Startseite » Allgemein »

„Die Prozesskosten übersteigen die Teilekosten um ein Vielfaches“

Kostentreiber Rohstoffe, Transport und Energie
„Die Prozesskosten übersteigen die Teilekosten um ein Vielfaches“

Der Einkauf bietet noch viel Einsparpotenzial, aber das Gros ließe sich durch Konstruktionsverbesserungen und Energiesparen verwirklichen, findet Duran Sarikaya, Geschäftsführer des Beratungshauses Kloepfel Consulting.

Wo sehen Sie die größten Kostentreiber in den nächsten fünf Jahren?

Zum einen werden die Rohstoffe knapp und damit teurer, aber auch die Kosten für Transport, Logistik und Energie werden steigen. Durch das Wirtschaftswachstum gibt es heute bereits Kapazitätsengpässe, die durch das Bevölkerungswachstum noch verstärkt werden. Vor zehn Jahren gab es fünf Milliarden Menschen, heute sind es bereits sieben. Das führt zu einer generellen Verknappung von allgemeinen Ressourcen.
Wie können Unternehmen den steigenden Rohstoffpreisen begegnen?
Ich empfehle langfristige Rahmenverträge direkt mit den Herstellern und Werken inklusive einer Preiskopplung. Außerdem sollten die Einkäufer nach Substituten suchen beziehungsweise die Entwickler alternative Konstruktionsmöglichkeiten erproben.
Können Sie ein Beispiel geben?
Wenn zum Beispiel ein Rohr für eine Maschine eine Wandstärke von 10 mm besitzt und 5 kg wiegt, könnte man prüfen, ob eine Reduzierung auf 5 mm und 3 kg ohne Funktionsverlust möglich ist. Auch bei den Werkstoffen können Konstruktionsverbesserungen Kosten einsparen. Wenn zum Beispiel ein Metallstück Verätzungen ausgesetzt ist, reicht es schon, an der entsprechenden Stelle Naturkautschuk zu verwenden. Die Entwickler sollten ihre generelle Werkstoffauswahl überdenken.
Wie viel Spielraum besteht noch bei den Lieferantenpreisen (Verhandlungen)?
Bei 80 Prozent der Lieferanten ist unerwartet viel Spielraum: Bezogen auf ein optimierbares Volumen können die Einsparungen zwischen fünf und 15 Prozent betragen. Bei Einkäufen von 25 Millionen Euro pro Jahr lässt sich daher auch ohne Lieferantenwechsel viel Geld einsparen.
Aber auf die Transport- und Logistikkosten haben die Unternehmen keinen Einfluss.
Das nicht, aber es hilft schon, transparente, einheitliche Tariftabellen zu erstellen und die Frachten zu optimieren. Mittelfristig muss man sich fragen, ob man einen Teile-Tourismus durch die Welt betreibt oder sie dort einkauft, wo das Endprodukt verkauft wird. Wenn beispielsweise eine Anlage in Indien erstellt werden soll, ist es sinnvoll, lokalen Content einzukaufen.
Sollte man also generell ein Sourcing im Ausland aufbauen?
Nicht unbedingt. Wir haben hier eine konkurrierende Situation von Material, Energie und Arbeit. Wenn etwa ein Produkt zu 70 Prozent aus Arbeit und Energie und nur zu 30 Prozent Material besteht, sollte es im Ausland gefertigt werden.
Trifft das auch auf die extrem energieintensive Aluminiumproduktion zu?
Nein, hier eignet sich Deutschland besser, sonst hätten die Hersteller enorme Logistikkosten. Es wäre viel zu teuer, die großen, leichten Alu-Profile zu transportieren. Außerdem wollen Automobilzulieferer täglich beliefert werden. Davon abgesehen darf man nicht vergessen, dass Outsourcing nur kurzfristig etwas bringt. Gerade die Maschinenbauunternehmen haben ihr Wissen jahrelang kostenlos ausgelagert und die Konkurrenz im Ausland gefördert.
Welche Auswirkungen hat die Energiewende auf die Einkaufskosten?
Die Auswirkungen sind noch nicht spürbar, aber die Unternehmen gehen davon aus, dass Energie eher teurer wird. Aber es geht bei den Energiekosten nicht nur um den Preis. Noch werden viele Ressourcen verschwendet. Bei 80 Prozent der Unternehmen könnten die Energiekosten um mehr als 30 Prozent reduziert werden. Das heißt: Die höheren Energiepreise ließen sich problemlos ausgleichen. Firmen mit Flachdächern könnten Photovoltaik nutzen und für energieintensive Produktionsprozesse ein eigenes Blockheizkraftwerk betreiben. Das bedeutet eine Zusatzinvestition, aber es stehen auch Fördermittel bereit, die bisher aber kaum in Anspruch genommen werden. Die Bereitschaft zu neuen Energiekonzepten entsteht aber erst, wenn die Energiepreise steigen.
Welchen Anteil haben die Personalkosten?
Auch hier ließe sich einiges einsparen: Das Personal ist zu 20 Prozent mit Zeitvernichtung beschäftigt. Eine Schraube zu 1 Euro kostet 1,10 Euro, wenn ein C-Teile-Manager sie bestellt. Inklusive der Prozesse, die im Hintergrund ablaufen, kann die Schraube am Ende 70 Euro kosten. Wenn ein Unternehmen 5000 Bestellungen pro Jahr abwickelt, wird das sehr teuer. Besser ist ein Kanban-System, das über ein Barcode-Verfahren immer die optimale Menge an Teilen vorhält und dafür sorgt, dass das Lager nicht zu voll ist, damit es nicht abgeschrieben werden muss.
Welche strategische, organisatorische und technische Maßnahmen sind geeignet, Einsparpotenziale auszuschöpfen?
Leider ist der Einkauf oft kein strategisches Thema, dabei könnte man damit viel Ruhe und Transparenz in die Abläufe bringen. Doch die Unternehmen scheuen sich, da die Einführung einer Einkaufsstrategie anfangs aufwändig ist.
In welchen Bereichen machen Einkäufer die größten und teuersten Fehler?
Viele Einkäufer sind betriebsblind geworden und entscheiden schnell und subjektiv. Dann fragen sie nur noch zwei bis drei Lieferanten an und nehmen kein Benchmark vor. Sie sehen sich selbst als reine Beschaffer, untersuchen nicht regelmäßig die Gemeinkosten und sind in 80 Prozent der Fälle zu weit vom Produkt entfernt. Sie sind in der Regel kaufmännisch ausgebildet, beim Einkauf geht es geht aber um technisches Wissen. Trotz der vielen Defizite investieren Unternehmen eher in Vertriebs- als in Einkaufsschulungen.
Was schlagen Sie vor?
Das Abteilungsdenken muss weg, man braucht eine cross-funktionale Einheit, die bereits eingreift, wenn das Produkt in der Entstehung ist. Aus diesem Grund braucht man in dieser Position Wirtschaftsingenieure oder Einkäufer mit einem fundierten technischen Background. Organisatorisch ist es schwer, alle an einen Tisch zu bringen. Manche Unternehmen pflegen eine offene Kultur, aber meistens sitzt der Einkauf in der zweiten Reihe und hat bei Produktentwicklung nichts zu sagen.
Das Gespräch führte Kirsten Seegmüller
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de