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Mit Vollgas um die Kurve

Fertigungstechnik: Clevere Spannlösung verbessert Prozess in vielerlei Hinsicht
Mit Vollgas um die Kurve

Nur durch den Einsatz neuer Spannmittel gelang es dem Maschinenbauer Pfuderer, die Bearbeitungszeit seiner Kurvenscheiben zu halbieren. Die stabile, sichere Spannung verlängert zudem die Werkzeugstandzeiten bis zum Zehnfachen, sorgt für zuverlässige Prozesse und kurze Umrüstzeiten.

Nachwuchs inspiriert. Diese Erfahrung durfte auch Peter Leonberger machen, als sein Sohn Marcel eines Abends nach Hause kam und ihm einen Prospekt in die Hand drückte. „Wir machen das damit, und das funktioniert super“, sagte Leonberger Junior. Das war im Sommer 2010.

Peter Leonberger – er leitet die mechanische Fertigung bei der Ludwigsburger Pfuderer Maschinenbau GmbH – erzählt: „Beim Fräsen der Kurvenscheiben für unsere Montageautomaten hatten wir damals Probleme.“ Um die Rohteile über die Innenbohrung zu spannen, hatten die Schwaben eine eigene Vorrichtung gebaut. „Aber wir konnten die Werkstücke nicht sicher und reproduzierbar fixieren und mussten deshalb Vorschübe und Schnittgeschwindigkeiten reduzieren.“ Auch Versuche mit den Produkten eines Spanntechnikherstellers hatten nicht den erhofften Durchbruch gebracht. „Diese Lösung erlaubte uns im besten Fall, die Geschwindigkeiten um zehn Prozent zu steigern.“
Leonberger Junior war gerade in der Ausbildung beim Spanntechnik-Spezialisten Hainbuch GmbH in Marbach. Zu den im Prospekt beschriebenen Produkten gehörte der manuelle Spannstock Manok Plus. Er sollte feinfühliges Spannen von Hand ermöglichen und Haltekräfte von bis zu 105 kN sowie einen Niederzugeffekt auf den Werkstückanschlag liefern. Selbst bei kurzen Spannlängen versprach das Papier sicheres Fixieren und eine Wiederholgenauigkeit von unter 0,01 mm. Außerdem war eine 5-Seiten-Bearbeitung möglich. In den Spannstock passt der Spanndorn Mando Adapt, der sich in wenigen Minuten ohne Demontage des Basisspannmittels wechseln lässt. Vulkanisierte Segmentspannbüchsen dämpfen Vibrationen, ermöglichen einen großen Überbrückungsbereich und gewährleisten auch bei kleinen Durchmessern hohe Spannkräfte.
Schnell vereinbarte Leonberger Senior einen Termin mit dem Gebietsverkaufsleiter der Marbacher. Joerg Tittel kam ins Haus, schaute sich die Situation an und war sich sicher, helfen zu können. Die Kombination aus Manok Plus und Mando Adapt wurde auf dem Maschinentisch montiert, und die Versuche gestartet. Im Rückblick gibt Leonberger zu: „Uns war nicht wirklich wohl, als Herr Tittel beim ersten Versuch unsere Prozessparameter gleich um 20 Prozent steigern wollte!“ Nachdem der Test problemlos bewältigt war, konnte der Hainbuch-Vertriebsmann Leonberger und seine Mannschaft überzeugen, mutiger zu agieren. „Wir steigerten die Prozessparameter, bis unser Fräszentrum seine Leistungsgrenzen erreichte.“ Die Schnitttiefe wuchs im Verlauf der Tests von 3 auf 10 mm. Die neuen Spannmittel hielten den Belastungen Stand, und die Bearbeitungszeit einer Kurvenscheibe halbierte sich.
„Diese Kurven sind die Herzstücke unserer Anlagen. In ihnen steckt unser ganzes Know-how“, sagt Leonberger. Sie sind aus 16MnCr5 gefertigt und als vorgedrehte Rohteile rund 20 kg schwer. Die Spezialität der Ludwigsburger sind Rundtaktmaschinen, die auf kleinem Raum Platz für vergleichsweise viele Montagestationen bieten. „Wir bauen unsere Anlagen soweit möglich aus einem Modulsystem auf. Die Basis bis zum Tisch besteht aus Standardteilen. Erst die Montagestationen selbst sind individuelle Lösungen.“ Zum Baukasten gehören auch die Kurvenscheiben. Sie übertragen sämtliche Bewegungen mechanisch an die Montagestationen.
Nach einigen Monaten Erfahrung mit der neuen Spanntechnik waren sich die Zerspaner von Pfuderer ebenso sicher wie Joerg Tittel, dass noch mehr möglich sein müsste. Die Ludwigsburger tauschten ihr 4-achsiges Deckel-Maho-Bearbeitungszentrum Baujahr 1998 gegen ein aktuelles des Typs DMU 80 monoBlock des gleichen Herstellers aus. Eine neue Testreihe ergab, dass sich die Bearbeitungszeit nun – je nach Kurvenscheibe – nochmals um bis zu 70 % senken ließ.
Doch nicht nur die massiv verkürzte Bearbeitungszeit konnte Peter Leonberger als Plus verbuchen. „Auch die Standzeit der Werkzeuge ist heute um ein Vielfaches besser.“ Wo die Tools früher nach drei oder vier Kurvenscheiben ersetzt werden mussten, schaffen sie heute zwischen 30 und 40. Werkzeugbrüche und Rattern sind ebenfalls Geschichte.
Eine besondere fertigungstechnische Herausforderung waren früher Zwangskurven, bei denen Nuten in den Mantel der Scheibe einzuarbeiten sind. Die Belastung der Spannmittel ist dabei besonders hoch. „Diese Teile herzustellen war extrem schwierig und führte zu erhöhtem Ausschuss. Heute ist das kein Thema mehr“, berichtet Leonberger.
Da die Losgrößen in der Kurvenscheibenfertigung von Pfuderer überschaubar sind – sie liegen im Bereich zwischen 20 und 60 Teilen –, ist auch die Rüstzeit beim Wechsel zwischen verschiedenen Scheibentypen entscheidend. „Mit unserer eigenen Vorrichtung brauchte der Werker bis zu einer Stunde, um die Maschine umzurüsten“, sagt Leonberger, „mit der Hainbuch-Lösung erledigt er das heute in fünf Minuten.“ Besonders bei Nachbestellungen, etwa wenn ein Kunde seinen Montageprozess ändert und eine angepasste Kurvenscheibe braucht, sei das doppelt von Vorteil. „Neben dem reinen Zeitgewinn erhöht die kurze Rüstzeit auch die Flexibilität. Heute können wir kurzfristig reagieren, ohne unseren Abläufe allzu sehr zu stören.“
Positiv wirkte sich auch die Zuverlässigkeit des neuen Prozesses aus. „Einige Teile konnten wir früher nur in bemannten Schichten fertigen, wobei der Bediener ständig an der Maschine stand. Heute produzieren wir die nachts mannarm“, erzählt Leonberger. Derzeit laufen drei Maschinen in diesem Bereich dreischichtig. Um zusätzliche Kapazitäten zu erschließen, plant er, die vorhandenen Fräszentren mit 0-Punkt-Spannsystemen auszustatten. Dann sollen sich vier Mitarbeiter nachts um neun Maschinen kümmern.
Joerg Tittel sieht seine Aufgabe nicht nur darin, ein Produkt zu verkaufen. Er berät den Kunden breiter, schaut sich auch andere Fertigungsbereiche an und macht Verbesserungsvorschläge. „Um das Potenzial in der Produktion voll auszuschöpfen, müssen beispielsweise auch die Konstrukteure hier im Haus über die Auswirkungen bestimmter Vorgaben informiert werden.“ Beschränkten sie sich etwa bei Achsbohrungen auf wenige Durchmesser, so ließen sich dadurch nicht nur Spanndorne einsparen, sondern vor allem auch unnötige Wechselzeiten.
Seit Pfuderer zur Freiberger Teamtechnik-Gruppe gehört, hat der Anteil an Dreharbeiten in der mechanischen Fertigung massiv zugenommen. Als Folge haben die Ludwigsburger drei neue Drehzentren angeschafft, die auch mit Spanntechnik aus Marbach ausgestattet werden. Jenes, das Aluminium-Teile bearbeitet, ist beispielsweise mit dem neuen Carbon-Futter ausgerüstet, das nur rund ein Drittel so schwer ist wie ein herkömmliches Stahlfutter und entsprechend dynamische Prozesse erlaubt.
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