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Um 30 Prozent schnellere Prozesse

Interdisziplinäre Produktentwicklung in der Praxis
Um 30 Prozent schnellere Prozesse

Engineering | Auch kooperierende Roboter und Industrie-4.0-Konzepte verändern die Arbeitswelt. Neue Aufgabenfelder gilt es zu bearbeiten – insbesondere rund um das Systems Engineering, wie die aktuelle Ausgabe der develop3 systems engineering zeigt.

„Mensch und Roboter sind eine unschlagbare Kombination“, sagt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation und reagiert damit auf die Studie „Die Roboter kommen – Folgen der Automatisierung für den deutschen Arbeitsmarkt“, mit der die Bank ING-DiBa im April 2015 für viel Aufregung sorgte. Der Studie zufolge werden durch die fortschreitende Automatisierung über kurz oder lang 59 % der untersuchten Arbeitsplätze in Deutschland bedroht. Das wären 18 Mio. Jobs.

Die Autoren Carsten Brzeski und Inga Burk bedienen sich der Ergebnisse einer Studie von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne der Universität Oxford und übertragen diese auf den deutschen Arbeitsmarkt. Dabei ist das laut Schwarzkopf gar nicht so ohne weiteres möglich, denn die viel zitierte Analyse aus Oxford unternehme lediglich den Versuch, Wahrscheinlichkeiten der Computerisierung abzuschätzen. Demnach unterliegen 47 % der Gesamtbeschäftigung in den USA einem hohen Risiko der Automatisierung.
Allerdings relativieren die Autoren aus Oxford diese Aussage im gleichen Atemzug und schreiben: „Wir unternehmen keinerlei Versuche abzuschätzen, wie viele Arbeitsplätze tatsächlich automatisiert werden.“ Der simple Unterschied zwischen den beiden Studien ist also: Die erste aus Oxford sagt, es bestehe eventuell die Möglichkeit, dass Roboter Jobs übernehmen. Die zweite Studie überträgt deren Systematik einfach auf den deutschen Arbeitsmarkt und sagt dann, dass Roboter auf jeden Fall diese Jobs übernehmen werden.
Laut MIT-Professor David Autor sind die Einschätzungen der ING-DiBa-Autoren geradezu typisch: Er hat herausgefunden, dass das Ausmaß, in dem Maschinen menschliche Arbeit ersetzen, regelmäßig überschätzt wird. Unterschätzt würden hingegen die komplementären Effekte, die die Produktivität steigern, die Einkommen erhöhen und die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern verstärken. Diese Seite – dass der Robotereinsatz auch Chancen für neue Berufe und Beschäftigungsverhältnisse bedeuten kann – wird in der ING-DiBa-Studie nicht quantifiziert.
Nach Einschätzung des VDMA führe diese Technologieeinschätzung zu einer Verzerrung der Realität. „Das ist wie ein Kontoauszug, auf dem nur Abbuchungen – aber keine Gutschriften – aufgelistet sind“, so Schwarzkopf. Eine wissenschaftliche Untersuchung im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, welche ebenfalls die ursprüngliche Studie von Osborne und Frey aufgreift und auf den deutschen Arbeitsmarkt überträgt, gibt dagegen Entwarnung: Nach Überprüfung des Automatisierungspotenzials von Tätigkeiten – anstatt von Berufen – weisen nicht mehr als 12 % der Arbeitsplätze eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit auf. Das Fazit der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles lautet: „Der digitale Strukturwandel fordert uns neue Antworten ab. Aber er überfordert uns nicht.“
Schon 2013 hatte der internationale Roboterverband IFR in seiner Studie „Positive Impact of Robots on Employment“ herausgefunden, dass pro eingesetztem Roboter drei bis fünf neue Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe geschaffen werden. Der positive Einfluss zeigt sich auch am Standort Deutschland: Der Roboterbestand wuchs laut VDMA zwischen 2010 und 2014 um fast 20 % auf 176 000 Einheiten. Die Zahl der Beschäftigten nahm in dieser Zeit um 1,6 Mio. zu. Allein im Maschinenbau sind in den letzten fünf Jahren 100 000 neue Arbeitsplätze entstanden. Aktuell sind hier 1 008 000 Menschen beschäftigt.
Maschinenbauer lieben Software
Wie sich unsere Arbeitswelt verändert, zeigt sich abseits der Robotik sehr plakativ in der Produktentwicklung. Auch hier gilt: Die Produktivität des Engineerings ist wichtiger denn je. Das zeigte unter anderem Anfang Juli 2015 der zweite Kompetenztag Engineering der ITQ GmbH in Garching. Zentrale Fragen waren, wie Unternehmen heute agil und sicher entwickeln können und wie sie sich dafür ausrichten müssen. Interessant waren vor allem Aussagen von Praktikern von Trumpf, Optima und Kapp, die zeigen, dass Systems Engineering zuerst die Anforderungen erfassen muss, um dann früh die Software-Entwicklung zu starten – denn Maschinenbau ist zu wachsenden Anteilen heute Programmierung.
„Agil zur besseren Maschine“ lautete etwa der Titel des Vortrags von Matthias Munk, Leiter Softwareentwicklung CAD/CAM bei der Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG in Ditzingen. Er zeigte am Beispiel der Entwicklung des Programmiersystems TruTops Boost auf, wie der Spezialist für Werkzeugmaschinen und Lasertechnik agil zu noch besseren Maschinen kommt. „Am Anfang glich unsere Software-Welt einem Knäuel – wir waren von vielen Komponenten abhängig“, erläuterte Munk die Ausgangssituation. Die Systeme seien komplex und fehleranfällig gewesen und hätten hohe Kosten verursacht. „Der Weg zu TruTops Boost glich deswegen vom Projektumfang und den Herausforderungen einem Marathon, schließlich ging es um die Ablösung einer gesamten Produktreihe.“ Mehrere hundert Mann-Jahre Programmieraufwand waren nötig, bis das System so weit war, dass ein durchgängiger Prozess von der Konstruktion bis zum NC-Programm entstand. Das hat sich gelohnt: „Die integrierte 3D-Konstruktion, das intuitive Bedienkonzept und der hohe Automatisierungsgrad machen die Prozesse nun um 30 Prozent schneller“, benennt Munk den Vorteil. Hinzu kämen die einfache Installation und die leichte Wartbarkeit.
Zuschnitt in kleine Software-Stücke bewährt sich
„Dass ein Maschinenbauer solch ein Software-Projekt stemmen kann, daran hatte ich anfangs große Zweifel“, gibt Munk zu. Heute sieht er die Potenziale, die in dem Unternehmen stecken – und die haben sich stark in Richtung Software gewandelt. „Die agile Methode, alles in kleine Software-Stücke zu schneiden, hat sich bewährt: Sie macht alles transparent, schnell planbar und sorgt für schnelles Agieren – vorausgesetzt, die Disziplinen reden miteinander!“ Interdisziplinarität müsse gelebt werden. „Im Übrigen finden moderne Maschinenbauer auch Spaß an der Software-Entwicklung“, so Munk weiter, der gleichzeitig den Kreis zu Industrie 4.0 schloss – auch wenn sich der klassische Maschinenbauer mit Industrie 4.0 noch etwas schwer tue. „Das liegt sicherlich auch daran, dass er sich mit ‚No-Fun-Themen‘ beschäftigen muss.“ Das erstmals zur Messe Euroblech 2014 vorgestellte Programmiersystem TruTops Boost ist jedenfalls für Trumpf so zentral, dass es als Software im Zentrum des Messeauftritts stand. Dies verdeutlicht anschaulich, welche Bedeutung Trumpf dem Thema Software zukünftig beimisst. (dk) •
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