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Werker wird zum Herkules

Der Roboter als universelles Montagewerkzeug
Werker wird zum Herkules

Im Rahmen eines EU-Projekts untersuchen Forscher des Instituts für mechatronische Systeme (IMS) an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Möglichkeit, wie Menschen mit der Unterstützung von einem Roboter große Teile montieren können. Mit ihrer Lösung landeten die Eidgenossen auf Platz 3.

Im Versuchslabor des IMS steht der Rumpf eines Flugzeugs, Typ PC-12, der Pilatus Flugzeugwerke AG. Davor balanciert ein Roboter einen Teil der Seitenwand, die passgenau an den Rumpf genietet werden soll. Das Besondere daran: Der Kollege aus Stahl fährt das Teil nicht nach einer fest programmierten Bahn an die richtige Position, sondern wird vom Monteur geführt. Es handelt sich also um eine vorrichtungslose Flugzeugmontage, bei der Mensch und Roboter zusammenarbeiten. „Mit dem gleichen Roboter kann man verschiedene Aufgaben lösen ohne viel programmieren zu müssen“, erklärt Richard Hüppi, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter das Experiment JILAS (Jig-Less Airplane Assembly) leitet. „Die Anlage lässt sich später auch für kleine Serien nutzen.“

Bei dieser Mensch-Maschine-Kooperation übernimmt der Roboter das Tragen des schweren und unhandlichen Teils und positioniert es exakt. Der Rest bleibt dem Menschen überlassen. Vorne am Roboterarm ist ein Kraftsensor installiert, der die auftretenden Kräfte misst. Drückt der Monteur das Teil beispielsweise nach oben, wird dies über den Sensor erfasst und der Roboter fährt hoch. Auf diese Weise kann die Seitenwand intuitiv und ohne Kraftaufwand im Raum bewegt und in eine beliebige Position nahe am Rumpf gebracht werden.
Kernkomponenten der Anlage sind ein sicherer, kraftgeregelter Industrieroboter KR210–2 von Kuka und ein Laser Tracker AT-901 von Leica Geosystems. Mit dem optischen Messgerät werden Punkte am Flugzeugrumpf und entsprechende Punkte an der Seitenwand lokalisiert, die sich später überdecken sollen. Anhand dieser Daten positioniert der Roboter die Wand definitiv. Bei diesem letzten Schritt kann es passieren, dass der Roboter den direkten Weg wählt und dabei auf ein Hindernis stößt. In diesem Fall kann der Mensch während der Fahrt eingreifen und den Roboter über das Hindernis bewegen. Danach setzt die Maschine die Fahrt automatisch fort und bringt das Teil mit einer Genauigkeit unter einem Millimeter an die vorgesehene Position. Die Montage wird dadurch erheblich vereinfacht, denn normal wird eine solche Aufgabe von mehreren Monteuren mit einem Kran erledigt. Hinter der Robotersteuerung stecken einige technische Finessen. „Wenn das Teil zum Beispiel gedreht wird, verschiebt sich der Schwerpunkt“, erklärt Hüppi. „Lässt der Monteur wieder los, wirkt noch immer eine Kraft auf den Sensor und der Roboter dreht einfach weiter.“ Die Steuerung muss also den Schwerpunkt errechnen und diese Kräfte entsprechend kompensieren, damit der Roboter das Teil genau so bewegt, wie der Mensch es vorgibt.
„Es ist schon speziell, dass der Werker sich so nah am Roboter aufhalten kann, während der sich bewegt“, so Hüppi. Bei gängigen Montageprozessen befinden sich die mechanischen Helfer meist hinter Gittern und schalten sofort aus, sobald ein Mensch den Gefahrenbereich betritt. Für das Experiment JILAS wurde ein sicherer Roboter eingesetzt, der erst seit einigen Jahren verfügbar ist. Dabei wird mit zwei unabhängigen Rechnern in Echtzeit die Geschwindigkeit am Werkzeugkopf errechnet und verglichen. Sobald ein festgelegter Grenzwert überschritten wird, in diesem Fall 25 cm/s, schaltet die Maschine ab. Laut Hüppi ist das derzeit die einzige sichere und somit auch legale Möglichkeit, im vollen Betrieb neben dem Roboter zu stehen und direkt in den Bewegungsablauf einzugreifen. „Das Konzept existiert schon länger“, ergänzt Hüppi. „Wir wollten es an einem realen Objekt mit einer realen Aufgabenstellung ausprobieren.“
Entstanden ist die Idee, als das IMS für Pilatus in einem Projekt die Machbarkeit verschiedener Prozessautomatisierungen im Flugzeugbau untersuchte. „Unser formuliertes Experiment fand Anklang, weil mit Pilatus ein interessierter Industriepartner dabei war“, sagt Hüppi. Das Budget lag bei rund 300 000 Euro. Damit wurde der Roboter angeschafft und Stellen für Forscher über einen Zeitraum von 18 Monaten finanziert. Pilatus stellte einen Flugzeugrumpf zur Verfügung. Der Versuchsaufbau wurde inzwischen auf einer Messe gezeigt und stieß auf großes Interesse. Dennoch ist der Schritt vom Labor in die Industrie schwierig. Hüppi sieht zwei Möglichkeiten: „Entweder macht sich jemand aus dem Team selbständig und gründet mit dieser Idee eine Firma, oder wir geben die Anlage an einen Systemintegrator weiter.“ Derzeit steht sie im Versuchslabor und wird für weitere Projekte verwendet. Für Hüppi hat die Idee zweifellos eine Zukunft: „Erstens lassen sich Arbeitskräfte einsparen und zweitens werden die Monteure entlastet, weil das Handling der schweren Teile ein Roboter übernimmt.“
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