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Aufbruch in eine neue Dimension

Hochleistungsfertigungsverfahren zur Herstellung von Profilnuten
Aufbruch in eine neue Dimension

Zerspantechnik | Für die heutige wie auch künftige Energieerzeugung und Mobilität sind Turbinen von zentraler Bedeutung. Ihr Herzstück sind mit Schaufeln bestückte Läuferscheiben. Die prozesssichere und hochgenaue Fertigung der komplexen Nuten in den Läuferscheiben ist eine große Herausforderung.

Prof. Fritz Klocke, Dipl.-Ing. Dieter Lung, Dipl.-Ing. Christoph Nobel, Dipl.-Wirt.-Ing. Marvin Binder WZL der RWTH Aachen

In der Prozesskette der Turbinenscheibenfertigung erfolgt die Fertigung von Schaufelnuten in hochwarmfesten Nickelbasislegierungen derzeit ausschließlich mittels Räumen. Das Räumen zeichnet sich durch einige prozesstypische Eigenschaften aus, die die Verwendung dieses Verfahrens bis heute rechtfertigen. Hierzu gehören neben der spezialisierten Maschinenkonstruktion der Einsatz hochgenauer und komplexer Räumwerkzeuge, die eine exzellente Reproduzierbarkeit der Nutgeometrien erlauben und eine hohen Prozesssicherheit gewährleisten.
Heute ist der Einsatz von zähen und relativ kostengünstigen HSS-Schneidstoffen beim Räumen von Nickelbasislegierungen Stand der Technik. Aufgrund der vergleichsweise geringen Warmfestigkeit (600 °C) von HSS-Schneidstoffen sind die anwendbaren Schnittgeschwindigkeiten beim Räumen mit vc = 2 – 5 m/min niedrig. Darüber hinaus ist die Verwendung des HSS-Schneidstoffes insbesondere im Zusammenhang mit neuen, immer leistungsfähigeren Werkstoffen für Turbinenkomponenten problematisch. Denn aufgrund von Genauigkeitsanforderungen ist es erforderlich, eine Turbinenscheibe mit einem Werkzeug vollständig zu bearbeiten. Muss das Werkzeug wegen fortgeschrittenem Verschleiß ausgetauscht werden, werden erforderliche Genauigkeiten nicht erreicht und die Turbinenscheibe, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen fünfstelligen Euro-Wert hat, ist Ausschuss. Im Zuge des voranschreitenden Einzuges pulvermetallurgischer Nickelbasislegierungen und höherer Anforderungen ist es daher fraglich, ob zukünftige Turbinenscheiben überhaupt mit HSS-Räumwerkzeugen gefertigt werden können.
Das Räumen kann nur mit Blick auf die Prozesshauptzeit seine Vorteile ausspielen
Gemessen am Zeitspanvolumen und im Vergleich zu der niedrigen Schnittgeschwindigkeit, ist die Produktivität des Räum-Verfahrens hoch. Dies ist bedingt durch die vielen Schneiden am Werkzeug und dem hohen Grad an Spezialisierung der Maschinen. Die Zeitspanvolumina beziehen sich allerdings alleine auf die Prozesshauptzeit.
Verglichen mit den Verfahren auf einem Bearbeitungszentrum sind die Rüst- und Nebenzeiten beim Räumprozess weitaus höher. Auch bezüglich der Flexibilität besitzt das Verfahren Räumen Nachteile aus technologischer, wirtschaftlicher sowie organisatorischer Perspektive. Dies beinhaltet unter anderem, dass die Nutgeometrie und Spanungsgrößen aufgrund des Funktionsprinzips des Räumens direkt in der Geometrie der Räumnadeln übernommen werden müssen. Abgesehen von der Schnittgeschwindigkeit sind demnach beim Räumen alle Prozessparameter durch das Werkzeug definiert. Dies hat zur Folge, dass mit einem Werkzeug lediglich eine Geometrie in einem bestimmten Werkstoff erzeugt werden kann.
Am WZL der RWTH Aachen werden vor dem Hintergrund der beschriebenen Problemstellung im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojektes verschiedene Hochleistungsfertigungsverfahren zur Herstellung von komplexen Profilnuten in hochwarmfeste, schwer zerspanbare Werkstoffe entwickelt. Schwerpunkt ist dabei die Auslegung und ganzheitliche Bewertung der gesamten Prozesskette mit dem Ziel, die Flexibilität, Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu steigern. Die bisher in Einzelfällen und Stichversuchen nachgewiesenen Potenziale von Prozessen wie Hartmetallräumen oder dem Scheibenfräsen werden systematisch erforscht und so die Grenzen der Technologien ermittelt. Durch die Entwicklung der Hochleistungsfertigungsverfahren und deren Kombination untereinander soll eine Integration einzelner Fertigungsschritte erfolgen. Im Optimalfall wird dabei eine Komplettbearbeitung von Turbinenscheiben auf einer Werkzeugmaschine ermöglicht.
Grundsätzlich ist durch die Kombination verschiedener Verfahren zum Vorschlitzen, Schruppen, Semischlichten und Schlichten eine Vielzahl von Prozessketten denkbar. Um unter diesen Prozessketten die günstigste für eine jeweilige Bauteilgeometrie zu ermitteln, ist ein ganzheitliches Bewertungsmodell erforderlich (siehe Grafik). Dieses Modell wird neben den Bewertungskriterien für die Einzelverfahren auch solche enthalten, die die Wechselwirkungen zwischen den Prozessen und die Störgrößen berücksichtigt. Ziel ist es, in Abhängigkeit von den technologischen (Nutgeometrie, Werkstoff, Qualitätsanforderungen etc.) und organisatorischen Randbedingungen (Kapazitäten, Losgrößen etc.) die optimale Prozesskette zu bilden.
Über dieses und ähnliche Themen im Bereich der Hochleistungszerspanung berichten die Referenten der 5. Aachener High Performance Cutting (HPC)-Konferenz am 30. September und 1. Oktober 2014 am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen (siehe Infokasten). •
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