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Der Roboter passt sich jeder Kontur an

Abgestimmtes Beschichtungsprogramm steuert Kollegen aus Blech
Der Roboter passt sich jeder Kontur an

Ein Roboter sorgt beim Lohnbeschichter Körber für konstante Qualität. Trotz eines erhöhten Durchsatzes geht die Reklamationsquote bei dem mittelständischen Pulverbeschichtungsbetrieb gegen Null.

Josef Simon ist Fachjournalist in Werne

„Wer einmal für die Automobilindustrie gearbeitet hat, weiß was Qualität bedeutet“, sagt Werner Körber, gelernter Maschinenbautechniker und Gründer der Körber Kunststoffbeschichtungen GmbH in Ötisheim. „Da gibt es kein Pardon, nur Perfektion oder teure Reklamationsansprüche.“ Mit letzterem hat Körber nach eigenen Angaben keine Probleme. Seit in der neuen Werkshalle unweit des Stammbetriebs mit einer neuen Vorbehandlungs- und Pulverbeschichtungsanlage produziert wird, tendiert die Fehlerquote bei dem schwäbischen Mittelständler gegen Null.
Diese erfreuliche Entwicklung liegt zum einen an den geschulten Augen der so genannten Spachtler, die im Nachgang die produzierten Gussteile kontrollieren. Ihnen entgeht weder Lunker, Haarriss noch sonstige Unregelmäßigkeit auf der grauen Oberfläche. Die für die Autobauer so wichtige optische und verfahrenstechnische Qualität aber liefert die neue Anlage, in deren Mitte ein blauer automatisierter, einarmiger Mitarbeiter kontinuierlich seine Arbeit verrichtet.
Die Rede ist von einem zum vollautomatischen Pulverbeschichter umgebauten Industrieroboter, der „unabhängig von Tagesform und Gemütslage“ (Körber) seinen Dienst tut. Der computergesteuerte Kollege aus Blech bildet das Herzstück der anlagentechnischen Gesamtlösung, die vom Sinsheimer Anlagenbauer Noppel GmbH in fünf Monaten konzipiert, konstruiert und realisiert wurde. „Es war uns wichtig, dass neben der Qualitätssteigerung auch ein auf Kleinserien abgestimmtes Ablaufmanagement realisiert wird, das die wirtschaftlichen Aspekte des Unternehmens und die umwelttechnischen Anforderungen berücksichtigt“, erklärt Noppel-Verkaufsleiter Frank Santner das anfängliche Anforderungsprofil.
Das gilt auch für den Pulverbeschichtungsroboter. Das Modell UP50N ist ein sechsachsiger Industrieroboter des Herstellers Motoman aus Allershausen, der in seinem Serienstandard weitestgehend unverändert blieb. Lediglich am Handflansch des Roboters wurde eine Pulverbeschichtungspistole angebaut. Trotz seiner Reichweite von maximal 2 m ist das Modell durch seine Wiederholgenauigkeit in der Lage, die geforderte, reproduzierbare Beschichtungsqualität für das gesamte Werkstückspektrum zu gewährleisten. Sichergestellt wird dies durch ein auf jedes Werkstück abgestimmtes Beschichtungsprogramm. Dadurch kann sich der Roboter jeder noch so verwinkelten Oberflächenkontur anpassen. Die Beschichtungsprogramme für die einzelnen Teile werden vom Betreiber selbst über das Hand-Steuergerät erstellt, sodass auch keine weiteren teuren Programmierkosten anfallen.
„Früher waren wir von der Tagesform der Mitarbeiter abhängig. Jetzt erreichen wir eine bezüglich Schichtstärke und Glanzgrad durchwegs gleichmäßige Oberfläche ohne jede Schattierung oder Unebenheit“, erklärt Ralf Körber, Produktionsleiter im väterlichen Betrieb. Körber Junior hat in den ersten zwei Monaten noch weitere positive Seiten an dem neuen Mitarbeiter entdeckt. Die auf jedes Werkstück abgestimmte Automatisierung schafft nicht nur ein hohes Maß an Produktionssicherheit, der Beschichtungsprozess insgesamt wurde effektiver. Trotz einer deutlichen Materialeinsparung konnte der Durchsatz um 40 % gesteigert werden.
Die Serien- und Farbwechsel sind bei Körber kein Aufwand mehr. Der Produktwechsel erfolgt per Knopfdruck, und das Reinigen der Pulverbeschichtungspistole geschieht nach eigenen Angaben im Handumdrehen. Deshalb nimmt Ralf Körber jetzt auch oft und gerne Einzelstücke an, zum Beispiel eine Abdeckplatte für den Ladenluftkühler des 1,2 Mio. Euro teuren Bugatti, die ein zweifarbiges Outfit erhält. „Alles kein Problem mehr“, sagt Firmengründer Werner Körber, der aufgrund der hohen Anlagenauslastung bereits über eine Erweiterung im Bereich der Vorbehandlungstechnik nachdenkt. Damit könnten in Zukunft auch Werkstücke vorbehandelt werden, an die höchste Korrosionsschutzanforderungen aus dem Automobil- und Medizintechnikbereich gestellt werden. „Die Qualitätsanforderungen insgesamt nehmen zu“, ist sich Werner Körber sicher. Doch mit der erweiterungsfähigen Vorbehandlungs- und Pulverbeschichtungsanlage wollen die Ötisheimer langfristig wettbewerbsfähig bleiben.
Dass trotz der Produktvielfalt dennoch wirtschaftlich gearbeitet werden kann, liegt auch an dem flexiblen Materialflusskonzept, das durch den Anlagenbauer Noppel realisiert wurde. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus automatischen und manuellen Förderstrecken. So können zum Beispiel die Werkstücke vor Eintritt in den Pulvereinbrennofen durch eine verfahrbare Querverschubeinheit in eine Art Parkzone aussortiert werden. „Nicht alle Werkstücke bringen bei den Einbrennanforderungen die gleichen Anforderungen mit“, erläutert Frank Santner. Für Körber war es daher wichtig, dass vor dem Pulvereinbrennofen eine Art Sammel- und Sortierstelle eingestellt wurde, wo die Werkstücke nach Einbrenndauer und Temperatur zusammengestellt werden können. Bis zu drei Gehängewagen lassen sich auf diese Weise zusammenfassen, ehe sie schließlich komplett in den Ofen verschoben werden. Die vorgegebenen Verfahrensparameter werden über die Anlagensteuerung kontinuierlich überwacht.
Am Ende des Prozesses steht ein hundertprozentiger Kontrolllauf aller Werkstücke. Für Werner Körber ist das seit Inbetriebnahme der neuen Anlage eigentlich nur noch ein Routineverfahren. Der Firmenchef inspiziert abschließend ein Saugrohroberteil für den Touareg und nickt zufrieden: „Der Mensch ist gut, aber in manchen Fällen ist der Roboter besser.“
Parkzone für Werkstücke vor dem Einbrennofen
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