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Elektromobilität: Hybridlager von SKF halten Kriechströmen stand

Elektromobilität
Hybridlager von SKF halten Kriechströmen stand

SKF sucht nach Wegen, um das Problem Elektroerosion im elektrifizierten Antriebssträngen in den Griff zu bekommen. Hybridlager sind ein erster Schritt. Aber auch die haben ihre Grenzen.

Thomas M. Wolf
Senior Application Engineer, SKF

Äußerlich unterscheiden sich Elektrofahrzeuge immer weniger von verbrennerbetriebenen Autos. Unter der Haube sieht das anders aus, insbesondere in Sachen „Antriebsstrang“: Für ein umweltfreundliches Fahrvergnügen sorgen hier leistungsstarke Elektromotoren mit hohen Drehzahlen: Sie erzielen bei einem typischen, allradgetriebenen E-Fahrzeug bis zu 20.000 min-1, und drehen damit wesentlich schneller als herkömmliche Industriemotoren. Das Tempo stellt erhebliche Anforderungen an die verbauten Lager, sodass diese zugunsten einer höheren Ausfallsicherheit speziell angepasst werden müssen.

Eine Möglichkeit besteht darin, das Stahllager und seinen Kunststoffkäfig neu zu gestalten und so die gesamte Lagerkonfiguration gegen Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Temperaturen zu wappnen. Das gilt umso mehr, wenn auch spezielle Schmierstoffe zum Einsatz kommen, die ihre Viskosität und Wirksamkeit selbst bei hohen Drehzahlen und Temperaturen behalten.

Trotz Verstärkung zu schwach

Ein derart optimiertes Stahllager kann im elektrifizierten Antriebsstrang trotzdem an seine Grenzen geraten. Denn um den Wirkungsgrad und die dynamische Leistung von Drehzahlvariablen Antrieben zu steigern, kommen dort meist extrem schnell schaltende Umrichter zum Einsatz – und die haben eine unerfreuliche Nebenwirkung: Sie erzeugen parasitäre, hochfrequente Ströme. Deren Folge ist Elektroerosion: Der Stromdurchgang durchs Lager verursacht Mikrokrater in den Wälzkörpern und Laufbahnen, verkokt außerdem den Schmierstoff und kann katastrophale Folgen haben. Verhindern lässt sich dies mit Hilfe eines Lagers, das über einen hohen elektrischen Widerstand verfügt und folglich keinen Stromdurchgang zulässt.

Materialmix als Lösung für Hybridlager

Hybridlager mit Ringen aus Stahl und Wälzkörpern aus Keramik weisen diese Eigenschaften auf. Allerdings greifen bislang nur etwa 5 % der Elektrofahrzeug-Hersteller auf diese Lösung zurück. Das liegt zum einen an den höheren Kosten. Zum anderen ziehen viele Konstrukteure die Hybridlager erst nach vorzeitigen Ausfällen von konventionellen Stahllagern in Betracht. Künftig dürften Hybridlager jedoch häufiger schon von Beginn an in den Entwicklungsprozess einbezogen werden, denn immer mehr Hersteller nutzen ausgefeilte Simulationsprogramme, die die Stärke der Kriechströme und ihre Auswirkungen vorhersehen können.

Der Austausch konventioneller Lager gegen hybride Lösungen gelingt in aller Regel problemlos, da sie mit identischen Abmessungen verfügbar sind. Außerdem stecken in ihnen bereits konstruktive Optimierungen in Sachen Käfig und Fett. Abgesehen von ihren isolierenden Eigenschaften bieten die Keramikkugeln auch noch weitere Vorteile: Die Wälzkörper sind etwa 60 % leichter und dennoch robuster als Stahlkugeln. Sie laufen im Endeffekt kühler, sind unempfindlicher gegenüber Mangelschmierung und erreichen unter stark verschmutzten Betriebsbedingungen eine Verschleißfestigkeit, die bis zu neunmal so hoch ist wie diejenige vergleichbarer Stahllager. Das kann ihre höheren Anschaffungspreise teilweise kompensieren.

Ebenfalls relevant: Ein Premium-Anbieter von E-Fahrzeugen setzt die Hybridlager von SKF bereits seit 2014 ein – und hat seither festgestellt, dass diese Lager dank ihrer Unempfindlichkeit gegen Kriechströme, ihres geringeren Gewichts und ihrer höheren Härte auch für einen höheren Wirkungsgrad im Auto sorgen, was den Fahrzeugen letztlich zu einer größeren Reichweite verhilft.

Um den Kostendruck auf die E-Fahrzeughersteller zu minimieren, arbeitet SKF seit kurzem auch an einer alternativen Lösung ohne Keramikkugeln. Der Plan ist, die gefährlichen Ströme quasi um- beziehungsweise abzuleiten, damit sie das Lager-Innenleben nicht beschädigen. Zwar ist es für konkretere Aussagen noch zu früh, doch hat die Forschung noch einen weiteren Hintergrund: Auch Keramikkugeln lösen das Problem des unerwünschten Stromflusses nicht vollständig.

Die Hybridlager selbst mögen den Kriechströmen standhalten, aber die elektrischen Impulse können sich noch bis zum Getriebe ausbreiten und dort zum Beispiel die Verzahnung schädigen. SKF hofft, gegen Ende des Jahres eine entsprechende Neuentwicklung vorstellen zu können, die das Problem des Stromdurchgangs günstiger löst als ein Hybridlager.

Profitieren dürften vor allem die Elektroautohersteller, die den Antriebsstrang komplett selbst fertigen. Denn auf Basis einer vollständigen „Hoheit“ über das gesamte System lässt sich der störende Stromfluss von Beginn an aus dem Strang „herauskonstruieren“. Hersteller, die etwa den Motor bauen, aber weitere Komponenten extern beziehen, sind mit Hybridlagern wahrscheinlich besser bedient.

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