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Die Hitze des Ofens lässt den Roboter kalt

Roboterzelle automatisiert mittelständische Induktionshärterei
Die Hitze des Ofens lässt den Roboter kalt

Wo früher zwei Werker in der heißen und schmutzbelasteten Umgebung einer Induktionshärterei ihre Gesundheit aufs Spiel setzten, erledigt heute ein Roboter das Be- und Entladen der Anlagen. Eine zugehörige Software überwacht und dokumentiert zudem den gesamten Prozess.

Jörg Hutzel ist Geschäftsführer der Handling-Tech Automations-Systeme GmbH in Stuttgart

Das Induktionshärten von Formteilen ist die zentrale Anwendung bei der Härtetechnik Link GmbH in Hemmingen. Der eigenständige Lohnbetrieb ist mit rund 50 Induktionsanlagen ausgestattet. Die Auftraggeber stammen hauptsächlich aus der Automobilindustrie, aber Kunden gibt es auch in den Bereichen Medizintechnik und Anlagenbau. Entsprechend unterschiedlich fallen die Werkstücke in Form und Größe aus. Die Dimensionen reichen von der winzigen Injektionsnadel bis zum 6 t schweren Mahlwerk einer Müllzerkleinerungsanlage.
In den bisher durchgeführten Teilautomatisierungen wurden mehrere Arbeitsplätze der Härterei mit Handling- und Zuführungstechnik ausgestattet. Flexible Roboterzellen ermöglichen nun den ersten Schritt zur Vollautomatisierung. Seit rund einem Jahr ist das Robax-System der Stuttgarter Handling-Tech Automationssysteme GmbH an einer der hochwertigen Anlagen zum Härten von Zahnrädern für die Automobilindustrie im Einsatz. Wo vorher zwei Werker in der rauen Umgebung der Härteanlage die Be- und Entladung Stück für Stück von Hand vornahmen, erledigt heute das Robax-System die Bestückung. Der Kern des Robax-Systems ist das Modell M-6iB, ein sechsachsiger, modular konstruierter und mit elektrischen Servoantrieben ausgerüsteter Roboter von Fanuc Robotics, der sich für eine Vielzahl von industriellen Applikationen eignet.
Der Werker aus Stahl ist in einer nach außen vollständig gesicherten Gitterbox untergebracht und arbeitet der Induktionshärteanlage zu. Dabei ist die Maschine von zwei Werkstückmagazinen flankiert, die mit kreisförmig angeordneten senkrechten Spindeln ausgestattet sind. Diese nehmen die Formteile vor und nach der Bearbeitung auf – in diesem Fall sind das Zahnräder mit einer zentrischen Bohrung.
Mit einer möglichen Wiederholgenauigkeit von 0,08 mm entnimmt der Roboter programmgesteuert jeweils zwei Teile gleichzeitig. Zu diesem Zweck ist der Automat mit einem speziellen Doppelgreifer ausgerüstet, der aus zwei gegenüberliegenden Greiferpaaren mit gabelförmigen Greifzangen besteht. Im laufenden Betrieb werden zuerst zwei fertig bearbeitete Werkstücke entnommen und durch eine Drehung des Doppelgreifers zwei neue Teile in die frei gewordenen Werkstückaufnahmen eingelegt. Auf diese Weise wird die Be- und Entladezeit auf ein Minimum begrenzt. Anschließend schwenkt der Roboterarm zum Magazin zurück, um dort das bearbeitete Teilepaar abzusetzen und mit neuen Werkstücken erneut in Position zu gehen.
Mit der konstruktiven Auslegung der Greifer und der flexiblen Robotersteuerung lassen sich nicht nur identische Teile, sondern auch Teilevarianten verarbeiten. Außerdem ermöglichen die Greifer einen Toleranzausgleich im Bereich von mehreren Zehntel Millimeter. Mit der feinmotorischen Greiftechnik werden so auch Werkstücke sicher aufgenommen, die in ungenau definierten Positionen mit zufällig ausgerichteten Kippwinkeln gestapelt sind. Und durch zeitgleiches kurzes Öffnen und Schließen der Greifzangen rutschen die aufgenommenen Werkstücke in ihre korrekte Position. Die spezielle Greiferkonstruktion trägt maßgeblich zur prozesssicheren Funktion der Roboterzelle bei. Gerhard Link, Geschäftsführer und Inhaber der Link GmbH, zeigt sich zufrieden: „Die Anlagenverfügbarkeit liegt über 98 Prozent.“
Die tonnenförmigen Magazine sind in ihrer Größe auf komplette Auftragschargen ausgelegt. Während sich der Roboter aus einem Magazin bedient, lässt sich das zweite Magazin nachfüllen, ohne dass dabei der Betrieb unterbrochen werden muss. Auf diese Weise ist ein kontinuierlicher Durchlauf gewährleistet. In der Regel sind die Roboterzellen für bestimmte Aufgaben ausgelegt und mit den entsprechenden Werkstückmagazinen und Greifern ausgestattet. Die Standardisierung und Widerverwendbarkeit der Module sichern die Investition zusätzlich ab.
Über die primären Handhabungsfunktionen hinaus, die in diesem Fall für das Bestücken des Induktionsofens genutzt werden, lassen sich weitere Prozessoperationen wie Prüfen, Entgraten, Bürsten und Reinigen in der Roboterzelle integrieren. Insbesondere bei Bearbeitungsvorgängen, deren Takt länger dauert als der Bewegungsrhythmus des Roboters, lassen sich mit diesen zusätzlichen Funktionen Leerlaufzeiten vermeiden. Das System macht sich daher auch bei unterschiedlichen Anwendungen schnell bezahlt.
Dank seiner ausgefeilten Applikationssoftware bietet der Handling-Roboter auch Vorteile im sekundären Bereich, sprich bei der Überwachung und Dokumentation des gesamten Prozesses. Jedes Werkstück wird mit all seinen spezifischen Parametern erfasst und protokolliert – von der Aufnahme über den Härtevorgang bis zum Ablegen. Abweichungen im Prozess werden sichtbar. Teile, die nicht in Ordnung sind, werden vom System registriert und dokumentiert und vom Roboter in einer gesonderten Palette abgelegt. Die geforderten Qualitätsvorgaben für die Bearbeitung der Zahnräder sind damit erfüllt.
Dank seiner robusten Konstruktion und der zugehörigen Software liefert der Fanuc-Roboter eine konstante Performance auf hohem Produktivitätsniveau. Handling-Tech hat eine selbsterklärende Menüführung mit einem Touch-Screen-Bedienpult implementiert und so eine einfache Bedienung sichergestellt. Für das Bedienpersonal erschließt sich jede Prozessphase zweifelsfrei und intuitiv im Klartext auf dem Display der Robotersteuerung. Dadurch lässt sich die Anlage durch Mitarbeiter an den umliegenden Arbeitsplätzen überwachen.
Für Geschäftsführer Gerhard Link steht der durch die Roboterzelle erreichte Rationalisierungseffekt im Vordergrund: „Der Roboter hat sich in der rauen Umgebung des Härtereibetriebes bewährt. Die Verfügbarkeit und Prozesssicherheit ist aber auch auf das Know-how von Handling-Tech zurückzuführen.“ Die Ausführung der Roboterzelle ist für Link von der Werkstückmagazinierung bis zum Greifersystem durchweg gelungen. Aufgrund der positiven Erfahrungen plant die Geschäftsleitung, weitere Induktionsanlagen mit Roboterzellen zu automatisieren. „Die Modularität und Widerverwendbarkeit gibt uns die Sicherheit für kommende Investitionen“, so Gerhard Link.
Doppelgreifer sorgen für minimale Be- und Entladezeiten Software überwacht und dokumentiert den Prozess
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