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„Präzision entsteht im kleinsten Detail“

SPN-Geschäftsführer Dr. Jörg Eidam zur Produktionsstrategie des Sondergetriebebauers
„Präzision entsteht im kleinsten Detail“

Für den Sondergetriebebauer SPN zeigt sich der Wert kontinuierlicher Forschung und Weiterentwicklung selbst bei Verbesserungen im µ-Bereich – etwa bei Zahnstangen mit geschliffener Verzahnung. Laut dem technischen Geschäftsführer Dr. Jörg Eidam wird jetzt auch der Einstieg in die Getriebefertigung für Elektroautos vorbereitet.

Herr Dr. Eidam, seit Monaten sind die Auftragsbücher der SPN gut gefüllt. Es brummt in ihren zwei Werken in Nördlingen. Gibt es ein Geheimrezept, wie man sich als Antriebsunternehmen am Standort Deutschland gegen den großen, internationalen Wettbewerb behaupten kann?

Nein, das gibt es leider nicht – oder soll ich lieber sagen, ‚Gott sei Dank‘? Denn der Grund für unseren Erfolg liegt genau im Gegenteil von geheimnisvollen Strategien und Wegen: Wir leben von unserem Anspruch an Präzision, der seit Jahrzehnten im Firmennamen steht und die zentrale Aussage in unserer Unternehmensphilosophie ist. Eine Aussage, die in der Arbeit täglich neu gelebt und verifiziert werden muss – bei jedem einzelnen Bauteil.
Wie präzise können Planetengetriebe oder Zahnstangen noch werden? Sind hier die Potenziale nicht schon ausgeschöpft?
Das Faszinierende ist: Dass genau das niemals eintreten wird. Denn je tiefer man in ein technisches Detail einsteigt, desto größer wird das Blickfeld und es öffnen sich auf einmal Optimierungspotenziale, an die wir vorher noch gar nicht gedacht haben. Das sind die Momente, wo Innovation möglich ist und sich der Wert von kontinuierlicher Forschung und Weiterentwicklung zeigt. Zahnstangen mit geschliffener Verzahnung etwa, wie wir sie dank einer speziellen Schleifmaschine fertigen, haben einen höheren Wirkungsgrad. Prozentual gesehen liegt die Verbesserung im Zehntelbereich, beispielsweise von 97 auf 97,5 Prozent. Das klingt wenig und kaum relevant für die Energieeffizienz einer Anlage. Sobald diese jedoch rund um die Uhr im Jahr läuft, kann sich das wegen der geringeren benötigten Antriebsenergie auf ein Einsparpotenzial von mehreren Tausend Euro im Jahr aufsummieren.
Ein anderes Beispiel ist die Materialauswahl. Eine Antriebskomponente aus hochwertigem, einsatzgehärteten Stahl – gegenüber einem induktiv gehärteten Produkt – kann höhere Kräfte übertragen; das führt im Idealfall dazu, dass für dieselbe Anwendung plötzlich eine kleinere Modulgröße ausreicht. Somit kann man eine kleinere Baugröße einsetzen und auf diese Weise ebenfalls Kosten sparen.
Das klingt nach viel Aufwand. Bevorzugen die meisten Kunden nicht Standardprodukte?
Wir sind seit vielen Jahren auf Sondergetriebe spezialisiert. Hier zählt in erster Linie die individuelle, auf die spezifische Anwendung ausgerichtete Produktentwicklung. Dieser Geschäftsbereich macht den Großteil unseres Umsatzes aus – Tendenz weiter steigend. Das Spannende dabei: Da sich unsere Konstrukteure beim Bau von Sondergetrieben immer ausschließlich an den wichtigsten Getriebeanforderungen orientieren, sind bei größeren Stückzahlen bei Sondergetrieben sogar Kosteneinsparungen möglich. Ein Standardgetriebe muss für viele denkbare Einsatzfälle geeignet sein. Der Mehraufwand für unnötige Optionen am Katalogprodukt entfällt beim Sondergetriebe völlig. Dabei möchte ich betonen, dass nur ein Hersteller, der wie wir beide Varianten anbietet, eine neutrale Beratung garantieren kann. Wir haben Kunden, denen wir seit Jahrzehnten regelmäßig Sondergetriebe in großer Stückzahl liefern.
Was zeichnet denn den Entstehungsprozess eines Sondergetriebes aus?
Der erste Schritt ist der Vorentwurf. Wichtig ist, dass die Konstrukteure hier bereits so viel Hintergrundwissen wie nur möglich über das Projekt, den Arbeitsprozess oder die Gesamtmaschine erlangen. Natürlich wird dabei die Geheimhaltungsvereinbarung strikt eingehalten. Jetzt gilt es abzusichern, ob die Vorstellungen des Kunden im vorhandenen Bauraum umsetzbar und die Forderungen aus dem Pflichtenheft erfüllbar sind. Aus kommerzieller Sicht ist der Vorentwurf natürlich auch die Basis für eine erste Kostenschätzung. In der Phase der konstruktiven Entwicklung nach Vertragsschluss macht die Kommunikation mit den Kunden den Unterschied: Nur enge Abstimmungsgespräche und entsprechende Anpassungen am Getriebe führen zum gewünschten Ergebnis. Dabei zeigt sich aus unserer jahrelangen Projekterfahrung, dass sich häufig elektronische Komponenten direkt integrieren lassen und so zusätzlicher Aufwand vermieden werden kann. Deshalb gewinnt bei uns Mechatronik an Bedeutung. Ohne die Fertigung von Prototypen schließlich lässt sich die technische Machbarkeit eines Projekts nicht nachweisen. Hier muss das Erreichen der Anforderungen im Vordergrund stehen. Erst dann darf die zweite Phase der Umsetzung beginnen: Die Weiterentwicklung der Getriebe mit dem Ziel des bestmöglichen Serienpreises.
Sind Sondergetriebe in allen Branchen gefragt und welche neuen Märkte sehen Sie für Ihr Unternehmen?
Wir sind breit aufgestellt und in vielen unterschiedlichen Bereichen tätig. Das geht von der Elektrotechnik über den klassischen Werkzeugmaschinenbau bis zu Handling und Robotik. Derzeit zieht es quer durch alle Branchen wieder ziemlich gleichmäßig an. Einen Wachstumsmarkt sehen wir in der E-Mobility.
Gibt es hier schon erfolgreich abgeschlossene Projekte?
Ja! Mitte Mai präsentierte das Fraunhofer Institut für Integrierte Systeme und Bau-Elemente-Technologie (kurz IISB) mit Sitz in Erlangen einen neuen Antrieb für Elektromobilität. Kernstück des Projekts war das Umstellen eines sehr leistungsfähigen Serienfahrzeugs mit Allradantrieb von einem Verbrennungsmotor auf elektromechanischen Antrieb. Wir waren hier aufgrund der Erfahrung in der Sondergetriebefertigung am Bau und der Entwicklung des neuen Antriebs von Anfang beteiligt. Die Zusammenarbeit war eng und konstruktiv und unser Leistungsspektrum ging über das eigentliche Getriebe weit hinaus und tief hinein in die mechatronische Antriebstechnik – sehr spannend.
Geht es hier weiter?
In jedem Fall! Unser Ziel ist es, kleinere Serien derartiger Getriebe zu produzieren und da wir frühzeitig Erfahrung gesammelt haben und die Elektromobilität ein Wachstumsmarkt ist, sind wir zuversichtlich.
Planen Sie auch in Zukunft ausschließlich am Standort Nördlingen zu fertigen?
Wir haben seit der Firmengründung auf engen Kundenkontakt und hochpräzise Fertigung gesetzt. Besonders letzteres ist in Billiglohnländern fast nicht zu bekommen. Es gibt Bereiche der Antriebstechnik im qualitativ niederwertigen Segment, wo wir mit Anbietern aus Asien oder Schwellenländern in anderen Kontinenten preislich nicht mithalten können. Aber das müssen wir auch nicht. Meine Lehre aus den vergangenen schwierigen Jahren ist, dass sich Qualität letztendlich durchsetzt.
Silke Brügel Freie Journalistin in Ottobrunn
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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