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Unternehmer Claude Maack liefert Denkanstoß zur Energiewende

Über die verbleibenden Optionen – ein Denkanstoß
Wie ist die Energiewende noch zu schaffen?

Die naheliegendsten Fakten kennen wir alle, machen sie uns aber kaum bewusst. Claude Maack, in Energietechnik und Aerospace verwurzelt, denkt sie bis zu Ende. Mit Zahlen macht er unmissverständlich klar: Es wird eng um die Energiewende. Aber er sieht noch Chancen – ein Denkanstoß.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

„In den Beinen haben wir hundert Watt, in den Armen zehn“, sagt er und legt einen Comic vor. Man sieht die Karikatur eines staubsaugenden Menschen, für den zehn Radsportler einen Berg hinaufschwitzen, um die dafür benötigte Energie zu beschaffen. Dies deutet an, worum es geht: Selbst für kleinste Verrichtungen verbrauchen wir Unmengen an Energie. Man könnte es die erste Lektion zur Veranschaulichung der Lage nennen. Die Skizze ist dem Comic-Buch des Klimaaktivisten Jean-Marc Jancovici mit dem Zeichner Christophe Blain entnommen, dessen deutschsprachige Version den Titel „Welt ohne Ende: Vom Energiewunder zum Klimawandel“ trägt. Claude Maack bezieht sich darauf, weil Jancovicis Buch eingängig und in Zahlen zusammenfasst, worum es (ihm) geht.

Die wirklichen Zusammenhänge verstehen die wenigsten

Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Gradel Sarl in Luxemburg. Den Vortrag hielt er am 4. Mai auf dem Sustainability Summit 2023 in Kasel bei Trier. Erwartet wurde von ihm eine Rede zur ersten Ultraleichtbau-Fertigungslinie, die sein Unternehmen noch am gleichen Tag im nahen Hautcharange eröffnen würde. Doch den Vortrag nutzt der Firmen-CEO, um auf die Energiewende und ihre Zwänge zu schauen. „Ich habe den Eindruck, dass die meisten Menschen die ganzen Zusammenhänge noch gar nicht richtig verstehen, auch nicht in der Industrie.“

Maack ist unverdächtig, ungute Stimmungen schüren zu wollen. Im Gegenteil. Als versierter Ingenieur und Macher hat er sich nicht gescheut, sein Unternehmen umzukrempeln, um mit kompromisslosem Leichtbau speziell die Raumfahrt und generell die Industrie nachhaltiger werden zu lassen. Mit Wurzeln in der Nuklear- und Energietechnik schaut er genau hin und verweist auf Fakten, die wir uns kaum bewusst machen – die aber offensichtlich und leicht verständlich sind. „Wo kommt die Energie her, aus der Steckdose?“, fragte er aufrüttelnd vor Experten.

Ohne Maschinen wäre die Menschheit nie so weit gekommen

Der Comic spinnt den Faden weiter. Zehn Profis strampeln sich ab, um einen Staubsauger zu betreiben. Ein einfacher Traktor für die Landwirtschaft braucht aber das 60-fache dieser Leistung (60 kW), ein Tanklaster das 400-fache und ein Passagierflugzeug das 100.000-fache. Seit 1930 sind unsere Maschinen um das 50-Fache stärker geworden. „Diese Entwicklung können wir nicht mehr fortsetzen“, sagt Maack. Der Bedarf steigt trotzdem, denn hinzu kommen Internet, Streaming, immer mehr Dienstleistungen und nicht zuletzt das Wachsen der Weltbevölkerung.

Ermöglicht hat uns diesen Fortschritt der unglaublich ergiebige Energieträger Erdöl. Denn er ist für vergleichsweise wenig Aufwand zu haben. Er hat uns unermessliche Mengen an Power beschert. Er hat die Menschheit auf ein Level gehoben, das ihr ein Weiterleben ohne immense Energiemengen nicht mehr erlaubt – geschweige denn auf heutigem Lebensstandard. Es gibt kaum mehr ein Zurück. Der Planet aber ist überfordert.

Erdöl ist die günstigste Energie – billiger gehts nimmer

Nun folgt Claude Maacks Veranschaulichungslektion zwei, Kosten und Aufwand. Umstellen auf erneuerbare Energien ist nicht so einfach und nicht so schnell möglich: Eine Kilowattstunde Windenergie etwa ist 20- bis 50-mal teurer als eine Kilowattstunde Erdöl. Das hat mit dem Aufwand zu tun, sie zu erzeugen. Hinzu kommt, dass die Erneuerbaren immense werkstoffliche Ressourcen benötigen (die den Planeten ebenfalls überfordern könnten – ein weiteres Thema). Der 195-seitige Comic jedenfalls, der Jancovicis Zahlenrecherchen bebildert, illustriert auch die Ausbeute der einzelnen Energieträger:

Liegt die „Energy returned on Energy invested“ für Erdöl bei einem Faktor von 100, so kommen Kernkraft und Wasserkraft noch auf den beeindruckenden ERoEI-Wert von 50, Windkraft und Solarenergie mit Speicherung aber nur auf 5. Der Anteil der Erneuerbaren ist inzwischen bis auf 5 % angestiegen, berichtet Maack. „Sie sind aber nur dazugekommen und haben keine fossilen Energien ersetzt.“

Bis 2050 müssen wir die Treibhausgase dritteln

Der nächste Blick, Lektion drei, gilt nun der Klimakrise. Hier alle Ausführungen des einstündigen Vortrags wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen – die Fakten sind vielfach in den Medien. Die Erde droht durch die Erwärmung in vielen Gegenden unbewohnbar zu werden mit den entsprechenden Konsequenzen. Maack jedenfalls zitiert abschließend wieder Jancovici: Um die Katastrophe noch abzuwenden, müsste die Menschheit bis 2050 die Treibhausgase dritteln, das hieße Jahr für Jahr 4 % weniger auszustoßen. „Wir brauchen einen Systemwandel“, sagt er. „Wir haben nur die Wahl zwischen freiwilliger Mäßigung und erzwungener Armut.“

Geht das?

Ist das realistischerweise zu schaffen? Wars das schon für die Zukunft der Erde und einen großen Teil ihrer Bevölkerung? Maack wäre nicht Maack und vorwärtsschauender Ingenieur, nach eigener Einschätzung „ein optimistischer Mensch“, hätte er nicht nach zusätzlichen Handlungsoptionen geforscht. „Es gibt technische Lösungsansätze“, sagt er. Kompromissloser Leichtbau ist einer davon, den er mit dem Unternehmen Gradel und Geschäftspartnern selbst verfolgt. Einen anderen sieht er im Bereich der Energieerzeugung. Sein Blick richtet sich nun nach China.

Es gibt technische Lösungsansätze

„In Wuxei in der Wüste Gobi wurde ein Thorium Molten Salt Reactor in Betrieb genommen“, sagt er mit dem Wissen des Nuklear-Experten. „Eine Pilotanlage. Das ist eine Technik, die wir in den 50ern/60ern auch hatten in der Forschung, aber leider nicht weiterverfolgten. Sie hat große Vorteile.“ Dazu gehöre, dass die Reaktoren drucklos arbeiten, keine Kühlung brauchen, nicht überkritisch werden können und dass Thorium als Abfallprodukt in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Vor allem aber, dass diese Reaktoren alte Brennstäbe zu 95 % weiterverbrennen könnten – und zwar so, dass nur noch eine Endlagerung über 300 bis 500 Jahre nötig bliebe.

Chancenlos ohne Atomkraft?

Diese Technologie hat auch Nachteile. Sie steckt noch in den Anfängen, ist aufwendig und nicht einfach zu beherrschen – wie auch andere. Doch sie könnte die Abfälle verwerten, die Leichtwasserreaktoren zurücklassen. Maack plädiert für die weitere Nutzung der Atomkraft als Brückentechnologie. Für ihn ist es eine Frage des Überlebens der Menschheit auf diesem Planeten und damit der Vernunft. „Mir scheint, als ob wir mit dem Auto auf die Wand zurasen und die Bremsen ausgebaut haben, weil sie nuklear sind.“

Denkanstoß nicht überhören – es geht ums Überleben

Sollten wir neu nachdenken müssen, auch wenn wir uns innerlich längst von der Kernkraft verabschiedet haben? Claude Maack hat uns einen Denkanstoß gegeben. Er sollte wert sein, bedacht und diskutiert zu werden – denn es geht um nichts weniger als die Zukunft. Der luxemburgische Ultraleichtbau-Pionier ist damit im Gespräch auch mit seiner Regierung.

Comic „Welt ohne Ende“, Reprodukt-Verlag

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