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Mit Carbon läufts einfach besser

Veraltete Messmittel aus Stahl behindern die Präzisionsfertigung
Mit Carbon läufts einfach besser

Beim Bau von Maschinen ist ein wiederholtes Nachmessen in der Fertigung unerlässlich. Gängige Messmittel aus Stahl sind allerdings sehr schwer und zudem wärmeempfindlich. Leichte Temperaturschwankungen können das Messergebnis bereits verfälschen. Um die Größenkontrolle zu vereinfachen, hat die Easy-Metric GmbH Messmittel und Maßverkörperungen auf Carbonbasis entwickelt. Das korrosionsbeständige Material dehnt sich bei Wärme kaum aus und ist zudem extrem leicht.

Von Gleitlagerringen mit mehreren Metern Durchmesser bis zu Rotorwellen für Windturbinen – selbst bei Großbauteilen wird heute immer häufiger eine im Mikrometerbereich exakte Fertigung verlangt. Gerade sehr stabile Werkstoffe lassen sich aber nur schwer umformen oder zerspanen, so dass im Herstellungsprozess immer wieder das aktuelle Maß überprüft werden muss. Üblicherweise werden dazu auf die gewünschte Länge vorkalibrierte Messmittel aus Stahl verwendet, die jedoch bei größeren Spannweiten so schwer werden können, dass sie teilweise nur noch von zwei Personen zusammen gehandhabt werden können. Vor allem aber weist Stahl einen hohen Wärmeausdehnungs-Koeffizienten auf: Je nach Legierung verlängert sich ein Stahlstab pro Meter und Grad Celsius um rund 11 µm. In der Praxis muss daher die Raumtemperatur und eine eventuelle Wärmeabstrahlung des Werkstücks bei der Messung immer mit einberechnet werden. Eine exakte Überprüfung von Größen oder Durchmessern wird dadurch recht kompliziert.

Eine Alternative dazu stellen Messmittel mit Stäben aus Carbon dar. Der Kunststoff auf Kohlefaserbasis wiegt nur etwa 1,5 g/cm³ und ist damit sogar leichter als Aluminium. Gleichzeitig sorgen die quer- und längsliegenden Fasern für eine hohe Festigkeit und Steifigkeit des Materials. Der Messtechnik-Spezialist Easy-Metric kann daraus Messmittel fertigen, die sich auch über große Längen nicht verformen. Wo zusätzliche Stabilität gefordert ist, etwa aufgrund großer Messweiten mit geringen Toleranzen, werden zwei Karbonstäbe parallel genommen. Das Gewicht ist auch dann noch problemlos von einer Person handhabbar. Größter Vorteil für die Genauigkeit und entscheidende Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter ist allerdings der mit rund 0,4 µm pro Meter und Grad Celsius sehr niedrige Dehnungskoeffizient. Die klimatischen Bedingungen in der Umgebung der Messung haben dadurch keine Auswirkung auf deren Präzision.
Die Messmittel gibt es für Weiten von 100 mm bis zu 8 m. An beiden Enden des Stabes sitzt je ein Schenkel aus eloxiertem Aluminium, von denen einer die Messuhr trägt. Um an Stelle des Außen- den Innendurchmesser festzustellen, müssen die Schenkel nur mit einigen Handgriffen gelöst und umgedreht wieder aufgeschoben werden. Auch die exakte Höhe der Messpunkte im Verhältnis zu den Auflagepunkten auf der Oberkante des Werkstücks lässt sich individuell festlegen. Die maximale Eintauchtiefe liegt bei der Basicpro-Reihe bei maximal 120 mm und bei der GM-Serie bei 300 mm.
Für tiefere Messpunkte fertigt das Unternehmen auf Wunsch auch Sonderlösungen an, bei denen mit Versteifungen und Verstrebungen die Exaktheit des Messmittels trotz der wirkenden Hebelkräfte sichergestellt wird. Ebenso werden Spezialanfertigungen für ungewöhnliche Werkstückformen entwickelt, beispielsweise für Rotorhohlwellen, bei denen wegen der Nabe in der Mitte eine direkte Messung quer über die Kreisfläche unmöglich ist. Das umständliche Hantieren mit sperrigen Mikrometerschrauben, bei denen erst aufwändig die Höhe der Messpunkte ermittelt werden muss, wird dadurch überflüssig.
Da grobe Stöße und Erschütterungen, wie sie im Arbeitsalltag häufig vorkommen, die eingestellte Vergleichsgröße verändern können, muss das Messmittel während des Einsatzes immer wieder überprüft werden. Hierzu bietet der Hersteller so genannte Einstellmeister oder Maßverkörperungen an, die ebenfalls die Eigenschaften der Carbon-Stäbe nutzen. Auf der Kalibrierbank oder mit Hilfe eines eingestellten Messmittels wird darauf die gewünschte Länge festgelegt und fixiert. Der Einstellmeister kann dann mit in die Werkshalle genommen werden, um das Messinstrument wenn nötig damit abzugleichen. Das spart den Weg zurück zur Kalibrierbank. Bei Änderungen der Produktion lässt sich die Maßverkörperung – anders als feste Musterstücke – einfach anpassen.
Um das Messmittelprogramm abzurunden, bietet das Unternehmen zudem eigene, hochpräzise Kalibrierbänke an. Diese basieren auf einem Granitbalken, auf dem ein luftkissengelagerter Schlitten läuft. Mit Hilfe eines Längenmesssystems des Herstellers Haidenhein und einer softwaretechnischen Optimierung über einen Laserinterferometer lässt sich eine exakte Kalibrierung der Messmittel erreichen. Die Bänke eignen sich für den Einsatz in der Qualitätssicherung und im Fertigungsbereich. Sie sind serienmäßig für Dimensionen zwischen 2 und 8 m erhältlich. Andere Maße lassen sich auf Wunsch realisieren.
Kristin Härtling Fachjournalistin in München

Großteile messen in maximal zwei Minuten

Aeronautik-Spezialist Srebot setzt auf Messmittel aus Carbon

Seit 1973 werden bei Srebot Technologies Präzisionsteile unter anderem für die Aeronautik, die Öl- und die Automotive-Industrie gefertigt. Der Schwerpunkt des Unternehmens liegt auf großen Komponenten für die heißen und kalten Bereiche von Flugzeugturbinen wie zum Beispiel Kompressorringe und Stützlager. Rund 150 bis 200 Werkstücke verlassen pro Woche das Werk in Bondoufle südlich von Paris. Da es sich um sicherheitsrelevante Bauteile handelt, sind Passgenauigkeit und Präzision in der Herstellung extrem wichtig. Gefordert wird eine Genauigkeit von 0,03 bis 0,06 mm – keine leichte Aufgabe bei Komponenten mit einem Durchmesser von 2,4 m und einer Höhe von 1,5 m.
Die Rohteile, die bei Srebot bearbeitet werden, bestehen überwiegend aus Spezialwerkstoffen wie Titan sowie Inconel- oder Aluminiumlegierungen, die den hohen Belastungen in der Luftfahrt standhalten können. Für die Fertigung sind sie allerdings problematisch, da sie sich nur schwer zerspanen lassen. Um dennoch exakte Formen zu erzielen, müssen die Mitarbeiter jedes Werkstück drei- bis zehnmal nachmessen. Lange Zeit wurden dazu herkömmliche Geräte wie Messschrauben für Außen- und Innendurchmesser oder klassische Messmittel aus Stahl verwendet. Der Aufwand dabei war enorm. So ist etwa die Handhabung von Bügel- und Innenmessschrauben im dreidimensionalen Raum sehr kompliziert. Dabei müssen die Kontrollpunkte nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen zunächst gesucht werden, was das Risiko von Messfehlern erhöht. Bei anderen Messmitteln kann zumindest die gewünschte Eintauchtiefe auf den Schenkeln, die die Messuhr und den gegenüberliegenden Dorn tragen, voreingestellt werden.
Da es sich um Instrumente aus Stahl handelte, kam dessen hoher Temperatur-Ausdehnungkoeffizient als weitere Fehlerquelle hinzu. Die starke Ausdehnung des Stahls veränderte das Maß, so dass bei jeder Messung die aktuelle Raumtemperatur mit einberechnet werden musste. Die Werkstücke haben aber wiederum einen eigenen, davon abweichenden Dehnungskoeffizienten, weshalb sich die rechnerische Kompensation entsprechend kompliziert gestaltete. Das hohe Gewicht des Stahls erschwerte das Handling zusätzlich und konnte im Extremfall sogar zu Schäden an den Bauteilen führen.
Srebot suchte daher nach einer Alternative, die nach Möglichkeit kaum eine Wärmeausdehnung aufweist, leicht zu benutzen ist und in der rauen Werkstattumgebung zum Einsatz kommen kann. Die Wahl fiel schließlich auf Messmittel aus Carbon. Das Unternehmen setzt inzwischen mehrere Messmittel von Easy-Metric in allen Bereichen der Fertigung ein. Teilweise wurden diese an die Anforderungen von Srebot angepasst. So lassen sich zum Beispiel sehr kleine Einstiche mit speziellen Adaptern prüfen.
Die Temperaturunabhängigkeit und das geringe Gewicht des Kohlefasermaterials hat das Messen für den Großteile-Hersteller vereinfacht und die Prozesssicherheit erhöht. Die Messungen, die früher mit der aufwendigen Positionierung der Instrumente und komplexen Nachberechnungen verbunden waren, dauern heute je nach Größe der Teile zwischen wenigen Sekunden bis maximal zwei Minuten. Gleichzeitig wird genauer gemessen, wodurch sich das Ausschussrisiko verringert.

„Fehler lassen sich nicht einfach ausbügeln“

Nachgefragt

Herr Srebot, warum ist Präzision in ihrem Unternehmen so extrem wichtig?
Wir fertigen hauptsächlich Turbinenteile für Flugzeuge für die zivile und militärische Luftfahrt. Auf diese Komponenten wirken im Betrieb von innen und außen extreme Kräfte ein. Um dennoch ihre Zuverlässigkeit und damit die Sicherheit des Flugzeugs zu gewährleisten, müssen wir uns innerhalb sehr enger Toleranzen bewegen. Gleichzeitig haben wir es mit äußerst stabilen Werkstoffen zu tun, die sich nur schwer bearbeiten lassen. Fehler lassen sich bei diesen Materialien nicht einfach ausbügeln. Deshalb müssen wir von vornherein die Maßvorgaben einhalten. Hinzu kommt, dass wir nicht nur Einzelstücke und Serien fertigen, sondern auch Prototypen und Vorserien. In diesen Fällen kann es unter anderem von der Präzision unserer Arbeit abhängen, ob ein Teil akzeptiert wird und überhaupt in Serie geht.
Was sind für Sie die Vorteile von Carbon als Grundlage für Messmittel?
Entscheidend sind die höhere Messgenauigkeit und die dadurch niedrigere Ausschussmenge. Bei den Bauteilen, die wir fertigen, wäre eine Messung nach der Produktion zu spät, weil wir die Werkstücke nicht mehr aufspannen können. Nachdem wir jetzt mit den Carbon-Messmitteln während der Fertigung unkompliziert mehrfach nachmessen können, liegt unsere Ausschussquote inzwischen unter einem Prozent. Für unsere Kunden ist das ein wichtiges Kriterium, da bereits die Rohteile, die wir zur Bearbeitung bekommen, sehr teuer sind. Ursache für die höhere Genauigkeit ist vor allem die Temperaturunabhängigkeit von Carbon. Wir müssen nicht mehr die verschiedenen Dehnungskoeffizienten berücksichtigen und ausgleichen. Daneben gibt es noch andere Gründe, die für das Carbon sprechen. Dazu gehört zum Beispiel die Resistenz gegen Öl, Fett und Kühlschmiermittel. Außerdem gibt es bei diesem Material keine Korrosion.
Haben Sie auch die Maßverkörperungen auf Carbon umgestellt?
Natürlich nutzen wir auch dieses System. Wir müssen nicht jedes Mal zur Einstellbank gehen um zu überprüfen, ob ein Messmittel noch richtig kalibriert ist. In der Aeronautik kann jede Abweichung fatal sein. Und schon ein einfaches Anecken mit dem Messmittel an der Werkbank reicht, um es im Mikrometerbereich zu verstellen. Früher mussten wir deshalb immer wieder in den Messraum, um die Instrumente zu kontrollieren. Die Maßverkörperungen dagegen werden einmal eingestellt. Danach kann man sie einfach mit an den Arbeitsplatz nehmen und das Messmittel direkt vor Ort prüfen.
Was halten Ihre Mitarbeiter von den neuen Messmitteln?
Es war am Anfang sicher eine gewisse Umstellung. Allerdings waren die Reaktionen danach eher positiv. Der Grund dafür ist, dass die Carbon-Messmittel einfacher zu handhaben sind und insgesamt deutlich weniger wiegen. Mit Instrumenten aus Stahl kann das Messen, besonders bei großen Durchmessern, zur Schwerstarbeit werden. Deswegen war der Umstieg auch aus ergonomischer Sicht eine echte Verbesserung.
Industrieanzeiger
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