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„Wir müssen die Jugend für den Werkzeugbau begeistern“

Marco Schülken, Vorsitzender des VDMA Werkzeugbaus, über die aktuelle Lage der Branche
„Wir müssen die Jugend für den Werkzeugbau begeistern“

„Wir müssen die Jugend für den Werkzeugbau begeistern“
„Die guten Werkzeugbauer haben inzwischen den Wandel vom Handwerks- zum Industriebetrieb vollzogen.“
Wie es der Königsdisziplin der Fertigungstechnik derzeit geht und welche Herausforderungen die Betriebe künftig meistern müssen, sagt Marco Schülken. Er ist Vorsitzender des VDMA Werkzeugbaus und Geschäftsführer der Werkzeugbau Ruhla GmbH in Seebach.

Herr Schülken, seit September sind Sie Vorsitzender des VDMA-Werkzeugbaus. Welche Ziele haben Sie in dieser Amtszeit?

Das primäre Ziel ist, die Branche – zu der überwiegend kleinere Betriebe gehören – nach außen hin zu stärken. In diesem Zusammenhang strebe ich auch eine engere Zusammenarbeit mit den Kollegen vom VDWF an. Zudem wollen wir Nachwuchsprobleme besser in den Griff bekommen.
Wie geht´s der Werkzeug- und Formenbau-Branche derzeit?
Im Moment ist die Situation noch sehr gut. Die Auftragsbücher sind noch voll. Viele Betriebe spüren zwar, dass der Auftragseingang zurückgeht. Wenn man jedoch betrachtet, wie das Jahr 2012 bislang verlaufen ist, dann sehe ich das durchaus nicht negativ – vorausgesetzt es bleibt in einem überschaubaren Rahmen. In diesem Jahr waren Auslastung und Lieferdruck sicher nicht nur in unserem Betrieb so hoch, dass wir teilweise selbst guten Kunden nicht helfen konnten. Es ist abzusehen, dass sich der Automobilmarkt im kommenden Jahr weiter abschwächt, und das werden jene Kollegen spüren, die auf diese Kundenbranche fokussiert sind.
Kommt der Werkzeug- und Formenbau nach bewegten Jahren – Stichworte Industrialisierung oder Automatisierung – wieder in ruhigeres Fahrwasser?
Die guten Betriebe haben den Wandel vom Handwerks- zum Industriebetrieb vollzogen und auch in einem sinnvollen Rahmen automatisiert. Andererseits sehen wir, dass viele – insbesondere kleinere – Werkzeugbauer noch immer sehr handwerklich geführt sind. Für sie wird die Zukunft wahrscheinlich nicht leicht.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Betriebe?
Die Branche muss sich neue Märkte erschließen und die Werkzeugtechnologie weiter vorantreiben und optimieren. Nur so können wir den Vorsprung vor dem Wettbewerb ausbauen oder zumindest halten. Viele der noch handwerklich orientierten Werkzeugbauer müssten auch dringend ihre kaufmännische und ihre Marketingkompetenz ausbauen.
Wie steht es um die Kooperationsbereitschaft in der Branche?
Insbesondere die jüngere Generation der Kollegen bildet Netzwerke, redet miteinander und hilft sich gegenseitig. Viele Unternehmen sind keine direkten Konkurrenten und nicht jeder hat jede Fertigungstechnologie im Haus. Der eine kann beispielsweise tieflochbohren, der andere laserschweißen oder lasergenerierte Teile aufbauen. Bei Bedarf werden benötigte Kapazitäten zugekauft oder getauscht. Anders können wir heute nicht mehr arbeiten.
Inwieweit kämpft auch der Werkzeug- und Formenbau mit einem Fachkräftemangel?
Das ist ein großes Thema. Insbesondere für jene Kollegen in Ballungsräumen, in denen beispielsweise Automobilhersteller oder deren Zulieferer alle Fachkräfte aufsaugen. Wir müssen uns so verkaufen, dass es reizvoll ist, für uns zu arbeiten.
Wie ist das zu erreichen?
Wir müssen alles dafür tun, dass sich die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen. Das spricht sich herum. Außerdem müssen wir potenziellen Bewerbern – und deren Umfeld – zeigen, wie spannend es ist, in einem modernen Werkzeugbau zu arbeiten. Die Mitarbeiter sollen stolz auf ihren Arbeitgeber sein.
Können kleine Betriebe ihren Nachwuchs entsprechend hochwertig ausbilden?
Ich finde die Ausbildung gerade in kleinen Betrieben noch interessanter. Die Jugendlichen lernen direkt in der Fertigung von erfahrenen Kollegen. Das bietet auch die Chance, Stärken und Neigungen schneller zu erkennen und zu fördern. Wir haben die gleiche Ausrüstung wie große Ausbildungsbetriebe und auch wir arbeiten mit Ausbildungsplänen, nach denen die Azubis alle Stationen durchlaufen müssen. Zudem gibt es regionale Verbünde für die überbetriebliche Ausbildung. Leider hat sich das bei unseren Hauptkonkurrenten um gut ausgebildete Mitarbeiter auch herumgesprochen und Abwerbeversuche sind an der Tagesordnung.
Wird die Ausbildung an Berufs- und Hochschulen den Bedürfnissen gerecht?
Die Ausbildung ist gut, ebenso der Kontakt vieler Betriebe zu den Bildungseinrichtungen. Zwar haben wir es täglich aufgrund der deutsch-deutschen Vergangenheit immer noch mit vielen teilweise veralteten Berufsbezeichnungen zu tun. Doch heute beherrschen zwei Ausbildungsberufe das Bild im Werkzeugbau. Seit 2002 gibt es die Ausbildung zum Feinwerkmechaniker im Schwerpunkt Werkzeugbau bei der Handwerkskammer und bei der IHK seit 2004 die Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. Begrüßenswert sind die Aktivitäten der Hochschulen, die technische und organisatorische Entwicklungen aufgreifen und dazu beitragen, unsere Mitarbeiter weiterzubilden. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Werkzeugbau Akademie in Aachen und die Fachhochschule Schmalkalden.
Anderes Thema: Viele Formenbauer klagen über eine schlechte Zahlungsmoral…
Das ist vielfach ein Problem. Die üblichen Anzahlungen werden teilweise viele Wochen verzögert oder ganz verweigert. Freigaben, nach denen die Restzahlung erfolgt, mitunter monatelang hinausgezögert. Wenn man als Werkzeugbauer nicht aufpasst und nicht über eine gute Liquidität verfügt, dann kann´s schnell eng werden. So wurde ein geschätzter Kollege von zu hohen Außenständen in die Insolvenz gezwungen – trotz voller Auftragsbücher.
Was müsste sich hier ändern?
Ich sehe das als Teil unserer Verbandsarbeit. Wir müssen uns mit den OEMs und den großen Zulieferern zusammensetzen und ihnen diese Situation erklären. Ein Problem besteht zudem darin, dass deren Einkauf nur auf den Preis schaut, nicht auf die Leistung, die dafür geboten wird. Die Produktionsabteilung stöhnt dann hinterher, weil die Werkzeuge von Billiganbietern vielfach nicht wie gewünscht funktionieren. Über den Lebenszyklus gerechnet sind sie oft erheblich teurer als ein Qualitätswerkzeug aus dem deutschsprachigen Raum. Dieses Problem lässt sich aber nur lösen, wenn Einkauf und Fertigungsabteilungen bei unseren Kunden endlich enger zusammenarbeiten.
Stichwort Internationalisierung: Lässt sich das für die vielen kleinen Betriebe überhaupt stemmen?
Wenn man das richtig angeht, dann lässt sich das durchaus stemmen. Wichtig ist, zu Beginn den Fokus auf ein Land zu legen und sich mit diesem intensiv zu beschäftigen. Als wir vom Werkzeugbau Ruhla vor sieben Jahren beschlossen, unsere Aktivitäten in andere Länder zu erweitern, hatten wir 30 Mitarbeiter, heute sind es 56. Unseren Schritt nach Polen haben wir über zwei Jahre vorbereitet. Wir bekamen viele Informationen vom VDMA, ich besuchte diverse Messen, um die richtige Plattform zu finden, auf der wir uns präsentieren wollten. 2005 wagten wir schließlich den Schritt, seit 2007 sind wir auch in Russland präsent. Inzwischen haben wir so viele Werkzeuge dort, dass wir vor zwei, drei Jahren einen Partner suchten, der die Wartung und Ersatzteilversorgung in Russland für uns übernahm. Die gute Unterstützung durch den VDMA – auch in rechtlichen Fragen – war übrigens ein wichtiger Grund für unsere Mitgliedschaft im Verband.
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