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Mit Karacho zur Bolzenverbindung

Fügetechnik: High-Speed-Bolzensetzen ist dreimal so schnell wie das Direktverschrauben
Mit Karacho zur Bolzenverbindung

Mit dem Bolzensetzen Rivtac präsentiert die Bielefelder Böllhoff-Gruppe das Ergebnis ihres bisher größten Entwicklungsprojekts. Und darüber lässt sich staunen: Der Bolzen dringt mit Karacho ins Blech ein, das dazu nicht einmal vorgelocht werden muss, und verbindet mehrere Schichten unterschiedlicher Werkstoffe miteinander.

Rivtac ist eine Art Highspeed-Bolzensetzen. Dem Bielefelder Fügetechnik-Spezialisten Böllhoff ist es damit im Prinzip gelungen, das aus Bauwesen und Handwerk bekannte Druckluft-Nageln in eine industrietaugliche Technik für dünne Wandstärken zu übertragen. Dabei wird ein nagelähnliches Hilfsfügeteil auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt und in die nicht vorgelochten Fügeteile eingetrieben. Der spitze Setzbolzen verdrängt den Werkstoff, ohne dass ein Butzen entsteht. Voraussetzung für Rivtac: Die Fügeteile müssen über eine ausreichende Steifigkeit verfügen, damit sie den Eindringimpuls des Bolzens ohne große Verformungen aufnehmen können.

Den Anstoß für die Entwicklung hat – wie so oft – die Automobilindustrie gegeben. Denn im Karosseriebau wächst der Anteil geschlossener Profile mit geringen Wanddicken. Dies fordert die Verbindungstechnik heraus: Zum einen sollen die häufig wärmebehandelten Profile wärmearm gefügt werden, damit die Werkstoffeigenschaften erhalten bleiben. Zum anderen sind die Teile in der Regel nur einseitig zugänglich. Und – last but not least – wollen die Konstrukteure aus Kostengründen möglichst mit nur einem Arbeitsgang ohne Vorlochen auskommen.
Bei einseitiger Zugänglichkeit stoßen traditionelle Verfahren schnell an Grenzen. Als Alternativen bleiben allenfalls das Direktverschrauben und das Blindnieten. Gemeinsamer Nachteil: Beide Technologien erfordern in der Regel ein Vorlochen von zumindest einem der Fügepartner und einen hohen Positionieraufwand für das Einbringen der Elemente.
Anders beim Bolzensetzen. Hier lassen sich auch hochfeste Teile und Profile mit über 1000 MPa Festigkeit oder auch Mehrlagenverbindungen bis zu 6 mm prozesssicher verbinden. Und zwar mit guten Festigkeitseigenschaften. Dies zeigt der Vergleich mit dem Widerstandspunktschweißen im Rahmen der Karosseriestudie „ScaLight“, in der das Bolzensetzen zum Einsatz kam (ScaLight = Stahlleichtbaukonzept der Salzgitter AG und Wilhelm Karmann GmbH). Dabei stellte sich heraus, dass die Belastungsrichtung weniger Einfluss auf die Verbindungsfestigkeit nimmt als beim Widerstandspunktschweißen und dass die Festigkeitseigenschaften in der Summe auf gleichem Niveau sind. Die hohe Schwingfestigkeit zeigt sich auch im Verlauf der „Wöhlerlinien“. Unter identischen Werkstoffbedingungen weist das Bolzensetzen einen k-Wert von 4,96 aus, beim Widerstandspunktschweißen liegt der k-Wert bei 3,23.
Das Verfahren erfüllt auf diese Weise die hohen Anforderungen sicherheitsrelevanter Verbindungen und lässt sich zudem noch ideal mit dem Kleben verbinden. Die hohe Geschwindigkeit, mit der der Setzbolzen die Werkstoffe durchdringt, verhindert eine unkontrollierte Verteilung des Klebstoffes. Dafür sorgt die kurze Fügezeit deutlich unter 1 s. Das Verfahren ist damit mehr als dreimal schneller als etwa das Direktverschrauben. Die hohen Taktzeiten bieten attraktive Kostensenkungspotenziale. Zusatznutzen: Das Verbindungselement ist nahezu universell einsetzbar. Die Geometrie des „Nagels“ bleibt weitgehend unabhängig von den zu fügenden Werkstoffen identisch.
Zwar ist der Weg der neuen Technologie in die Serienfertigung noch weit, gleichwohl besteht bereits heute ein großes Interesse an dem Verfahren, nicht nur in der Automobilindustrie. Dahinter verbirgt sich High-Tech. Als große Herausforderungen erwiesen sich die Nagelgeometrie und die Materialzusammensetzung des Verbindungselements. Andererseits galt es, den Nagel auf die benötigten Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Das Ergebnis der Forschungsarbeiten wird den Anforderungen insbesondere im Karosseriebau gerecht werden. Die Stärken des Rivtac-Bolzensetzens im Überblick:
  • Fügen bei einseitiger Zugänglichkeit
  • Fügen ohne Vorlochen
  • Fügen von hochfesten Werkstoffen
  • Fügen von Mehrlagenverbindungen
  • Kurze Taktzeiten von unter 1 s
  • Hohe Festigkeiten
  • Gut mit Klebetechnik zu kombinieren
Wie bei Böllhoff üblich, kommen Fügeelement und Fügewerkzeug auch beim Bolzensetzen aus einer Hand. Bei den demnächst verfügbaren Handwerkzeugen unter dem Namen Rivtac Portable wird ein mit Druckluft beschleunigter Kolben dazu verwendet, den Setzbolzen in die zu fügenden Bauteile einzutreiben. Parallel dazu arbeitet das eigene Entwicklungslabor bereits an vollautomatischen Bolzensetzsystemen.
Die Automobilindustrie braucht solche Systeme. Denn Leichtbau und neue Werkstoffe stellen an die Fügetechnik immer höhere Anforderungen. Für Böllhoff bedeutet die Erfindung Rivtac das Erschließen neuer Anwendungsgebiete, bei denen herkömmliche Verfahren an technische und auch wirtschaftliche Grenzen stoßen. Beste Voraussetzungen, sich auch künftig als zukunftssicherer Lösungsspezialist für innovative Branchen zu profilieren.
  • Dr. Torsten Draht Projektmanager F&E bei der Böllhoff-Gruppe, Bielefeld
  • Michael Kleffmüller Produktmanager Rivtac-Bolzensetzen bei der Böllhoff Systemtechnik GmbH & Co. KG

  • Kosteneffizienz
    Eigentlich müsste „Neue Technologien“ über diesem Textkasten stehen, denn darum geht’s: um eine faszinierende Technologie, mit der Bolzen in weniger als 1 s in hochfeste Bleche ohne Vorlöcher getrieben werden und so mehrschichtige Verbünde halten. Der größere Effekt ist dennoch die beschleunigte Fertigung und damit die erhöhte Kosteneffizienz: Das Highspeed-Bolzensetzen ist als Fügeverfahren mehr als dreimal so schnell wie das Direktverschrauben.
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