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Schönheit zählt nicht – aber die inneren Werte

Retrofit: Neue Steuerung für robuste Roboter
Schönheit zählt nicht – aber die inneren Werte

Obwohl Manutec-Roboter seit rund 15 Jahren nicht mehr gebaut werden, taugen die betagten Automaten heute für neue Anlagen. Das Mechanik Centrum Erlangen überholt die Mechanik, und Spezialisten von MZ Robolab möbeln sie mit einer neuen Steuerung auf.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann – birgit.oppermann@konradin.de

Ein paar Schrammen im Lack tun der Freude keinen Abbruch: Einen bewährten Manutec-Roboter muss kein Unternehmen mit 15 Jahren in Rente schicken. Mit neuen Lagern, Kabelbäumen sowie einer Steuerung nach heutigem Stand ist er internetfähig und fit für die nächsten Jahre.
„Den Retrofit-Gedanken greifen vor allem viele kleinere Unternehmen auf – über zwei Drittel der Anfragen, die wir bearbeiten, kommen aus diesem Bereich“, berichtet Bernd Vater von der Mechanik Centrum Erlangen GmbH, wo die mechanischen Teile der Automaten überholt werden. Eine Reihe von Vorteilen machen diesen Ansatz interessant:
– Der Betrieb kann eine bewährte und vertraute Anlage weiter nutzen und sogar verbessern.
– Die Kosten für den Retrofit sollen 20 bis 40 % unter den Kosten für einen neuen Roboter mit ähnlichem Gewicht liegen.
– Auch wenn die Anlage vernetzt werden soll, kann der alte Roboter bleiben – und Spezialisten passen die neue Steuerung so an, dass der Mitarbeiter die bekannten Befehle wiederfindet.
Den Retrofit-Service der Erlangener Siemens-Tochtergesellschaft gibt es schon seit 1997, und er wird kontinuierlich genutzt. Wie viele Manutec-Roboter heute noch im Einsatz sind, ist laut Vater schwer zu schätzen – über den Daumen mögen es um die 1500 sein. „Es gibt einen lebhaften Gebrauchtmarkt“, hat er beobachtet, „weil die Mechanik noch so gut funktioniert.“ Vergleichstests eines Kunden hätten sogar ergeben, dass die alten Geräte erheblich steifer konstruiert und daher für das Fräsen und Entgraten besser geeignet seien als heutige Neugeräte. Eingesetzt werden die Veteranen vor allem in der Automobil- und der Kunststoffindustrie zum Kleben, Schweißen und Lackieren.
Der begrenzende Faktor sei allerdings in manchen Fällen die RCM-Steuerung, die die Roboter für ihr erstes Leben mitbekommen haben. Für diese Steuerungen bietet der Hersteller Siemens keine Nachfolgeprodukte an. Und weil sich die Elektronik so schnell weiterentwickelt hat, können die alten Steuerungen in modernen Anlagen nicht mithalten.
Abhilfe schafft die in Bonn-Rheinbach ansässige MZ Robotics Laboratory GmbH, kurz MZ Robolab, die1999 als Spin-off der Bonner Hochschule von zwei Uni-Absolventen gegründet wurde. Sie wollen den Anwendern das Programmieren erleichtern und haben eine universelle Steuerung – Robolab Control System RCS 1 – entwickelt. Sie eignet sich für Roboter verschiedener Marken wie Manutec, Stäubli oder auch Puma. Weil die RCS 1 als Nachfolger der Siemens-Steuerung RCM anerkannt ist, arbeiten die Bonner und die Erlangener beim Retrofit-Programm für die Manutec-Roboter eng zusammen.
„Die alten Programme können wir einfach in die neue Steuerung übernehmen – und weil wir nicht neu programmieren müssen, lohnt sich der Retrofit sogar für ein Unternehmen, das nur einen einzigen Roboter modernisieren möchte“, erläutert MZ Robolab-Geschäftsführer Dr. Rüdiger Maaß.
In solchen Fällen muss sich der Bediener nur an das neue Eingabegerät, nämlich Tastatur und Bildschirm, gewöhnen. Namen und Inhalte der Kommandos bleiben erhalten. Für den Betreiber heißt das, dass er den Aufwand für langwierige Schulungen seiner Mitarbeiter spart. Ein Wechsel findet lediglich im Steuerschrank statt. „Wir bauen dort einen steckerkompatiblen Industrie-PC ein“, sagt Maaß.
Aber auch aufwendigere Anpassungen sind möglich. Die Manutec-Roboter können neue Funktionen übernehmen, wenn zusätzliche Sensorik installiert wird. Statt das Werkzeug über die Robotergelenke zu positionieren und mit dem Fräsen zu beginnen, sobald die vorgegebene Stelle erreicht ist, ermöglicht ein Kraft-Sensor, die Oberfläche des Werkstückes zu ertasten. Wenn der Automat die Kräfte beim Bearbeiten berücksichtigt, lassen sich laut Maaß beim Entgraten bessere Ergebnisse erzielen. „Auf diese Weise kann man die alte Anlage nicht nur weiter betreiben, sondern sogar verbessern“, lobt der Geschäftsführer.
Der Einsatz der RCS 1-Steuerung ist nicht auf Manutec-Roboter beschränkt. „Für Roboter anderer Hersteller müssen wir allerdings neue Programme schreiben“, sagt Maaß. Dieser Aufwand rechne sich, wenn eine ganze Anlage umgestellt werden soll. Und es gebe eine Reihe von Robotern verschiedener Hersteller, die mit der alten Steuerung ausgestattet sind und umgerüstet werden müssen, wenn die Betreiber auch weiterhin Support wünschten.
Der sensible Typ ist heute gefragt
Das Retrofit-Programm ist nur ein Standbein der Bonner MZ Robotics Laboratory GmbH. Darüber hinaus entwickelt das Start-up-Unternehmen neue Steuerungen.
Die Gründer und Mitarbeiter von MZ Robolab haben eine Vision: Sie wollen Sensoren in Roboter integrieren und den Automaten die Fähigkeit verleihen, ihre Umwelt wahrzunehmen. Diese Idee haben die Geschäftsführer Dr. Volker Zahn und Dr. Rüdiger Maaß 1999 schon von der Hochschule mitgebracht. Inzwischen haben sie ihre Produkte zur Marktreife entwickelt. Dazu gehören
– eine Basissteuerung, mit der sich die Bewegung der Roboter einfach planen lassen soll,
– Kommunikation über Internet, SPS oder Bus-Systeme, so dass auch eine Fernwartung möglich ist
– Optionen für optische oder Kraft-Sensoren sowie Bildverarbeitung,
– die Möglichkeit zum Offline-Programmieren sowie
– eine grafische Benutzerschnittstelle.
Als Neuheit heben die Bonner ihre Hartkontakt-Kraftregelung hervor, die durch das Zusatzmodul Robolab Sensing System (RSS1) integriert werden kann. Sie soll den Roboter feinfühlig machen, so dass er beliebige Objektoberflächen stabil kontaktieren kann und sich auch von Werkzeugvibrationen nicht irritieren lässt. Die Kontaktkräfte kann der Anwender über vier Größenordnungen einstellen und so das Bearbeitungsergebnis verbessern.
Weil das Steuerungssystem offen ist, haben sich nach Auskunft der Bonner bereits eine Reihe von Interessenten gemeldet, die das System weiterentwickeln oder Spezialanwendungen umsetzen wollen.
Industrieanzeiger
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