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„Unsere Technik läuft stabil, jetzt müssen die Anlagenbauer nachziehen“

Robotik
„Unsere Technik läuft stabil, jetzt müssen die Anlagenbauer nachziehen“

„Unsere Technik läuft stabil, jetzt müssen die Anlagenbauer nachziehen“
Peter Klüger, zuständig für das strategische Produktmanagement im Bereich Automotive bei Kuka: (Bild: Industrieanzeiger): „Roboter werden in Zukunft keine Einzelkämpfer mit steuerungstechnischen Scheuklappen mehr sein.“
Nach einer vierjährigen Entwicklungs- und Testphase will der Augsburger Hersteller Kuka den Robotermarkt und damit die industriellen Prozesse umkrempeln. Kooperierende Roboter sollen künftig die Anlagenplaner entlasten und die Kosten in der Produktion senken. Das Motto lautet: Der Prozess kommt nicht mehr zum Bauteil, sondern das Bauteil kommt zum Prozess.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

Herr Klüger, auf der letzten Fachmesse Automatica in München waren die kooperierenden Roboter das zentrale Thema auf dem Kuka-Stand. Ihr Marketingname für diese neue Technik lautet Roboteam. Was verbirgt sich dahinter?
Roboter werden in Zukunft keine Einzelkämpfer mit steuerungstechnischen Scheuklappen mehr sein, sondern im Prozess zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Dadurch können die Anlagenplaner ihre Prozesse absolut frei und flexibel planen und gestalten.
Woher kam der Anstoß für die Entwicklung ?
Aus der Automobilindustrie – und zwar flächendeckend, nicht nur von einem Hersteller. Die Forderung war, dass auf einer Linie unterschiedliche Modelle gefahren werden können. Das setzt natürlich voraus, dass wir mit unseren Robotern flexible Prozesse realisieren.
Was verspricht sich der Anwender davon?
Verkürztes Engineering und niedrigere Produktionskosten bei hoher Modellflexibilität.
Nun arbeiten Roboter nicht erst seit gestern zusammen, zum Beispiel beim Schutzgas-Schweißen. Was ist das Neue an Roboteam?
Im Gegensatz zu unserem Wettbewerb behält bei unserem Konzept jeder Roboter seine Standard-Steuerung. Diese verbinden wir mit einem schnellen Netzwerk auf Ethernet-Basis. Auf diese Weise können die vernetzten Roboter miteinander kommunizieren und sich gegenseitig synchronisieren.
Wie macht es die Konkurrenz?
Unsere Wettbewerber vernetzen jeweils vier Roboter mit einer Steuerung und können daher nur mit unflexiblen Vierergruppen arbeiten.
Warum geht der Wettbewerb diesen Weg?
Weil er einfacher ist. Es werden vier Bewegungen auf einem Prozessor gerechnet. Wir haben vier diskrete Steuerungen, die ständig Daten austauschen. Beim Wettbewerb fällt dieser Kommunikationsaufwand weg.
Mit dem Nachteil, dass die Systemgrenze bei vier liegt.
So ist es. Und wenn mehr Roboter gebraucht werden, müssen Viererblöcke miteinander kombiniert werden, und der ursprüngliche Vorteil ist verloren. Dann macht der Wettbewerb im Prinzip das Gleiche wie wir, nur dass wir es granularer realisieren. Das ist unser Joker, und davon profitiert der Anlagenplaner.
Wie groß kann Ihr Roboteam werden?
Derzeit können wir 15 Roboter miteinander kooperieren lassen. Diese Grenze ist aber temporär. In zwei Jahren werden beliebig viele Roboter zusammenarbeiten können.
In welchen Anwendungen werden denn mehr als 15 kooperierende Roboter gebraucht?
Das ist vor allem in längeren Fertigungslinien ein Thema. Die Linie ist in Fertigungszellen aufgeteilt, in jeder Zelle sind vier oder fünf Prozessroboter aktiv. Zwischen den Zellen steht ein Transferroboter, der das Teil aus der einen Zelle herausnimmt und zur nächsten Zelle bewegt. In dieser Zeit passiert mit dem Werkstück nichts. Das ist der Nachteil, denn Transport ist keine Wertschöpfung. Mit kooperierenden Robotern sieht das anders aus: Während der Handlingsroboter das Teil aufnimmt, wird es in Zelle A von den Prozessrobotern noch bearbeitet. Und noch während der Übergabe setzen die Roboter in Zelle B die Bearbeitung fort. Das setzt voraus, dass alle Roboter miteinander kooperieren. Wenn diese Kette sehr lang wird, brauchen sie sehr viele kooperierende Roboter.
Ihre Beschreibung klingt einleuchtend. Wie sieht es in der Praxis aus?
Wir haben derzeit rund 100 kooperierende Roboter im Feld. Die Technik ist stabil. Aber sie setzt auch vollkommen neue Anlagen-Layouts voraus. Kuka hat die technische Basis gelegt, jetzt müssen die Ideen der Anlagenplaner kommen. Die müssen sich fragen: Wie kann ich diese Funktionalität sinnvoll nutzen? Am Anfang war eine große Zurückhaltung beim klassischen Anlagenbau zu beobachten. Mittlerweile machen die Autobauer Druck, denn die haben das Potenzial erkannt.
Wie lange ist Kuka an dem Thema dran?
Seit über vier Jahren. Dabei haben wir uns eine Konzeptphase von einem Jahr gegönnt. Danach folgten zwei Jahre Entwicklung und eine einjährige Testphase. Zur Automatica im letzen Jahr sind wir damit an die Öffentlichkeit getreten.
Die Exponate waren zwar beeindruckend, aber doch eher Spielerei. Wo liegen die Vorteile in der industriellen Anwendung?
Kooperierende Roboter werden den industriellen Prozess umkrempeln. Um ein Beispiel zu nennen: Bislang war das Werkstück beispielsweise auf einem Wendepositionierer eingespannt und der Roboter hat geschweißt. Da man nur eine Drehachse hat, gab es erhebliche Zugänglichkeitsprobleme für den Schweißroboter. Um die Rückseite des Teils bearbeiten zu können, musste es herausgenommen, umgedreht und neu eingespannt werden.
Das ist jetzt Vergangenheit.
Allerdings. Mit Roboteam hält ein Roboter das Bauteil und kann es frei bewegen. Da alle Freiheitsgrade zur Verfügung stehen, lassen sich auch alle Nähte auf einmal schweißen. Und wenn der Prozessroboter irgendwo nicht hinkommt, dann kommt eben das Teil zu ihm. Das erfordert ein neues Denken: Bisher kam der Roboter zum Bauteil mit all den bekannten Nachteilen wie Reichweite, Bauteillage und so weiter. Wir machen es genau anders herum: Das Bauteil kommt zum Roboter und zwar so, wie es der Prozess braucht.
Wo sehen Sie noch Einsatzmöglichkeiten der neuen Technik?
Da gibt es viele, zum Beispiel das Tragen von großen Lasten mit Standardrobotern. Große Karosserien wiegen oft 700 kg, und dann kommt noch das Gewicht des Greifers dazu. Unser größtes Modell hat eine maximale Traglast von 500 kg. Was tun? Ganz einfach: Wir nehmen zwei von denen und lassen sie miteinander kooperieren.
Sehr schön. Aber wie sieht es mit der Programmierung von kooperierenden Robotern aus? Ist da der Werker nicht überfordert?
Das wäre er zweifellos, hätten wir nicht ein entsprechendes Bediengerät speziell für Roboteam entwickelt. Der Werker kann mit einer 6D-Maus einen Roboter wie gewohnt programmieren. Er kann aber auch mehrere Roboter anwählen und diese dann synchron bewegen. Das heißt: Der Programmierer kümmert sich nicht mehr um die einzelnen Roboterbahnen, das könnte er gar nicht. Er konzentriert sich ausschließlich auf das Bauteil, das er bewegen will. Die Programmierung der zugehörigen Roboterbahnen erfolgt automatisch.
Man merkt, Sie haben sich ein Jahr Zeit für das Konzept genommen.
Wir haben uns noch ganz andere Sachen überlegt. Unser Ziel ist die autarke Robotergruppe, die ihre Arbeitsbereiche selbst verwaltet und die Ablaufsynchronisation organisiert. Das sind die klassischen Aufgaben der SPS und die soll in den nächsten zwei Jahren in den Roboter wandern.
Haben Sie noch weitere Überraschungen auf Lager?
Im Moment ist die Lücke zwischen der SAP-Ebene und den Robotern noch relativ groß. Dort sind ja bekanntlich die MES-Systeme angesiedelt. Wir planen langfristig den direkten Anschluss der Roboter an SAP – ohne MES.
Und was sagen die MES-Hersteller dazu?
Sie lächeln. Aber als wir vor vier Jahren gesagt haben, wir bauen kooperierende Roboter mit diskreten Steuerungen, hat man auch gelächelt.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 7
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