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Offene Systeme ermöglichen das Vernetzen der Prozesskette

Digitalisierte Fertigung
Offene Systeme ermöglichen das Vernetzen der Prozesskette

Jetzt bringen offene Systeme und Lösungen frischen Schwung und neue Möglichkeiten in die digital vernetzte Fertigung. Was das bringt, zeigt eine Reihe von Beispielen. ❧

Mona Willrett

Die digitale Transformation der Fertigung war das zentrale Thema der Metallbearbeitungs-Leitmesse EMO Hannover 2017. Ein Großteil der Aussteller hatte dazu passende Angebote im Gepäck. Waren die in der Vergangenheit präsentierten Ansätze meist Insellösungen, geschlossene Systeme, die erste Schritte auf einem langen Weg markierten, zeigten die Anbieter nun eine wachsende Offenheit. Die Verantwortlichen erkennen immer klarer, dass sich die große Vision digital vernetzter Prozesse nur dann umzusetzen ist, wenn sich alle Systeme der Prozesskette einbinden lassen und alle die gleiche Sprache sprechen – oder ein „Simultanübersetzer“ für gegenseitiges Verständnis sorgt.

Ein Beispiel für diese neue Offenheit lieferte der Branchenverband VDW. Der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken stellte eine Initiative der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie für die vernetzte Produktion vor. „Das Ziel ist, einen Standard fürs Anbinden unterschiedlicher Maschinensteuerungen an eine gemeinsame Schnittstelle – einen Connector – zu entwickeln und softwaretechnisch zu implementieren“, sagte Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW. In der ersten Projektphase ist ein Kernteam mit den Firmen DMG Mori, Emag, Grob, Heller, Liebherr-Verzahntechnik, United Grinding und Trumpf beteiligt.

Voraussetzung für Erfolg von Industrie 4.0

Der VDW-Vorstand hat dieses Projekt im Frühjahr beschlossen, weil es bisher an einer einheitlichen und durchgängigen Lösung fehlt. Mit dem geplanten Standard sollen sich Daten aus unterschiedlichen Maschinen mit unterschiedlichen Steuerungen vieler Generationen auslesen und in einem standardisierten Datenformat in Fertigungsleitsysteme oder eine Cloud befördern sowie für die Prozessoptimierung nutzen lassen. „Dies ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von Industrie 4.0, gerade auch im Mittelstand“, stellte Prokop fest. Für Maschinenhersteller wäre dies eine deutliche Entlastung von Aufgaben, die zwar dringend erledigt werden müssten, jedoch nicht zum Kerngeschäft gehörten und zudem hohe Kosten verursachten. Nicht zuletzt erwachse daraus ein offenes System, das die nötige Unabhängigkeit und Flexibilität biete. „Leider zeigen auch die hier auf der Messe vorgestellten Entwicklungen, dass insbesondere bei Steuerungen der Trend zu proprietären Systemen anhält“, sagte Prokop. „Dem wollen wir entgegenwirken und streben deshalb gerade mit den Steuerungsherstellern eine Entwicklungspartnerschaft an, um die geplante VDW-Spezifikation so breit wie möglich anwendbar zu machen.“ Es sei nun gut und richtig, Bedenken gegen Kooperationen über Bord zu werfen, das Prinzip des Teilens von Wissen zu übernehmen, davon zu profitieren und an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, resümierte Prokop. Von den Ergebnissen sollen gerade auch Mittelständler profitieren.

Ganz in diesem Sinne wurde kurz vor dem Start der EMO das Joint Venture Adamos (ADAptive Manufacturing Open Solutions) verkündet. Die Gründungsunternehmen DMG Mori, Dürr, Software AG, Zeiss sowie ASM PT wollen mit der strategischen Allianz für die Zukunftsthemen Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things (IIoT) einen globalen Branchenstandard etablieren und weitere Maschinenbauer als Partner gewinnen. Adamos ist auf die Bedürfnisse des Maschinen- und Anlagenbaus und seiner Kunden zugeschnitten. Die offene IIoT-Plattform ist herstellerneutral und verbindet moderne IT-Technologie und Branchenwissen. Profitieren sollen Maschinenbauer sowie deren Lieferanten und Kunden. Ihnen soll Adamos Zugang zu führenden Softwarelösungen bei voller Datenautonomie bieten. Die Plattform ist weltweit seit dem 1. Oktober verfügbar. Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender der DMG Mori AG sagte: „Bei der Digitalisierung muss der Maschinen- und Anlagenbau selbst Standards setzen und die Entwicklung vorantreiben. Das geht nur mit starken Partnern.“

Durchgängige Vernetzung der Produktion

Im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie hat DMG Mori zudem seine Bedien- und Steuerungsoberfläche Celos zum offenen Ecosystem für die digitale Produktion weiterentwickelt und zehn neue Apps vorgestellt. In der aktuellen Celos-Version stehen unter anderem digitale Workflows für die adaptive Fertigungsplanung und das ganzheitliche Toolmanagement im Fokus. Zugleich arbeitet der Maschinenbauer am Thema Open Connectivity und bietet hier konkrete Produkte, wie die Celos Netbox – ein intelligenter IIoT-Connector – oder das Celos Protab – ein mobiler Assistent – für die durchgängige Vernetzung in der Produktion an. So lassen sich ab sofort auch Fremdfabrikate, Maschinen komplementärer Technologiebereiche und manuelle Arbeitsplätze in den Verbund integrieren.

Auch für Maschinenbauer Heller spielt die Digitalisierung eine Schlüsselrolle auf dem Weg in die Fertigungszukunft. Gemeinsam mit Siemens haben die Nürtinger neue Funktionen entwickelt und diese in Hannover vorgestellt. Ein Beispiel ist ein bildgebendes Verfahren, das vergleichbar der Magnetresonanztherapie (MRT) zum Einsatz kommt. Heller „füttert“ neue Algorithmen, die mit dem Verfahren aus der Medizintechnik vergleichbar sind, mit Signalen seiner Werkzeugmaschine. Auf der Ausgabeseite – dem Web-Browser oder dem Bedienpanel der Maschine – wird ein hochaufgelöstes Bild des aktuellen Werkstücks dargestellt, ohne dass dazu Kameras oder zusätzliche Sensoren in der Maschine benötigt werden. Aktuell arbeiten die Schwaben mit Siemens daran, Kenntnisse um die Bedeutung der Signale aus der Maschine zusätzlich in die Funktion einfließen zu lassen und so noch aussagekräftigere Ergebnisse zu erzielen. Diese Funktionalität bietet durch einen hochwertigen Datenvergleich auf Basis von Referenzmustern vielfältige Auswertemöglichkeiten zur Prozessoptimierung.

Brille zeigt wichtige Informationen

Maschinenstillstände in der Fertigung werden schnell teuer. Um den Bediener in Problemfällen mit allen relevanten Informationen zu unterstützen und ihm so unmittelbar die richtige Entscheidung zu erleichtern, haben das Fraunhofer IPT und Mitsubishi Electric gemeinsam ein neues System entwickelt. Es trägt dem Nutzer alle für ihn wichtigen Informationen auf mobilen Endgeräten zusammen und stellt diese aufbereitet dar. So unterstützen Smart Glasses oder Tablets den Mitarbeiter auf dem Shopfloor – vom Training über das Monitoring und das Beheben von Störungen an der Maschine bis hin zur Wartung. Das System arbeitet mit kommerziell erhältlichen Datenbrillen und Tablets, die über ein Android-Betriebssystem verfügen.

Doch nicht nur Maschinenbauer stellten neue oder erweiterte Lösungen für den Weg in eine digital vernetzte Zukunft der Fertigung vor. Der Besigheimer Präzisionswerkzeughersteller Komet präsentierte beispielsweise mit ToolScope Net, ToolScope Cockpit und ToolScope Connector neue Software-Module, die eine Nutzung des Assistenzsystems ToolScope ohne Hardware-Installation ermöglichen. Sie verbinden Werkzeugmaschinen mit einer Cloud und transferieren alle gewünschten Maschinen-, Prozess- und Betriebsdaten dorthin. Verschiedene Apps sorgen für deren einfache, zielgerichtete Auswertung und ToolScope Cockpit für die übersichtliche Darstellung der Ergebnisse. Die kann der Anwender von jedem Rechner aus abrufen. Dazu hat Komet auch eine passende Cloud-Infrastruktur entwickelt, die über das Internet als funktionsfähige Struktur gemietet oder als Software für eine lokale Cloud im Kundenrechenzentrum installiert werden kann.

Die Mapal-Tochter c-Com GmbH hat ihre – zur AMB 2016 präsentierte – Open-Cloud-Plattform als verkaufsfertiges Produkt in den Markt eingeführt. Zum Marktstart sind vier Module verfügbar:

  • „Tool Dashboard“ ist eine übergeordnete Technologiedatenbank,
  • „Dynamic Order Optimizer“ sorgt für die Bestellung der richtigen Produkte in der richtigen Anzahl zur richtigen Zeit,
  • „Reconditioning Management“ macht das Handling wiederaufbereiteter Werkzeuge einfach, schnell und transparent,
  • „Machine Run-Off“ sorgt für erfolgreiche Maschinenabnahmen.

Weitere Module und Apps stehen in den Startlöchern. So kooperiert c-Com beispielsweise mit dem IoT-System MindSphere von Siemens. Beide basieren auf der SAP Cloud Platform. Das System sammelt Maschinendaten, die sich zu verschiedenen Zwecken nutzen lassen, etwa zum vorausschauenden Monitoring oder für das Energiemanagement. Um Prozesse besser zu überwachen, Standardisierungen einzuführen und die Qualität zu verbessern, werden c-Com und MindSphere künftig Daten austauschen, etwa die Anzahl der mit einem Werkzeug bearbeiteten Bauteile oder die Schnittwerte.

Maßgeschneiderte, hocheffizente Abläufe

Auch die Tübinger Walter AG hat sich zum Ziel gesetzt, mit einem Portfolio von Apps und digitalen Tools neue Services und Möglichkeiten rund um Werkzeuge, Maschinen und Bearbeitungskonzepte zu schaffen und so maßgeschneiderte und hocheffiziente Prozesse zu ermöglichen – von der Beschaffung über die Bereitstellung und den Einsatz bis zur Wiederaufbereitung der Werkzeuge. So ist die Walter Tool ID bereits seit einiger Zeit im Einsatz. Mit ihr lassen sich Optimierungspotenziale entlang der kompletten Prozesskette rasch identifizieren, effektiv ausschöpfen und die Effizienz in der Produktionsumgebung verbessern, alle im Fertigungsprozess eingesetzten Werkzeuge lückenlos überwachen, Standzeiten überprüfen und Werkzeugwechsel zur rechten Zeit durchführen. Die Walter AppCom sammelt Maschinen-, Werkzeug- und Prozess-Daten. So lassen sich komplette Bearbeitungsläufe detailliert aufschlüsseln.

Eine Cloud-Lösung für das Werkzeugdatenmanagement stellte TDM Systems – eine Tochter von Sandvik Machining Solutions – vor. Mit TDM Cloud Line können Anwender ihren Engineeringprozess beschleunigen, den Einsatz verschiedener Werkzeuge simulieren und die Produktion auf der Basis umfassender und präziser Werkzeugdaten sicher planen. Die Cloudlösung bietet die Möglichkeit, die Daten tausender Werkzeuge herunterzuladen und zu verwalten, alternative Werkzeuge beim Produktdesign zu testen und das jeweils optimale Werkzeug auszuwählen. Die Daten stehen an jedem Ort zur Verfügung und sind so aufbereitet, dass sie sofort für den virtuellen Zerspanungsprozess genutzt werden können.

Mit dieser Offenheit schaffen die vorgestellten Systeme die Grundlage für den Weg in eine digitale Fertigungszukunft: Dazu lassen sie sich nach dem individuellen Bedarf des jeweiligen Anwenders vernetzen.

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