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Automation serviert das Sahnehäubchen

Bearbeitungszentren: durch robotisierte Teileversorgung profitabler ausgelastet
Automation serviert das Sahnehäubchen

Zu mittlerweile reifen 95 % technisch verfügbar, läuft das Gros der Fräs- und Bearbeitungszentren dennoch nur in Teillast. Das wollen die Hersteller der potenten Maschinen jetzt ändern. Auf der AMB zeigen sie, wie Robotik und Automation die Fertigung global wettbewerbsfähiger machen.

6000 Stunden seien zu wenig, sagt Wolfgang Seeger. „An Hochlohnstandorten bleibt industrielle Fertigung nur dann konkurrenzfähig, wenn die Maschinen und Anlagen rund um die Uhr laufen“, ist der Geschäftsführer der Nürtinger Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH überzeugt. Bei durchschnittlich 86,5 % Kapazitätsauslastung, so wie sie der Verein Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) seit 1995 beobachtet, wären dies 316 Nutzungstage. Bei 92 % – einem Beschäftigungsgrad, unter dem die Metall bearbeitenden Branchen zuletzt 2007 stöhnten – läge die Nutzung sogar bei 336 Tagen respektive 8060 von 8322 theoretisch möglichen Stunden. Dabei ist die mittlerweile als Standard geltende 95%ige technische Verfügbarkeit für Fräs- und Bearbeitungszentren bereits berücksichtigt.

Zwar lassen sich die Kennzahlen ganzer Branchen wie dem Maschinenbau und dem Produktionsgütergewerbe nur eingeschränkt auf die einzelne Fräsbank herunterbrechen, trotzdem ist Wolfgang Seegers Ansatz so typisch wie’s scheint auch nötig. Denn zunehmend forcieren die Werkzeugmaschinenbauer die ein- und angebaute Automation der Systeme. Damit folgen sie dem Wunsch ihrer Kundschaft. Vor allem die Peripherie flexibler Systeme, Bearbeitungs- und Fräsmaschinen wird robotisiert. Und deren Anteil an den NC-gesteuerten Abtrags- und Zerspanungssystemen ist gewaltig: 2007 machte er nach Angaben des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW) 2,8 Mrd. Euro und damit fast die Hälfte der nationalen Produktion aus. Die Nutzungsdauer solcher Maschinen über Automation zu steigern, macht vor allem Sinn für die Fertigung komplexer Teile in der Luft- und Raumfahrt, für die optische und Medizin-Gerätetechnik sowie die Automobilbranche. Auch Werkzeug- und Formenbauer sind interessiert: Sie spüren den Kostendruck mittlerweile kaum weniger als Serienzerspaner.
Den Hauptunterschied macht dabei die Robotik. Sie definiert die Mensch-Maschine-Schnittstelle völlig neu. Anders als die bereits seit den 80er Jahren praktizierte Teileversorgung über Palettenbahnhöfe und ähnliche Zubringsysteme, ersetzen heute Knickarm-Roboter – weitaus seltener dreiachsige Scaras – den Werker als Manager der Maschine, lassen deren Umfeld dabei jedoch grundsätzlich unverändert. Tools und Teile werden wie gehabt aus maschinennahen Speichern gegriffen und ablaufrichtig eingelegt.
„Der Werker ist vom System entkoppelt“, erläutert Wolfgang Seeger. „Trotzdem wird die Maschine an sieben Wochentagen im 24-Stunden-Betrieb praxisgerecht be- und entladen.“ Beim dreiachsigen H1000-Zentrum erledigt dies eine gemeinsam mit der Maschine umhauste Zelle mit Knickarm-Roboter. Aufgebaut in Modulen, soll sich jede Art von Fertigung rund um die Uhr konfigurieren lassen. Heller stellt das System auf der AMB in Halle 5 auf Stand C52 vor. Ihre Roboterzelle ist funktional selbstständig, allerdings direkt ins Bearbeitungszentrum und seine Steuerung eingebunden.
Die Gosheimer Berthold Hermle AG (Halle 7, Stand D52) verfolgt ein anderes Konzept. Ihr Robotersystem RS2 verknüpft in der Standardversion ein fünfachsiges Bearbeitungszentrum und ein Schwerlastregal als Werkstückspeicher. Das System wird hakenfertig vor der Maschine platziert. Ein ausgeklügeltes Steuerungssystem sichert die Tür zwischen Speicher und Fertigungsmittel. Damit können das RS2 wie auch das Bearbeitungszentrum von Hand bedient werden, ohne den automatischen Ablauf der jeweils anderen Einheit zu unterbrechen. Ausbaubar um Schwerlastregale für unterschiedliche Werkstücke oder Palettengrößen, soll das von Hermle als externer Automationsbaustein entwickelte System für volle Auslastung im Drei-Schicht-Betrieb und auch übers Wochenende sorgen. Bis zu drei integrierte Maschinen können versorgt werden.
Detlef Stoebe, Geschäftsführer der Saalfelder Samag Group (Halle 9, Stand C78), bietet die Möglichkeit, den mehrspindligen Bearbeitungszentren der Baureihe MFZ eine standardisierte Handhabungszelle vorzuschalten, in der ein Roboter die Maschinen be- und entlädt. Als Teilespeicher können Rollenwagen oder Werkstückkörbe verwendet werden. Auch die Handhabung schwerer Gussteile ist möglich. „Solche komplett automatisierten, aber dennoch hochflexiblen Prozesse sind der größte Faktor bei der Stückkostenreduzierung“, verspricht der Samag-Chef. Der Installationsaufwand werde minimiert, weil sowohl die Software der Schnittstelle und die Parametrierung des Roboters ab Werk bereits programmiert sind. Das Konzept lasse sich auf alle gängigen Industrieroboter anwenden und sei herstellerneutral.
Exakt mit letzterem könnte Stoebe eine Marktlücke treffen. Denn immer mehr Unternehmen rüsten ihre schon in Betrieb befindlichen Fertigungsmittel nach. Laut World Robotics, einer jährlich vom IFR Statistical Department im VDMA veröffentlichten Untersuchung, wurden 2007 allein in Deutschland 14 800 Roboter mehr ausgeliefert als im Vorjahr. Dies entspricht einem Wachstum um 29 % und ist die höchste Zahl, die bisher für die Republik registriert wurde. Innerhalb dieser rasant gestiegenen Nachfrage – laut Studie insbesondere aus dem Automobilbau und den Metall-bearbeitenden Industrien – stiegen das Handhaben und Zuführen von Material massiv um 71% an.
Auf interne wie externe Robotisierung setzt die Hamburger Makino GmbH (Halle 9, Stand D56). Die agile Fertigungszelle J3 etwa richtet sich an Serienfertiger im Bereich der Tier 2 und Tier 3 sowie der Zulieferindustrie. „Der Ladeprozess wird über einen integrierten Roboter durchgeführt“, berichtet Makino-Geschäftsführer Uwe Speetzen. Er arbeite abgetrennt vom Bearbeitungsbereich. Neben der Handhabung lasse der Roboter sich auch für das Entgraten, Reinigen und Montieren von Teilen einsetzen, die über Taktband-Systeme zu- und abgeführt werden.
Speetzens Unternehmen vermarktet das Konzept als Fertigungsstruktur, mit dem ein progressives Investieren möglich ist. Das heißt, es kann nahe am tatsächlichen Kapazitätsbedarf ausgerichtet werden, eine Investition in letztlich brach liegende Kapazitäten findet nicht statt. Die J3-Einheiten sind darüber hinaus rekonfigurierbar. „Systeme dieser Art sind hochproduktiv und einfach zu beherrschen“, versichert Uwe Speetzen. Und sie seien eine interessante Lösungen für die Zulieferbranche, die seit langem schon nicht mehr auf Teile- und Stückzahl-Garantien rechnen kann.
Automation konventioneller, nichts-desto-trotz äußerst produktiver Machart bietet die Wiesbadener Matsuura Machinery GmbH (Halle 5, Stand A53) an. „Wir setzen nach wie vor bevorzugt auf große Speicher bis zu 180 Paletten“, sagt Geschäftsführer Bert Kleinmann. Entsprechend dimensionierte Magazine für bis zu 520 Werkzeuge lieferten das Zeug für weit gehende Autonomie. Schnittstellenprobleme seien nahezu ausgeschlossen. „Flexibler und effizienter“, so ist Kleinmann sich sicher, „kann man kleine und mittlere Serien auf einem horizontalen Bearbeitungszentrum kaum fertigen.“
Die Beschränkung des Matsuura’schen Robotik-Ansatzes aufs Essentielle sei berechtigt. Werkzeugmaschinen-Hersteller wie Kunden hätten in der jüngsten Vergangenheit registriert, dass die Beschleunigung und Dynamik der Zentren überbetont worden seien. Dies gehe zu Lasten der Betriebskosten und Verfügbarkeit. Insoweit gehe es auch bei der externen und internen Automatisierung weniger um Rekordwerte als vielmehr um Solidität.
Insoweit trifft Kleinmann sich zwanglos mit Wettbewerbern wie Heller und Wolfgang Seeger: Auch ihnen geht es weniger um Sprintqualitäten als um verlässliche Werte im Dauerbetrieb. Die Automation müsse auf belastbare Technik aufsetzen. Dann erst sei das Sahnehäubchen auf die Fertigung garantiert.
Wolfgang Filì Journalist in Köln
Nachfrage nach Robotern fürs Teilehandling steigt rasant
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