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Forscher Schrittmacher

Der neue Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer verfolgt ehrgeizige Ziele
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Auch als Fraunhofer-Präsident ist Professor Reimund Neugebauer die Ressourceneffizienz in der Produktion ein besonderes Anliegen Bild: Fraunhofer
Mit klaren Vorstellungen hat Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer sein Amt als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft angetreten: die Internationalität und die Systemforschung weiter vorantreiben, Forschungsergebnisse stärker verwerten und mit kognitiven Innovationen der Wirtschaft immer wieder Neues anbieten.

Wehmut, aber auch Stolz schwingt mit in den Worten von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei der Verabschiedung von Professor Reimund Neugebauer von der TU Chemnitz. Als „personifizierten sächsischen Standortvorteil“ bezeichnete er den Neu-Münchener, der seit kurzem als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) Europas größte Forschungsorganisation lenkt.

Für Sachsen hat der gebürtige Thüringer, der an der TU Dresden Maschinenbau studierte, dort promovierte und habilitiert wurde, enormes geleistet. So hat er beispielsweise den 1828 gegründeten Industrieverein wiederbelebt, dem heute 120 Unternehmen mit zusammen 25 Mrd. Euro Umsatz angehören. 21 Jahre leitete Neugebauer das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz. Eng verzahnt mit der Universität, wie bei Fraunhofer-Instituten üblich, schuf der C4-Professor mit dem IWU eine weltweit geachtete Entwicklungsstätte für Produktionstechnik mit einem Jahresbudget von rund 30 Mio. Euro. Mit seinen mehr als 500 Mitarbeitern verkörpert der Werkzeugmaschinen-Experte erfolgreichen Technologietransfer. Es konnte nicht ausbleiben, dass sie ihm Professorentitel aufdrängten (Universität Kuzbass/Russland), Doktorhüte aufsetzten (drei insgesamt), den letzten im September in der TU München, oder ihm Verdienstmedaillen wie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse in die Hand drückten.
Nun will er beweisen, dass er auch das Ganze kann: Mit 60 Instituten, mehr als 20 000 Mitarbeitern und einem Etat von 1,8 Mrd. Euro ist die Fraunhofer-Gesellschaft ein Forschungsverbund in Konzerngröße. Dabei sind FhG-Institute als Förderer der angewandten Forschung gehalten, zwei Drittel ihrer Mittel durch Aufträge von Firmen und öffentlichen Einrichtungen zu erwirtschaften, nur ein Drittel kommt aus öffentlichen Fördertöpfen. Neugebauers Vorgänger, der Schwabe Hans-Jörg Bullinger, hat in seinen beiden Amtszeiten im Laufe von zehn Jahren an der Spitze Etat und Mitarbeiterzahl verdoppelt. Schon dies ist Beleg dafür, wie sehr sich bei Fraunhofer-Lenkern Innovationsgeist mit unternehmerischem Geschick paart.
Neugebauer wäre nicht Neugebauer, würde ihn dieser Erfolg schrecken. Auch Präsident Nummer zehn der 1949 gegründeten Wissenschaftsorganisation hat das Format, das Ganze ebenso über einen längeren Zeitraum zu prägen wie zuvor mit dem IWU das kleinere, das er in einem schwierigen Umfeld aufgebaut hat.
Die heutigen Rahmenbedingungen verändern sich jedoch schneller denn je. Ob Finanzkrise, Klimawandel, endliche fossile Ressourcen, demografische Entwicklung oder wachsende Turbulenzen auf den Märkten – hierbei die Dynamik und Wandlungsfähigkeit einer Organisation wie Fraunhofer zu erhalten, ist nur ein Ansatz Neugebauers. Weitere drehen sich darum, mehr aus den Entwicklungen zu machen und sie zur Umsetzung zu bringen. So will er die Forschungsergebnisse „systematischer einer Verwertung zuführen“. Mit der MP3-Technologie habe die Fraunhofer-Gesellschaft ein sehr schönes Paradebeispiel. „Es fehlen jedoch viele MP3 bei uns“, räumt er ein – und liefert sogleich eine Lösung: „Wir brauchen Modelle zur Motivation der Mitarbeiter, die Verwertung auch nach vorn zu treiben.“
Jeder seiner Vorgänger hinterließ eine unverkennbare Handschrift: Hans-Jürgen Warnecke beispielsweise gilt als Prophet des Robotereinsatzes in der Industrie. Hans-Jörg Bullinger propagierte die vernetzte Welt der modernen Datentechnik. Neugebauer hat sich als Instituts-Chef mit Strategien zur ressourceneffizienten Fabrik einen Namen gemacht.
Auch als Fraunhofer-Präsident ist ihm die Ressourceneffizienz ein besonderes Anliegen. „Effiziente Wertschöpfung bietet nachhaltige Chancen, neue Marktführerschaften mit der deutschen Wirtschaft für unsere Exportnation zu entwickeln“, formuliert er sein Credo. Heute würde oft sehr extensiv produziert, sowohl im Material- als auch im Energieverbrauch. Hier könne Fraunhofer Großes leisten, bei der Effizienz der Verbräuche von Materialien wie auch bei der Energie.
Mit Blick auf die Produktionstechnik lasse sich in Branchen wie etwa der Automobilindustrie der Energieverbrauch derzeit halbieren. Wenn dies erreicht sei, skizziert der ingeniöse Vordenker, könne man daran denken, über den Einsatz vor Ort erzeugter regenerativer Energien Fabriken autark zu betreiben. Für den Weg zur urbanen Produktion entwerfen Fraunhofer-Wissenschaftler bereits tragfähige Konzepte. Hierfür vernetzen sie sich intern wie auch mit Partnern aus der Industrie.
Diesen strategischen Ansatz in Form der Systemforschung will Neugebauer verstärkt vorantreiben. Bereits gelernt und praktiziert haben dieses Vorgehen mehr als 30 Fraunhofer-Institute im Verbundprojekt Elektromobilität. Sehr gute Ansätze sieht der Wissenschaftsmanager diesbezüglich auch mit dem Projekt Morgenstadt, der zellfreien Bioproduktion und der urbanen Produktion. Neugebauer: „Wenn wir Einfluss nehmen wollen, dass es Quantensprünge in der Entwicklung ganzer Branchen in Deutschland gibt, müssen wir das auch in anderen Branchen nach vorne bringen.“

Fraunhofer in Zahlen

  • Mehr als 80 Forschungseinrichtungen in Deutschland, davon 60 Fraunhofer-Institute
  • Mehr als 20 000 Mitarbeiter
  • 1,8 Mrd. Euro Forschungsvolumen jährlich
  • Forschungsfelder: Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation, Mobilität, Energie und Umwelt
  • Über 70 % des Leistungsbereichs werden mit Aufträgen aus der Industrie und mit öffentlich finanzierten Forschungsprojekten erwirtschaftet. Knapp 30 % steuern Bund und Ländern als Grundfinanzierung bei
  • 673 neue Erfindungen im Geschäftsjahr 2011 (entspricht 3 Erfindungen pro Werktag)
  • 494 Patentanmeldungen 2011
  • 6130 aktive Schutzrechte
  • Niederlassungen in Europa, USA, Asien und im Nahen Osten
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