konsortium festgelegten Kriterien, wie beispielsweise Time-to-Market, der Anzahl generierter Patente und erreichter Projektziele, der Mitarbeiterzufriedenheit und der Anteil „in-Budget“ abgeschlossener Projekte. Die Top Performer wurden anschließend anhand von Telefoninterviews und darauf aufbauenden anonymisierten Fallstudien vom Konsortium bewertet und sechs Best-Practice-Unternehmen für Firmenbesuche identifiziert (siehe Kasten). Ziel der Firmenbesuche war der Austausch von Wissen und das Aufzeigen von erfolgreichen Ansätzen und Vorgehensweisen.
Die Ergebnisse des Konsortialbenchmarkings setzen sich somit zum einen aus den Ergebnissen der europaweit durchgeführten Umfrage und zum anderen aus den gewonnenen Erkenntnissen aus dem Austausch mit den gewählten Best-Practice-Unternehmen zusammen. Die Studienergebnisse basieren auf den Antworten von 70 Unternehmen aus ganz Europa, wobei der überwiegende Teil der Teilnehmer aus den DACH-Ländern stammt; der Branchenfokus liegt mit einem Drittel der teilnehmenden Unternehmen auf dem Maschinenbau.
Die zentralen Ergebnisse der Studie sind:
• Lean Management wird immer mehr in die indirekten Bereiche und in die Forschung & Entwicklung übertragen. Dies bestätigen zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmen. Allerdings heben sich die Top Performer hier mit einer Einführungsquote von 94 % klar von der Grundgesamtheit ab.
• Die gängigste Möglichkeit zur Synchronisation in der Entwicklung stellen definierte Meilensteine innerhalb des Stage-Gate-Prozesses dar. Top Performer leben ihren Stage-Gate-Prozess konsequent und brechen wenig erfolgversprechende Projekte bereits zu einem frühen Zeitpunkt ab. Unternehmen, bei denen ein standardisierter Entwicklungsprozess vorhanden ist, weisen durchschnittlich eine um etwa 10 % geringere Abweichung vom Plan auf als solche Unternehmen, in denen kein Standardprozess vorhanden ist (siehe Grafik vorige Seite). Ferner führt der Einsatz solch eines Prozesses zu einer deutlich besseren Einhaltung der Projektzeiten, des Budgets und der inhaltlichen Ziele.
• Ohne begeisterte und entsprechend geschulte Führungskräfte ist es praktisch unmöglich, Lean in der F&E einzuführen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu liefert die Feedback- und Fehlerkultur im Unternehmen. Werden Fehler nicht als Schaden und Makel wahrgenommen, sondern als Chance für eine Verbesserung in zukünftigen Projekten und wird dies dementsprechend kommuniziert, hat dies einen positiven Einfluss auf die Anwendung von Lessons Learned in zukünftigen Projekten. Trotzdem haben immer noch 20 % der teilnehmenden Unternehmen keine positive Fehlerkultur schaffen können – Top Performer und Follower unterscheiden sich hier kaum. Es existiert eine Korrelation zwischen der Fehler- und der Lean Kultur (siehe Grafik oben): Unternehmen mit einer hohen Anzahl an Lean Überzeugungstätern können eine vergleichsweise sehr gute Fehlerkultur vorweisen. Unter der Fehlerkultur wird dabei der Umgang mit Fehlern als Makel und Schaden, das Feedbackverhalten der Vorgesetzten und die allgemeine Kultur im Unternehmen subsummiert.
• Für einen Wandel hin zu einer verschwendungsfreien F&E im Sinne von Lean Innovation ist die Herangehensweise entscheidend für den späteren Erfolg. Gleich bedeutend für alle Teilnehmer ist eine klare Ausgangsanalyse (über 40 %) und die Einführung zunächst über kleinere Pilotprojekte (über 60 %). Die Ausgangsanalyse hilft, ein Verständnis über den Status Quo und die daraus ableitbaren prioritären Handlungsfelder zu gewinnen. In Pilotprojekten können einerseits erste Erfahrungen gesammelt und andererseits die positiven Ergebnisse genutzt werden, um kritische Mitarbeiter von der Idee des Lean Thinkings in der F&E zu überzeugen. Top Performer nutzen zudem Leitmotive für die Implementierung von Lean (50 % gegenüber 33 % bei den restlichen Unternehmen) und ein umfassendes Lern- und Trainingsprogramm für die Belegschaft (63 % gegenüber. 30 % bei den restlichen Unternehmen) wesentlich intensiver. Sie messen darüber hinaus den Nutzen der Implementierung stärker durch regelmäßige Zwischenergebniskontrollen (63 % gegenüber 37 % bei den restlichen Unternehmen).
Festhalten lässt sich, dass erfolgreiche Unternehmen schon heute verstärkt auf Lean Innovation setzen, ein einheitliches Verständnis hat sich bislang jedoch nicht etabliert. Deutlich wird auch, dass Lean in der Entwicklung genauso wie Lean in der Produktion nur dann erfolgreich implementiert werden kann, wenn die Führungskräfte voll und ganz hinter der Idee stehen und ihre Mitarbeiter für die Idee begeistern können.
Prof. Dr.-Ing. Günther Schuh Dr.-Ing. Jens Arnoscht Dipl.-Wirtsch.-Ing. Abassin Aryobsei WZL der RWTH Aachen

9. Aachener Management Tage –Innovation Leadership Summit

Veranstaltungs-Tipp

  • 6. und 7. November 2012: Kongress mit vielfältigen Fachvorträgen zu Herausforderungen und Erfolgsfaktoren des Innovationsmanagements in der produzierenden Industrie. Das Vortragsprogramm enthält hochkarätige Referenten aus dem Top-Management einiger der erfolgreichsten deutschen Unternehmen.
  • 5. November 2012: Auf das Kongressprogramm abgestimmte Praktikertage bieten die Möglichkeit zum Aufbau und zur Vertiefung von Anwendungswissen über wirkungsvolle Methoden und Werkzeuge zu folgenden Bereichen: Innovationsstrategie, Gestaltung von Produktbaukästen & -plattformen, Innovationsprozesse & PLM, Innovation & Leadership sowie Globale F&E.
  • Weitere Infos und Programm: www.wzlforum.rwth-aachen.de

  • Beteiligte der Studie

    Konsortialpartner
    • Dräger Medical GmbH
    • MAN Truck & Bus AG
    • Oerlikon Leybold Vacuum GmbH
    • Manufacture des Montres Rolex S.A.
    • ThyssenKrupp Elevator AG
    • Carl Zeiss AG
    Besuchte Best-Practice Unternehmen
    • B. Braun Medical AG
    • Audi AG
    • GKN Driveline International GmbH
    • MTU Aero Engines GmbH
    • Infineon Technologies AG
    • Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG
    • Unsere Webinar-Empfehlung
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