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Revolution erreicht die Lackiertechnik

Industrie 4.0 zielt auf hochflexibel und smart agierende Anlagen
Revolution erreicht die Lackiertechnik

Revolution erreicht die Lackiertechnik
Die oversprayfreie Lackierung in kompakten und vernetzbaren Lackiermodulen stellt ein Element der Industrie-4.0-Strategie dar. Bild: Fraunhofer IPA
Lackieranlagen | Das Fraunhofer IPA in Stuttgart berät Anlagenbetreiber, wie sie sich entsprechend den „Megatrends“ marktorientiert ausrichten können. Diskutiert wird auch Industrie 4.0 – mit Konzepten, die auf intelligent vernetzten und hochflexiblen, effizienten Anlagen basieren.

Dr. Oliver Tiedje Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

Nach Prof. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA, werden aktuell fünf wichtige „Megatrends“ als Herausforderung angesehen, die auch die Lackiertechnik stark beeinflussen: Energiewende, Materialwende, Personalwende, Kapitalwende und eine Wende der dispositiven Faktoren.
Die Energiewende ist in der Lackiertechnik von besonderer Bedeutung, da in vielen Industriebetrieben nahezu die Hälfte der Energie in die Oberflächentechnik fließt. Aktuelle Forschungs- und Entwicklungsprojekte am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich die Energieeffizienz beim Lackieren erheblich verbessern lässt. Beispiele sind neue Abscheidesysteme und die dadurch mögliche Kreislaufführung der Kabinenluft oder eine Reduzierung der Aushärtetemperaturen.
Die Materialwende verlangt von der Anlagentechnik vor allem, mit dem Lackmaterial sparsamer umzugehen, zum Beispiel durch erhöhte Auftragswirkungsgrade bis hin zur Oversprayfreiheit in der Zukunft. Die Personalwende zielt darauf ab, insbesondere unattraktive Arbeitsbereiche zu automatisieren. Die mit der Kapitalwende verbundene Entkopplung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft spielt für die technologische Betrachtung der Lackierung eine geringere Rolle. Zu den dispositiven Faktoren zählt unter anderem der Trend zu sinkenden Losgrößen und kürzeren Produktlaufzeiten bis hin zur Individualisierung der Produkte.
In Zusammenhang mit den dafür erforderlichen neuen Produktionsstrukturen fällt häufig das Stichwort Industrie 4.0: Sogenannte Cyber-Physische Systeme (CPS) sollen gleichzeitig höchste Flexibilität, Effizienz und Qualität ermöglichen. CPS sind Maschinen, Anlagen, Aufträge et cetera, die miteinander vernetzt sind und (meist über das Internet) miteinander und mit den Menschen kommunizieren können.
Im Bereich der Lackiertechnik setzen sich diese CPS aus folgenden vier Elementen zusammen: Innovative Sensorik sorgt zum Ersten für „transparente Anlagen“. Die Echtzeiterfassung und -darstellung der Prozess- und Qualitätsdaten mittels Sensorik ist wichtig, um Lackieranlagen zu optimieren und flexibel anzupassen. Wegweisende Entwicklungen am Fraunhofer IPA sind unter anderem die Online-Überwachung von Tauchlackier- und Reinigungsbädern sowie das Energiemonitoring von Spritzlackierkabinen mit einer intelligenten Steuerung.
Zum Zweiten macht IT die Anlagen „intelligent“: Die mit der Sensorik gesammelten Daten müssen automatisiert interpretiert werden. Hier unterscheidet sich die Lackiertechnik signifikant von anderen Fertigungsverfahren, da hier wesentlich komplexere Wechselwirkungen eine Rolle spielen, zum Beispiel zwischen Lackmaterial und Anlagentechnik. Ein Lösungsansatz ist die numerische Simulationen, die mit geeigneter Modellierung Qualitätsvorhersagen erlaubt. Als ein Leuchtturm sei die am Fraunhofer IPA entwickelte Simulation der Lackoberflächenstruktur genannt. Sie berücksichtigt die vernetzten Zusammenhänge zwischen Substrateigenschaften, den einzelnen Lackauftragsprozessen sowie den Bedingungen in Kabine und Trockner.
Smarte Lackieranlagen reagieren selbständig auf neue Randbedingungen
Das „Kontextmanagement“ vernetzt Anlagen, Gewerke oder sogar mehrere Fabriken. Eine weitere Herausforderung besteht im intelligenten Vernetzen von Prozess- und Fertigungsschritten. Oft sind Lackieranlagen aufgrund langer Durchlaufzeiten aus dem übrigen Fertigungsfluss herausgelöst und verursachen nicht wertschöpfende Prozessschritte. Das auftragsbezogene Vernetzen von Beschichtungsmodulen, beispielsweise mit der Montage, ist ein Enabler für die Wandlungsfähigkeit zukünftiger Produktionsstrukturen.
Aktorik lässt die Anlagen zur „Smart Factory“ werden. In ihr werden die mittels Sensorik und IT realisierbaren Regelkreise geschlossen und auf neue Marktanforderungen und Randbedingungen automatisiert Reaktionen ausgelöst. Aktuelle Beispiele sind die automatische Generierung von Lackierprogrammen, die prozessübergreifende Energienutzung oder die Echtzeitsteuerung von Prozessbädern.
Noch sind Industrie-4.0-Strategien in der Lackiertechnik wenig berücksichtigt. Einer der Gründe ist der zeitintensive Freigabeablauf aufgrund der komplexen Wechselwirkungen. Ein technisches Hemmnis sind auch die heute noch zentral operierenden und wenig flexiblen Lackieranlagen. Sie sind in der Regel nicht wandlungsfähig und fallen durch lange Durchlaufzeiten aus dem Takt der vor- und nachgeschalteten Fertigungsschritte heraus. Dies erschwert eine hochflexible Produktion.
In aktuellen Projekten des Fraunhofer IPA werden die Megatrends aufgegriffen, anwenderspezifische, zukunftsfähige Anlagenkonzepte erarbeitet und, wo sinnvoll, die Industrie-4.0-Strategie umgesetzt. •
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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