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Hitzefeste Tinte kennzeichnet Metallbauteile

Digitalisierung in der Metallverarbeitung
Hitzefeste Tinte kennzeichnet Metallbauteile

Bei Temperaturen von über 1.000 ºC in der Autoindustrie bearbeitete Bauteile lassen sich jetzt erstmals mit einem Datencode kennzeichnen. Dazu hat das Fraunhofer IKTS eine hitzebeständige Keramik-Tinte entwickelt, die vom ausgegründeten Unternehmen Senodis auf dem Markt angeboten wird. Produzierende Betriebe sollen das System leicht installieren können.

Der via Scanner ausgelesene Code führt zu einer Datenbank, in der alle Herstellungsparameter des jeweiligen Bauteils hinterlegt sind. Damit eröffnen sich weitreichende Möglichkeiten, Pannen in der Produktion und fehlerhafte Bauteile zu erkennen und generell die Prozessketten effizienter zu gestalten. Sogar Fälschungen lassen sich so entlarven.

Die Kennzeichnung von Bauteilen ist wichtig für die Digitalisierung der Prozesse. In metallverarbeitenden Branchen scheitert dies bisher daran, dass viele Metallbauteile bei einzelnen Arbeitsschritten erhitzt werden müssen. Konventionell aufgedruckte Codes werden dabei zerstört und sind nicht mehr lesbar. Professor Thomas Härtling, Gruppenleiter Optische Prüfverfahren und Nanosensorik, und sein Team am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS haben nun eine Tinte entwickelt, die auch Temperaturen von mehr als 1000 ºC im Ofen schadlos übersteht.

Keramische „Ceracode“-Tinte verbindet sich im Ofen mit Metall

Die Ceracode-Tinte besteht aus hitzeresistenten Keramikpartikeln und einer Glaskomponente. Im Ofen sorgt das schmelzende Glas dafür, dass die Kennzeichnung sich fest mit dem Metall verbindet und trotzdem gut lesbar bleibt. Die Ceracode-Tinte macht es jetzt erstmals möglich, Metallbauteile, die gerade in der Automobilindustrie während der Produktion erwärmt werden, mit der hochstabilen Kennzeichnung auszustatten. Bei der Entwicklung nutzten die Fraunhofer-Forschenden ihre jahrzehntelange Expertise im Umgang mit Keramik und keramikbasierten Materialien.

Beispiel: Umformteil mit Infos zum Pressendruck

Ein Anwendungsszenario: Bei einer Stichprobe in der Automobilproduktion entdeckt der Werker ein fehlerhaftes Metallbauteil. Die Geometrie entspricht nicht den Spezifikationen, die Umformung ist nicht passend. Auf dem Bauteil ist eine Kennzeichnung, der sogenannte Data-Matrix-Code aufgebracht, der es über eine laufende Nummer eindeutig identifiziert. Der Werker lässt diesen Code durch einen Scanner auslesen. Im Display öffnet sich eine Datenbank, die für das Bauteil alle Parameter des Herstellungsprozesses anzeigt: Temperatur und Verweildauer im Ofen, Geometriedaten, Pressendruck usw.

Der Fehler ist jetzt schnell erkannt: Bei einem Arbeitsschritt war der Pressendruck nicht groß genug. Mit wenigen Mausklicks lässt sich der Werker alle weiteren Bauteile anzeigen, die mit dem inkorrekten Pressendruck bearbeitet wurden und daher fehlerhaft sind. Diese werden anschließend schnell aussortiert – bei Bedarf auch vollautomatisch mit einem Arbeitsroboter. Das zeitraubende Prüfen aller möglicherweise betroffenen Bauteile sowie das manuelle Aussortieren entfallen und der Produktionsprozess geht sofort weiter.

Tinte schreibt den Data-Matrix-Code

Die Kombination aus Ceracode-Tinte und dem in der Industrie weitverbreiteten und standardisierten Data-Matrix-Code gibt der Digitalisierung von Produktionsabläufen in metallverarbeitenden Branchen einen neuen Schub. „Jedes Bauteil oder Werkstück kann entlang der Wertschöpfungskette jederzeit in seiner Qualität erfasst und Fehler können schon am Anfang der Produktion erkannt und gezielt behoben werden“, erklärt Härtling. Die Produktion wird insgesamt deutlich effizienter und kostensparender.

Die in der Datenbank hinterlegten Prozessdaten erleichtern daneben den Aufbau adaptiver Prozessketten. Wenn ein Hersteller weiß, mit welchen physikalischen Parametern ein Produkt hergestellt wurde, kann er darauffolgende Arbeitsschritte und Prozesse flexibel anpassen und optimieren.

Beliebige Datenarten lassen sich hinterlegen

Je nach Anwendungsszenario lässt sich die Datenbank beliebig mit weiteren Informationen füllen. So könnten für jeden Bearbeitungsschritt Daten zum Stromverbrauch und der Stromquelle einfließen und dann genutzt werden, um für jedes Bauteil die Treibhausgas-Emissionen zu berechnen. „Es gibt immer mehr Hersteller, die im Sinne einer transparenten und ressourcenschonenden Fertigung solche Features nachfragen“, erklärt Härtling.

Senodis Technologies ist Industriepartner

Das Projekt ist auch das Ergebnis einer erfolgreichen Kooperation. Während das Fraunhofer IKTS-Team die Tinte entwickelt hat und fortlaufend weiter optimiert, übernimmt der Projektpartner Senodis Technologies GmbH aus Dresden das Programmieren der Software und die Vermarktung. Senodis Technologies ist eine Ausgründung des Fraunhofer IKTS, die sich darauf fokussiert, das vielfältige Potenzial der keramikbasierten Tinte zu nutzen, um neue Anwendungen für Industriekunden zu realisieren und die Digitalisierung ihrer Wertschöpfungsketten voranzutreiben. Adressiert werden in erster Linie Kunden aus der Metall-, Automobil- oder Keramikbranche.

Ziel: Datenaustausch über Catena-X

Neben der Optimierung der Produktion ebnet die Technologie aus dem Fraunhofer IKTS auch den Weg zu einem noch umfassenderen Informationsaustausch zwischen Herstellern, Zulieferern und Subunternehmen. Diese sind in der Automobilindustrie bereits durch ein komplexes Netzwerk miteinander verbunden. Realisiert werden soll der Austausch künftig durch die gerade im Aufbau befindliche Verbundplattform Catena-X.

Als kooperatives Datenökosystem der Automobilindustrie soll sie den sicheren und unkomplizierten Datenaustausch zwischen den Herstellern ermöglichen, gleichzeitig aber auch jedem Teilnehmer die Hoheit über die eigenen Daten garantieren. Die teilnehmenden Firmen tauschen also nur diejenigen Daten aus, die sie tatsächlich preisgeben wollen.

Vertrauliche Daten bleiben geschützt

Mit Ceracode können nun zum ersten Mal auch bei Metallbauteilen detaillierte Infos zu ihren Prozessparametern ins Catena-X-Netzwerk einfließen. Auch hier gilt: Daten, die der Hersteller nicht weitergeben will, beispielsweise betriebsinterne Details zum Herstellungsprozess oder zur Materialzusammensetzung eines Bauteils, verbleiben weiterhin geschützt im internen Netzwerk des Unternehmens. Das System aus hitzefester Tinte und Data-Matrix-Code ist laut Fraunhofer-Forschern ausgereift und wird vom Projektpartner Senodis Technologies GmbH auf dem Markt angeboten. Produzierende Unternehmen können das System leicht installieren und in Betrieb nehmen, auch die Nachrüstung bestehender Maschinenparks sei kein Problem, heißt es. Die Data-Matrix-Drucker und ebenso die Scanner seien kompatibel zu vorhandenen Industriestandards.

Coup gegen Fälschungen: spezielle Pigmente

Darüber hinaus lässt sich die Tintentechnologie weitgehend auf die Bedürfnisse und das Anwendungsszenario des Kunden anpassen. Ein Beispiel ist der Schutz der Produkte vor Fälschungen. „Dazu ergänzen wir die Rezeptur der keramikbasierten Tinten mit speziellen Pigmenten, die unter UV-Licht in einer definierten Farbe leuchten. Für Industriekunden, die Bauteile mit besonders teuren Metall-Legierungen oder Komponenten für sicherheitsrelevante Systeme einkaufen, ist das eine interessante Option“, erklärt Fraunhofer-Forscher Härtling.

Im nächsten Schritt arbeiten die Fraunhofer-Forschenden daran, auch gekrümmte oder verformte Metallbauteile bedrucken zu können. Weiter entwickelte Bilderkennungsalgorithmen sind dann in der Lage, auch Codes auf unregelmäßigen oder gekrümmten Metalloberflächen exakt auszulesen. (os)

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