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Wenn das Rechenzentrum Gebäude heizt und kühlt

Energieeffizienz
Wenn das Rechenzentrum Gebäude heizt und kühlt

Adsorptionswärmepumpe I In der Schweiz entwickeln Industrie und Wissenschaft derzeit eine mit Abwärme angetriebene Wärmepumpe. Diese Technologie benötigt im Vergleich zu Kompressionswärmepumpen nur sehr wenig Strom und kann zudem bisher ungenutzte Abwärme aus der Industrie effizient zur Klimatisierung von Gebäuden weiterverwenden.

Um die vorhandenen Energieressourcen effizienter zu nutzen und den Stromverbrauch nachhaltig zu senken, erforschen Wissenschaftler im Projekt „Thermally driven adsorption heat pumps for substitution of electricity and fossil fuels“, kurz Thrive, neuartige sogenannte Adsorptionswärmepumpen. Geleitet wird das Projekt von IBM Research – Zürich und der Hochschule für Technik Rapperswil. Da für den Antrieb der neuen Pumpe Wärme statt Strom verwendet wird, könnte die Technologie einerseits das Stromnetz entlasten und andererseits die Abwärme etwa von Rechenzentren, Fabriken, Kraftwerken oder erneuerbaren Quellen wie Solarthermie, Geothermie und Biomasse nutzbar machen.

„Abwärme wird bisher viel zu wenig genutzt, da einerseits die technischen Möglichkeiten für eine ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Verwendung und andererseits die Notwendigkeit fehlten,“ sagt Dr. Bruno Michel, Manager der Gruppe Advanced Micro Integration am IBM Forschungszentrum in Rüschlikon und einer der Projektleiter. Durch den großflächigen Einsatz von Adsorptionswärmepumpen, wie sie im Thrive-Projekt entwickelt werden, wäre theoretisch bis 2040 eine Reduktion des Strombedarfs für Heiz- und Kühlzwecke um bis zu 65 % und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zur Wärmeerzeugung um bis zu 18 % möglich.
Wärmepumpen dienen heute meist dazu, Umweltwärme, die eine Temperatur zwischen -5 und +15 °C aufweist, in Heizwärme für Räume oder Prozesse aufzuwerten. Traditionelle Wärmepumpen entziehen der Umgebung Wärme, beispielsweise aus dem Erdreich oder der Luft, um ein Kältemittel in einem Verdampfer zu verdampfen. Der entstandene Dampf steigt in einen elektrisch betriebenen Kompressor, der ihn verdichtet und dadurch erhitzt.
Im anschließenden Kondensator verflüssigt sich der Dampf wieder und gibt die Wärme an einen Heizkreislauf ab. Mit diesem Prozess kann sowohl Wärme für die Klimatisierung von Räumen als auch Kälte wie in einem Kühlschrank produziert werden.
Die thermisch betriebene Adsorptionswärmepumpe funktioniert ähnlich. Der große Unterschied ist, dass sich anstelle des Kompressors ein Adsorptionswärmetauscher befindet, der anstatt Elektrizität Wärme bei einer Temperatur ab 60 °C als Antriebsenergie nutzt. Während des sogenannten Adsorptionsprozesses werden von dem Adsorptionswärmetauscher erhebliche Mengen Dampf aus dem Verdampfer aufgenommen (adsorbiert). Dieser wird dabei im Inneren eines Sorptionsmaterials, das sich auf dem Wärmetauscher befindet, verdichtet, wodurch Wärme freigesetzt wird.
Über die Zufuhr der Antriebswärme von einer äußeren Quelle wird das zuvor adsorbierte Kältemittel wieder aus dem Adsorp- tionswärmetauscher ausgetrieben (desorbiert). Der dadurch freigesetzte heiße Dampf wird im Kondensator wieder verflüssigt und die entsprechende Kondensationswärme an den Heizkreislauf abgegeben. Auch die Adsorptionswärmepumpe kann sowohl heizen als auch kühlen. Da die Kälte- beziehungsweise Wärmeerzeugung diskontinuierlich erfolgt, sind mindestens zwei parallel arbeitende Adsorptionswärmetauscher für den unterbruchsfreien Betrieb notwendig.
Als Kältemittel kann reines Wasser genutzt werden
Durch ihren geringen Stromverbrauch erreichen Adsorptionswärmepumpen im Vergleich zu herkömmlichen Wärmepumpen ein Mehrfaches der erzeugten Kälte- beziehungsweise Wärmeleistung im Verhältnis zur eingesetzten elektrischen Leistung. Außerdem kann als Kältemittel reines Wasser anstelle von zum Teil wenig umweltfreundlichen Kältemitteln genutzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass erneuerbare Wärmequellen verwendet werden können, wie zum Beispiel solarthermische Anlagen, die typischerweise Temperaturen von bis zu 90 °C erzeugen.
Durch die Wärmenutzung eignet sich die Adsorptionswärmepumpe für viele Anwendungen, in denen herkömmliche Wärmepumpen nicht sinnvoll sind. Sie könnte zum Beispiel die Abwärme aus heißwassergekühlten Rechenzentren nutzen, um Büro- und Wohngebäude zu klimatisieren.
Das Aquasar-Computersystem, das von IBM-Forschern gemeinsam mit der ETH Zürich entwickelt wurde, ist ein Vorreiter für die Heißwasserkühlung von Computersystemen, die nicht nur den Energiebedarf für die Kühlung in Rechenzentren massiv senkt, sondern auch eine Abwärmenutzung ermöglicht. Für die IBM Forscher ist Thrive der nächste Schritt, um dies Realität werden zu lassen. Rechenzentren könnten sich dann mit der eigenen Abwärme praktisch selber kühlen.
Im Projekt werden Einsatzmöglichkeiten und Marktbedingungen von Adsorptionswärmepumpen in der Schweiz analysiert und die System- und Materialtechnologien für zukünftige Adsorptionswärmepumpen entwickelt. Wissenschaftler der Abteilung Building Energy Materials and Components der Empa, des Departments für Materialwissenschaft der ETH Zürich und des Instituts für Solartechnik der Hochschule für Technik Rapperswil arbeiten mit den Materiallieferanten Zeochem und MOF Technologies sowie mit ETS Energie-Technik-Systeme an der Entwicklung der Sorptionsmaterialien, Wärmetauschern und weiterer Komponenten einer kompakten Wärmepumpe mit einer Kapazität von 10 kW für Kühlung und 30 kW für Heizung.
Das Laboratoire d’énergétique solaire et de physique du bâtiment (LESBAT) der Haute Ecole d’Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud (HEIG-VD) arbeitet zusammen mit den beiden Unternehmen EWZ und Danfoss sowie dem Verein Infrawatt an der Identifizierung von Anwendungsszenarien für thermisch angetriebene Wärmepumpen in der Schweiz. Das Paul Scherrer Institut (PSI) führt eine Nachhaltigkeits- und Kostenbewertung der Adsorptionswärmepumpentechnologie durch und vergleicht diese mit herkömmlichen Technologien. (sk) •
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