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Kurzer Weg für Ökostrom in die Produktion

Energieeffizienz
Kurzer Weg für Ökostrom in die Produktion

Ökostrom-Eigenversorgung | Das Vestas-Rotorblattwerk Lauchhammer bezieht seinen Strom auf der physischen Ebene überwiegend von einem Biomethan-Kraftwerk auf dem eigenen Gelände und von einem nahen Windrad. Auf der wirtschaftlichen Ebene erweist sich das Strombezugs-Modell als deutlich schwieriger.

Stefan Schroeter Journalist in Leipzig www.stefanschroeter.com

An diesem Tag weht in Lauchhammer ein leicht böiger Wind. Die drei Rotorflügel des Windrads auf dem Schlackeberg am Vestas-Werk drehen sich mit einem gut vernehmbaren schwingenden Geräusch. Am Boden des 140 m hohen Turmes schließt Betriebsingenieur Steffen Kanefke die Tür zum Schaltraum auf und wirft einen Blick auf die Messinstrumente. Sie zeigen eine Windgeschwindigkeit, die zwischen 7 und 11 m/s schwankt. Das Windrad des Typs Vestas 112 setzt sie in eine entsprechend unstete Stromleistung um, die sich zwischen 2000 kW und 3000 kW bewegt.
Der vom Windrad erzeugte Strom wird in eine 300 m entfernte Leitung gespeist, die vom Umspannwerk des Netzbetreibers Mitnetz Strom zur Trafostation des Vestas-Rotorblattwerks führt. In diese Leitung speist auch ein Block-Heizkraftwerk mit 1200 kW Stromleistung ein, das sich auf dem Werksgelände befindet und Biomethan als Brennstoff nutzt. „Im Moment reicht der Strom aus dem Windrad und aus dem Block-Heizkraftwerk aus, um unser Werk zu versorgen“, erklärt Kanefke. Denn an diesem Tag im Mai liegt dort nur eine Last von 2500 kW an. Damit können Windrad und BHKW nicht nur das Werk versorgen, sondern sogar einen Strom-Überschuss ins Netz liefern. Selbst wenn die Rotorblatt-Produktion auf Hochtouren läuft und eine Höchstlast von 3400 kW erreicht wird, vermögen beide Kraftwerke dies an einem windigen Tag abzudecken. Bei zu wenig Wind kommt der fehlende Strom aus dem Umspannwerk.
Der Vorteil dieses physischen Stromversorgungs-Modells liegt auf der Hand: Der Ökostrom aus dem Biomethan-BHKW und dem Windrad wird sehr nah am Stromverbraucher erzeugt, so dass kein teurer Netzausbau nötig war. Es mussten lediglich Anschlussleitungen von beiden Kraftwerken zum Strom-Übergabepunkt des Werks gelegt werden. Hinzu kommt, dass es mit dem Windrad eine sichtbare Verbindung zur eigenen Produktion gibt: Hier wurden die 55 m langen Rotorflügel hergestellt.
Beide Kraftwerke tragen zu einem weitgehend nachhaltigen physischen Strombezug des Werks bei. Während der umweltfreundliche Charakter beim Windstrom eindeutig ist, kommt er beim Strom aus dem Biomethan-BHKW über ein Zertifikate-Modell zustande. Hierbei produziert der BHKW-Betreiber Danpower im 40 km entfernten Lichtensee den Öko-Energieträger Biomethan und speist ihn dort ins Erdgasnetz ein. Für das BHKW am Vestas-Werk entnimmt Danpower dann wieder eine zertifizierte Methanmenge aus dem Erdgasnetz.
Als deutlich schwieriger erweist sich das wirtschaftliche Modell, das mit dieser Stromversorgung verbunden ist. Denn das Windrad, das im vergangenen Mai in Betrieb gegangen war, wurde zwar von Vestas produziert, gehört dem dänischen Konzern aber nicht selbst. Die Eigentümer sind vielmehr mehrere aktuelle und frühere Mitarbeiter von Vestas Blades Deutschland um Geschäftsführer Frank Weise.
Wirtschaftlich betrachtet, speisen die Windrad-Betreiber den erzeugten Strom in das örtliche Stromnetz ein und erhalten dafür vom regionalen Netzbetreiber Mitnetz die Einspeisevergütung nach dem EEG. Ähnlich verhält es sich mit dem BHKW, das Danpower gehört. Der Betreiber verkauft den im BHKW aus Biomethan erzeugten Strom ebenfalls gegen die EEG-Einspeisevergütung an Mitnetz. Vestas wiederum kauft die im Werk benötigte Strommenge von jährlich 22 000 MWh beim regionalen Energieversorger Enviam und bei den Lübecker Stadtwerken ein.
Dass Vestas das Windrad nicht selbst als Eigenerzeugungs-Anlage betreibt, begründet Weise mit der Konzernpolitik: „Vestas will kein Wettbewerber seiner eigenen Kunden sein, die Windräder errichten und betreiben.“ Außerdem komme für den Konzern in Deutschland kein Strombezugs-Modell in Frage, bei dem er die EEG-Umlage vermeiden würde. Vestas bezahle für die gesamte elektrische Energie die volle EEG-Umlage, und werde das auch weiterhin tun, so Weise.
Das BHKW trägt nicht nur zur physischen Stromversorgung des Werks bei, sondern sorgt auch für eine maßgeschneiderte Wärmeversorgung. Mit einer Leistung von 1200 kW liefert es zum einen 95 °C warmes Wasser für einen Niedertemperatur-Kreislauf, der für Raumwärme und Warmwasser in den Gebäuden sorgt. Für diesen Kreislauf wird daneben auch Fernwärme genutzt. Zum anderen speist das BHKW auch 160 °C heißes Wasser in einen Hochtemperatur-Speicher, der wiederum Prozesswärme für die Rotorblatt-Fertigung bereitstellt. Die Prozesswärme wird dort gebraucht, um das Expoxidharz in den Glasfasermatten auszuhärten, mit denen die sogenannten Tragbalken ummantelt werden. Das sind Rotorblatt-Zwischenprodukte, aus denen in weiteren Schritten die fertigen Rotorblätter entstehen.
Bevor das Biomethan-BHKW im März 2013 den Regelbetrieb aufnahm, wurde das Heißwasser noch mit Strom auf das nötige Temperaturniveau erhitzt – eine kostspielige und wenig umweltfreundliche Methode. Für Danpower ist das Biomethan-BHKW Lauchhammer – laut Firmenangaben das erste seiner Art in Deutschland – ein attraktives Referenzprojekt. Ende 2013 wurde es mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. •

Ermäßigte EEG-Umlage
Dass sich ein Unternehmen wie Vestas bewusst dafür entscheidet, die volle EEG-Umlage für den von ihm verbrauchten Strom zu zahlen, wird sicher eine Ausnahme bleiben. Für alle anderen Unternehmen ist die Tatsache, dass bisher auf selbst erzeugten und verbrauchten Ökostrom keine EEG-Umlage und keine Netzentgelte zu zahlen sind, ein wirtschaftlicher Anreiz, eigene Kraftwerke für erneuerbare Energien zu bauen. Bei der aktuellen Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes strebt die Bundesregierung nun an, die EEG-Umlage zumindest teilweise auch auf den Verbrauch von selbst erzeugtem Ökostrom zu erheben.
Der im April beschlossene Regierungsentwurf sieht zunächst vor, dass bestehende Eigenstrom-Anlagen weiterhin von der EEG-Umlage befreit bleiben. Gewerbebetriebe und Haushalte sollen dagegen für Strom aus neuen Anlagen die halbe EEG-Umlage zahlen. Für Industrieunternehmen aus 60 Branchen ist eine ermäßigte EEG-Umlage von 15 % auf selbst erzeugten und verbrauchten Strom vorgesehen. Das würde derzeit einem Aufschlag von knapp einem Cent pro Kilowattstunde entsprechen. Außerdem soll es Sonderregelungen für die stromintensive Industrie geben. In diesen Wochen befassen sich Bundestag und Bundesrat mit der EEG-Novelle, die zum 1. August in Kraft treten soll. (sts)
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