Würde jeder zweite Baden-Württemberger pro Tag eine Brezel essen, müssten die Bäcker im Land fünf Millionen Brezeln täglich in die schwäbische Urform bringen. Doch diese Arbeit überlassen viele Bäcker automatischen Anlagen.
Von unserem Redaktionsmitglied Simone Reimann – simone.reimann@konradin.de
Das Motto der Oku Automatik Otto Kurz GmbH & Co. KG aus Winterbach ist eindeutig: „Wir lösen Ihre Montageprobleme automatisch.“ Das nahm ein Bäcker beim Wort und bestellte bei Oku eine Maschine, die ihm das Brezelschlingen abnehmen sollte.
Eine schwierige Aufgabe, denn der Werkstoff Teig hat eine Eigenschaft, die Maschinenbauer nicht lieben: Er ist biegeschlaff. „Das Schlingen war bis dahin der einzige Prozess, der noch nicht automatisiert war“, erklärt Claus Keck, Projektleiter bei Oku. Der Teig werde schon lange automatisch geknetet, in Portionen geschnitten und über ein Förderband angeliefert. „Und dann schlingen zig Mitarbeiter die Brezeln doch mit der Hand, bevor es automatisch weitergeht“, beschreibt Keck die Brezelfertigung. Dabei gehe es nicht nur um die Frage der Zeitersparnis. Auch den Platz könnte ein Automat viel effizienter nutzen, meint er.
Der künstliche Bäckergeselle mit dem Namen BSA 3000 steht nicht nur ohne Murren in aller Frühe auf, sondern benimmt sich auch äußerst flexibel. Denn die Maschine fertigt ganz individuelle Brezelformen. 4500 Brezeln/h schafft die Anlage.
Dennoch schwanken die Bäcker im Land zwischen manueller und automatischer Variante. Viele vertrauen weiterhin auf ihre Fingerfertigkeiten und glauben an eine Tradition, die man nicht aus der Hand geben sollte. „Es ist doch viel schöner, wenn nicht alle Brezeln gleich aussehen, sondern verschieden geformt und unterschiedlich groß und dick sind“, sagt eine Fachverkäuferin in einer Stuttgarter Bäckerei überzeugt. Für Oku sind dies reine Vorurteile. „Niemand sieht den Brezeln an, dass sie von einer Maschine geschlungen wurden“, ist sich Keck sicher. Ein winziges Merkmal soll es dennoch geben, das die Brezel als „gefälscht“ identifiziert. Doch das verrät Keck nicht: „Das ist unser Betriebsgeheimnis.“
Doch auf Aussehen und Tradition allein können die Bäcker heute nicht mehr setzen. Denn der Preiskampf auf dem Brezelmarkt ist groß. Bis zu 20 Cent pro Brezel bezahlen Kunden weniger, kommt das Gebäck aus dem Automaten. Doch die Investition lohnt sich nur dann, wenn eine Backstube mindestens 10 000 Stück am Tag herstellt. „Und so viele Brezeln backen wir für unsere einzelnen Filialen nicht“, erzählt die Stuttgarter Verkäuferin.
Dem begeisterten Brezelesser ist es im Falle des Falles sowieso egal, woher die Brezel stammt. Da der mechanische Bäckersgehilfe die Brezeln aus ganz verschiedenen Teigrezepturen schlingen kann, geht es beim Essen frei nach der Devise: Hautpsache, der Geschmack stimmt.
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