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Was hat Korrionsschutz mit Leichtbau zu tun?

Interview Dörken MKS
„Richtiger Korrosionsschutz ermöglicht Leichtbau“

„Richtiger Korrosionsschutz ermöglicht Leichtbau“
Dr. Martin Welp ist seit neun Jahren Geschäftsführer von Dörken MKS-Systeme. Bild: Dörken MKS
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Beim automobilen Leichtbau denkt man nicht unbedingt an das Thema Korrosionsschutz. Dr. Martin Welp, Geschäftsführer von Dörken MKS-System, erklärt die engen Zusammenhänge. ❧

Sabine Koll

Welche Entwicklungen beobachten Sie derzeit beim Thema Leichtbau im Automobil?

Wir sehen derzeit wir zwei Entwicklungsachsen: Zum einen werden für tragende Bauteile neue Materialien wie faserverstärkte Kunststoffe und zum anderen typische Leichtbaumetalle wie Aluminium oder Magnesium verbaut. Alle stellen die OEMs vor neue Herausforderungen: Aluminium ist sehr voluminös und benötigt enorm viel Platz. Magnesium ist sehr schwer zu verarbeiten im Hinblick auf Kontaktkorrosion mit anderen Metallen. Dies erschwert es, Verbindungsstrukturen herzustellen. Das gleiche gilt für CFK. Auch hat man heute im Grunde keine guten Lösungen, um Verbindungen herzustellen, die man später wieder öffnen und schließen kann.

Deshalb gibt es wieder ein Revival von Stahl.

Richtig, allerdings wird Stahl weiterentwickelt. Dann sind wir bei hochfesten Stählen, wie sie zum Beispiel bei Käfigkonstruktionen zum Einsatz kommen. Stahl eröffnet auch die Möglichkeit, weiche und harte Komponenten in einem Bauteil miteinander zu verbinden – also ohne Schweißen. So sind zum Beispiel Hinterachsteile realisierbar, die nur noch wenige Kilogramm wiegen, aber trotzdem die Festigkeit früherer massiver Bauteile haben.

Sind durch die neuen Typen hochfester Stähle auch neue Lösungen für den Korrosionsschutz nötig?

Ja. Früher hat man zum Beispiel für eine Achskonstruktion Stahl mit Dicken von 3 bis 4 mm verbaut. Da ist der oberflächliche Rost, der sich ergibt, zumindest für die Lebenszeit eines Autos nicht wirklich funktionskritisch. Ein Kunde hat mal gesagt: Bei uns sind die Konstruktionsteile im Fahrwerk so dick, dass wir den Rost für die Lebenszeit einfach aushalten. Wenn man jetzt aber nur noch 0,8 mm dicke Bleche hätte, dann könnte ich mir nicht mehr erlauben, dass davon auch noch irgendetwas abgeht aufgrund von Korrosion. Das heißt, für den Erhalt der Bauteilfunktion ist Korrosion dann sehr viel gefährlicher – zum einen weil das Material tatsächlich verschwindet und zum anderen, und das ist noch viel wichtiger: Durch Korrosion entstehen Nebenprodukte wie Wasserstoff. Wasserstoff hat die Fähigkeit, in das Stahlgittergefüge einzudringen und zerstört dieses Festigkeitsgefüge, was wir dringend brauchen. Damit ist Korrosion dann doppelt so gefährlich für hochfesten Stahl wie für normalen Stahl. Im Umkehrschluss heißt das: Mit einem adäquaten Korrosionsschutz-System lassen sich die Blechdicken in Automobil-Fahrwerken reduzieren.

Es geht also nicht unbedingt darum, dass man durch den Korrosionsschutz eine Schicht aufbringt, die wiederum für zusätzliches, nicht gewünschtes Gewicht sorgt?

Nein, dieser Effekt ist zu vernachlässigen, auch wenn unsere Mikrokorrosionsschutz-Schichten deutlich weniger Gewicht verursachen als herkömmlicher Korrosionsschutz. Die Zinklamellenbeschichtungen, die wir für Anwendungen im Fahrwerksbereich nutzen, sind typischerweise 20 μm dick, wohingegen man bei Feuerverzinkung oder kathodischer Tauchlackierung (KTL) plus Pulver bei ungefähr 80 μm liegt.

Seit wann befassen Sie sich denn bei Dörken MKS mit dem Thema?

Mit dem automobilen Leichtbau befassen wir uns seit knapp zehn Jahre, die ersten größeren Serienanwendungen haben wir seit vier bis fünf Jahren. Wir stehen da im engen Kontakt mit allen Playern in der gesamten automobilen Wertschöpfungskette – angefangen beim Stahlhersteller bis zum OEM.

Nun bedient die Zinklamellen-Technologie ja keinen Massenmarkt.

Das stimmt, aber wir sprechen hier auch nicht von Blechen für die Außenhaut eines Autos, sondern von Anwendungen im Fahrwerksbereich wie Achsträger und Streben. Bei Massenkleinteilen wie Schrauben oder Klipsen findet die Zinklamelle schon lange Anwendung, ebenso in der Baumaschinen- und Windkraftbranche.

Warum Zinklamelle und nicht etwa KTL in Kombination mit Pulver oder Feuerverzinkung?

Da wir die verschiedenen Technologien alle anbieten, kann ich den Vergleich ziehen: KTL in Kombination mit Pulver stößt an seine Grenzen, wenn es zu Verletzungen der Oberfläche kommt, also durch Steinschlag. Der Steinschlag verursacht eine kleine Verletzung in der Beschichtung, die zu intensiver Korrosion und in der Folge zu Funktionsversagen führt. Das ist bei allen dickschichtigen oder bei den klassischen Lacksystemen der Fall. Der Einsatz von Feuerverzinkung ist bei hochfesten Stählen nur begrenzt möglich, weil diese bei Temperaturen oberhalb von 450° C durchgeführt wird. Bei diesen Temperaturen wird der hochfeste Stahl in seiner Gitterstruktur verändert. Er verliert seine Eigenschaften. Dann gibt es noch galvanische Verfahren. Doch beim Abscheiden der Elektrochemie entsteht Wasserstoff, der ebenfalls ins Gittergefüge des Stahls eindringt. Insofern landet man früher oder später bei der Zinklamelle.

Was sind die Vorteile der Zinklamellen-Technologie?

Die Zinklamelle ist im Grunde ein metallischer Überzug, der ebenfalls die Opferanode Zinklegierung, also Zink und andere Stähle, enthält, aber dann in Tauchbecken aufgebracht wird. Die einzelnen Zinklamellen vernetzen bei Temperaturen bis zu 200° C, sodass der Stahl in seinem Gefüge nicht angegriffen und verändert wird. Das können wir mit sehr dünnen Schichten realisieren und zudem mit weiteren Funktionsschichten kombinieren, die dann organische Lacke sein können. Damit lassen sich zusätzliche Funktionalitäten wie Chemikalienresistenz realisieren.

Sie haben das Automotive Center Südwestfalen (ACS) mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, in der herausgefunden werden sollte, inwieweit Zinklamellen-Technologie dabei helfen kann, das Gesamtgewicht des Fahrzeugs zu reduzieren.

Verglichen wurden verschiedene normale und hochfeste Stähle daraufhin, ob das Beschichtungssystem einen Einfluss auf die Stahlgüte hat, insbesondere bei Kontaktkorrosion. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Stahl gekantet, gebogen oder mit anderen Materialien wie Aluminium, Magnesium oder Kunststoffmaterialien verbunden wird. Typische Fragestellungen sind: Was passiert mit der Beschichtung, wenn ich Aluminium mit Stahl verbaue? Was passiert, wenn ich ein Verschraubungselement in Magnesium bringe? Was passiert nach dem Verschweißen? Das ACS hat uns verschiedenste Legierungen zur Überprüfung zur Verfügung gestellt – und wir haben verschiedene gängige Testverfahren wie etwa den Salzsprühtest zur Überprüfung herangezogen.

Was genau wurde getan?

Wir haben exemplarisch das vereinfachte Ersatzmodell eines Fahrwerkslenkers mit unterschiedlichen Materialstärken in mehreren Simulationen untersucht. In einem zweiten Versuchsaufbau wurde zudem das Potenzial der Wandstärkenreduzierung durch den Einsatz einer entsprechenden Korrosionsbeschichtung erforscht.

Was war das Ergebnis?

Das Ergebnis war, dass wir mit der Zinklamellen-Technologie sehr gute Werte erzielt haben – und somit mit den Automobilherstellern weitere Anwendungen angehen können.

Was sind die nächsten Entwicklungsschritte für die Zinklamelle bei Ihnen im Haus?

Wir wollen natürlich weiter die Performance des Systems verbessern, also noch weniger Material mit noch dünneren Schichten um noch höhere Leistungen in verschiedensten Umgebungen zu erzielen. Das kann zum Beispiel die Einstellung einer Reibzahl einer Schraube sein. Ganz aktuell arbeiten wir an der Mehrfachverschraubung der Radschraube. Wenn ein Auto 15 Jahre halten soll, dann muss mit dem Winterreifenwechsel 30-Mal die Schraube rein- und rausgeschraubt werden. Sie muss korrosionsgeschützt sein, trotz Werkzeug- und Schraubeingriffs, gleichzeitig ein definiertes Drehmoment umsetzen in die Anzugskraft. Das heißt, die Reibeigenschaft des Gewindes muss gleichbleiben. Das ist eine riesige Herausforderung. Daneben arbeiten wir an der Effizienz unserer Systeme. Wir haben heute eine Vernetzungstemperatur von 200° C und wollen diese auf Raumtemperatur reduzieren. Damit würden wir die Durchlaufzeiten deutlich verringern.

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