Startseite » Technik » Fertigung »

Die VDW-Geschäftsführer Dr. Schäfer und Dr. Heering über die EMO 2023

EMO 2023: Werkzeugmaschinen-Verbrand und EMO-Organisator VDW
Die VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer und Dr. Markus Heering über die EMO 2023 und die Lage der Branche

Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Automatisierung werden zentrale Themen der EMO 2023 sein. VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer und sein Nachfolger Dr. Markus Heering sagen, was die Besucher der Messe erwartet und was die Werkzeugmaschinen-Branche derzeit bewegt. Der Branchenverband Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) organisiert die Schau in Hannover.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Nach vier Jahren Pause findet die EMO wieder in Hannover statt. Worauf freuen Sie sich dabei besonders?

Dr. Wilfried Schäfer: Wir freuen uns sehr, dass die EMO wieder im gewohnten Rahmen stattfinden kann. Als Weltleitmesse ist sie für unsere Branche immer etwas Besonderes. Wir als Veranstalter freuen uns, dass die Firmen wieder mit starken Produktpräsentationen vertreten sind und uns die Messe die Gelegenheit gibt zum persönlichen Austausch und zahlreichen intensiven Gesprächen.

Dr. Markus Heering: Für mich ist es die erste EMO in meiner neuen Position. Insofern freue ich mich besonders darauf, all die wichtigen Gesprächspartner persönlich kennenzulernen, viele Kontakte knüpfen zu können und dieses Flair der internationalen Leitmesse zu verinnerlichen.

Wie haben die letzten vier Jahre die Messe verändert?

W. S.: Natürlich hat die Pandemie das Messewesen beeinflusst und zum Teil auch verändert. Im Bereich der Investitionsgüter hat sich eindeutig gezeigt, dass Präsenzmessen nach wie vor die wichtigste Marketingplattform sind, weil sich diese komplexen Themen weder in der Breite noch in der Tiefe digital abbilden lassen. Das zeigt sich auch an der Vielzahl der Unternehmen, die in diesem Jahr wieder ihre Neuheiten präsentieren. Die digitalen Angebote, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, erweitern das Spektrum zwar, sie können aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.

Worauf dürfen sich die Besucher beim Rahmenprogramm besonders freuen?

W.S.: Verschiedene Foren werden ein starkes Vortragsprogramm in den Hallen bieten. Die Besucher können dort flexibel rein- und rausgehen. Dieses Konzept hat sich bewährt. Die Vorträge bieten wichtige Informationen zu Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Außerdem wird es mehrere Sonderstände als Anlaufstellen für bestimmte Themen geben, beispielsweise zur Digitalisierung oder zu Cobots in Halle 9, zur Nachhaltigkeit in der Produktion in Halle 16 sowie Additive Manufacturing oder Start-ups. Dort können die Besucher aktuelle Themen komprimiert erfassen und sich zentral darüber informieren.

Zeichnen sich neue Trends ab?

W.S.: Über das hinaus, was wir schon seit einiger Zeit diskutieren, erkennen wir keine wirklich neuen technologischen Trends. Die Digitalisierung wird die Messe auch in diesem Jahr wieder prägen. Eine zentrale Rolle in verschiedenen Anwendungsbereichen wird die KI spielen. Aber das ist ebenfalls nicht neu. Aufgrund des Fachkräftemangels erwarten wir eine stärkere Rolle der Automatisierung.

M.H.: Sowohl die Digitalisierung als auch die Nachhaltigkeit haben Einfluss auf Entscheidungen, die Prozessabläufe, den Vertrieb oder den Service betreffen. Beim Thema Nachhaltigkeit spielt jetzt natürlich stärker als in der Vergangenheit der Energieverbrauch eine zentrale Rolle. Jeder denkt darüber nach, wie sich die Energieverbräuche in der Fertigung senken lassen. Klar, das war auch schon in der Vergangenheit ein Thema, aber die Bedeutung nimmt massiv zu. Dass uns günstige Energie zur Verfügung steht, wird es so schnell nicht mehr geben. Und dann hat das Thema Nachhaltigkeit noch eine Reihe weiterer Facetten – etwa den Ressourcenverbrauch oder soziale Aspekte – die es zu berücksichtigen gilt.

Wie wird das Thema Nachhaltigkeit auf der EMO sichtbar werden?

W.S.: Wir sehen Nachhaltigkeit nicht als neues Thema. Wir haben schon vor über zehn Jahren die Blue Competence-Initiative ins Leben gerufen, mit der wir der Zeit damals weit voraus waren und die vom Markt nicht angenommen wurde. Vor allem weil die Kosten für Energie und Rohstoffe noch nicht so dominant waren. Wir haben schon seinerzeit gezeigt, dass Nachhaltigkeit im übergeordneten Sinn wichtig ist. Neben den massiv steigenden Kosten zwingen nun auch neue Gesetze und Regularien, das Thema aktiv anzugehen. Die Anforderung an den CO2-Footprint wird zu einer veränderten Betrachtung führen. Die EMO wird viele Angebote zeigen, mit denen die Kunden ihre Bilanz verbessern können.

M.H.: Ein wesentliches Element der Nachhaltigkeit wird sein, dass alle Ressourcen, die wir in eine Produktion einbringen, am Ende wieder in den Wertstoffkreislauf zurück fließen. Kreislaufwirtschaft ist das entscheidende Stichwort. Darüber müssen wir intensiv nachdenken und Lösungen finden, wie wir diese Kreisläufe schließen können. Ich denke nicht, dass es künftig darum geht, weniger zu produzieren, sondern vielmehr darum, die eingesetzten Ressourcen optimal zu nutzen. Um das zu erreichen, müssen die unterschiedlichsten Player eng zusammenarbeiten, damit am Ende gesamtvolkswirtschaftlich eine vernünftige Lösung rauskommt.

Unterscheidet sich das Nachhaltigkeitsverständnis in verschiedenen Regionen?

M.H.: Nachhaltigkeit ist definitiv ein globales Thema. Es gibt keine Region, in der das keine Relevanz hat. Trotzdem unterscheiden sich die Ausprägung und die Gewichtung der Prioritäten sehr wohl. In Europa und insbesondere in Deutschland haben aufgrund der Entwicklungen der letzten beiden Jahre die Energiekosten und die Versorgungssicherheit an Relevanz gewonnen. Was das für die Unternehmen in ihren einzelnen Märkten bedeutet, müssen sie individuell betrachten. Das lässt sich nicht zentral beantworten.

W.S.: Wir haben in Europa schon definierte Rahmenbedingungen, die durch den Green Deal weiter detailliert werden. Diese Richtlinien betreffen nicht nur die europäischen Firmen, sondern auch alle Produkte, die nach Europa importiert werden sollen – auch wenn im Herkunftsland andere Vorgaben gelten.

Digitalisierung ist verbunden mit steigenden Anforderungen an die Konnektivität. Was gibt´s Neues bei Umati?

W.S.: Die Standardisierung in den verschiedenen Technologiebereichen im gesamten Maschinenbau hat sich weiterentwickelt. Mit Fokus auf unsere Produktpalette trifft das beispielsweise auf die Lasertechnik, Additive Manufacturing oder die Umformtechnik zu. Auch die horizontale Ebene der technologieunabhängigen Themen, die sowohl für Werkzeugmaschinen als auch für Holz- oder Kunststoffmaschinen oder die Messtechnik gelten, entwickelt sich weiter. Dort stehen etwa das Energiemonitoring oder das Jobmanagement kurz vor dem Finalisieren. Nachdem wir uns jetzt wieder weltweit auf Messen präsentieren können, erreichen wir auch wieder eine breite, internationale Kommunikation von Umati.

Wie ist der Stand hinsichtlich der Einführung in die betriebliche Praxis?

W.S.: Dass die Ausrüster es können, wird eine große Live-Demonstration auf der EMO wieder belegen. Damit demonstrieren die Unternehmen, dass sie ihre Produkte über diese OPC UA-Schnittstellen an übergeordnete IT-Systeme anbinden können. Das Angebot ist also da. Solche Lösungen in eine neu aufzubauende Produktion zu implementieren, ist vom Aufwand her überschaubar. Herausfordernder ist es, das in eine bestehende Fertigung zu integrieren. Insofern ist die Frage, wie schnell der Markt das aufgreift.

Wie werden die Besucher Umati auf der EMO erleben können?

W.S.: In Halle 9 wird es einen großen Umati-Stand geben, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Aber auch an den Ständen der beteiligten Firmen wird man sehen können, wie die Daten und Informationen fließen. Die Besucher können über eine App wieder live auf ihrem Handy sehen, welche Maschinen angebunden sind und wie die Daten fließen. Insofern wird das wieder ein spannendes Angebot sein.

Welchen Herausforderungen müssen sich Fertigungstechniker derzeit stellen?

W.S.: Bei einer der größten Herausforderungen können wir als Verband und als EMO-Organisator nur wenig helfen – beim Fachkräftemangel. Wenn man schaut, wie viele Stellen oder Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, dann wird uns das noch lange beschäftigen. Mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass sich die Unternehmen rechtzeitig auf die regulativen Vorgaben und Veränderungen einstellen. Auch im Bereich Digitalisierung gibt es sowohl für die Hersteller als auch für die Anwender noch viel zu tun, um mit der weiteren Entwicklung Schritt halten zu können. Für die beiden letzten Themen werden die Besucher auf der EMO viele Gesprächspartner finden, um ihren individuellen Weg zu diskutieren.

Die Komplexität der Systeme nimmt stetig zu. Kann das so weitergehen?

W.S.: Mit dem Moment, in dem ich Maschine, Werkzeug, Prozess und IT vernetze, ist Komplexität unausweichlich. Sicherlich müssen die unterschiedlichen Disziplinen ein gemeinsames Verständnis der Materie entwickeln, um gemeinsam zu beherrschbaren Lösungen zu kommen. Aufhalten lässt sich Komplexität aber nicht. Sie beherrschen zu können, ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen.

Herr Dr. Schäfer, Sie übergeben den Staffelstab beim VDW Ende 2023 an Dr. Heering. An welche Highlights Ihrer Amtszeit denken Sie gern zurück?

W.S.: Unsere Branche ist unglaublich dynamisch und toll. Das hat mich in meiner Berufszeit am meisten begeistert. Auch der offene Umgang zwischen dem VDW und seinen Mitgliedern hat mich immer gefreut und motiviert. Das war auch die Basis, um unsere Unternehmen bestmöglich zu unterstützen und gestaltend tätig zu werden. Ein Thema wie Umati konnten wir uns nicht selbst ausdenken. Das ging nur im Dialog mit unseren Mitgliedern. Dass solche Prozesse möglich waren und nicht von einzelnen Marktführern blockiert wurden, freut mich sehr.

Und welche Herausforderungen haben Sie besonders intensiv beschäftigt?

W.S.: Die größte Herausforderung kam zum Ende meines Berufslebens. Corona hätte ich definitiv nicht gebraucht. Zum einen war die Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern stark eingeschränkt, andererseits sind wir als VDW auch Messeveranstalter. Das zu managen war in den letzten Jahren mit massiven Herausforderungen verbunden. Gleich zu Beginn meiner Tätigkeit als VDW-Geschäftsführer hat mich die Finanzkrise erwischt, die aber zum Glück nicht die Tragweite hatte wie die Pandemie. Und was mich während meiner gesamten Amtszeit begleitet und teilweise auch genervt hat, waren die Richtlinien. Die Herausforderung besteht darin, rechtzeitig zu erkennen, was für unsere Branche relevant ist und die Themen so mitzugestalten, dass Konstruktion und Produktion noch möglich sind.

Herr Dr. Heering, welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

M.H.: Ich darf ja eine Organisation übernehmen, die sehr erfolgreich ist. Insofern ist mein erstes Ziel die Übernahme so zu gestalten, dass sich sowohl für unsere Mitglieder als auch für unsere Mitarbeiter eine Kontinuität ergibt. Leider wird die Taktzeit massiver Veränderungen in den letzten Jahren immer kürzer. Insofern weiß ich nicht, was in absehbarer Zeit auf uns zukommt. Eines meiner besonderen Anliegen: Wir müssen nach außen tragen, wie wichtig Produktion und produzierende Unternehmen für Deutschland sind. Und in dem Zusammenhang auch, dass Werkzeugmaschinen das Rückgrat jeder Produktion sind. Wenn es uns nicht gelingt, Produktion in Deutschland zu halten, dann verlieren wir die soziale Klammer und unseren Wohlstand. Für mich gehört auch dazu, gemeinsam mit der Politik daran zu arbeiten, Dinge, die zwar gut gemeint, aber schlecht gestaltet sind, künftig zu verbessern. Ein Stichwort ist hier der Bürokratieaufwand, der für große Teile der Industrie nicht mehr leistbar ist.

Wo lauern dabei Herausforderungen?

M.H.: Ich würde viel dafür geben, wenn klar wäre, wie sich die Rahmenbedingen weiterentwickeln. Insbesondere bei der Geopolitik wissen wir nicht, wo´s hingeht. Auch beim Thema Nachhaltigkeit müssen wir abwarten, wie sich alles weiterentwickelt. Hinzu kommen die Finanzsituation und die Inflation, die uns noch länger beschäftigen werden. Bei all dem müssen wir sehen, dass wir als VDW schnell die richtigen Entscheidungen treffen, sobald Veränderungen eintreten. Wichtig ist, der Politik immer wieder klarzumachen, woher das Geld kommt, das wir als Volkswirtschaft zur Verfügung haben. Wenn der Staat keine Gewerbesteuern mehr einnimmt, hat auch die Politik kein Geld mehr, um ihre Projekte umzusetzen.

Wie hat sich im bisherigen Jahresverlauf die Situation in der Werkzeugmaschinenbranche entwickelt?

W. S.: Wir bewegen uns auf dem erwarteten Abschwung. Wir haben im Moment noch eine gute Auslastung der Unternehmen, aufgrund des großen Auftragsbestands. Aber der Auftragseingang bewegt sich im erwarteten Korridor rückläufig. Wie sich das zweite Halbjahr entwickelt, ist im Augenblick schwer abzuschätzen. Wir sehen an verschiedenen Stellen Anzeichen, die eine steigende Produktion erwarten lassen, aber das bleibt abwarten.

Der VDW übernimmt, zusammen mit der Messe Stuttgart, die Hamburger Messe Nortec. Was sind die Ziele dabei?

M.H.: Gemeinsam mit unserem Partner haben wir beschlossen, eine Branchenmesse für den Nordwesten Deutschlands an den Start zu bringen. Große Veränderungen der Nortec 2024 sind aufgrund der Kürze der Zeit nicht mehr möglich. Welche Ideen wir 2026 umsetzen wollen, das werden wir im Dialog mit den Firmen festlegen. Ich denke, es ist im Sinn der Branche, dass wir Metav und Nortec zusammenführen.

Unsere Whitepaper-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de