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Quo vadis, Produktion?

Produktion in Deutschland am Scheideweg (Teil 1)
Quo vadis, Produktion?

Fabrikplanung | An einem Hochlohnstandort wie Deutschland verliert die Produktion als interessantes Geschäftsfeld zunehmend an Bedeutung. Ein margen- und kostenorientiertes Umdenken ist erforderlich, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen und so die Produktion wieder zu stärken.

Dr.-Ing. Peter Burggräf Dipl.-Wirt.-Ing. Moritz Krunke Dipl.-Wirt.-Ing. Matthias Backs WZL der RWTH Aachen

Eine starke Produktion bildet eine wesentliche Säule für den wirtschaftlichen Erfolg und die Stabilität einer Volkswirtschaft. Sie schafft Arbeitsplätze und Sicherheit gegen Krisen. So konnte sich Deutschland von den Folgen der Finanzkrise schneller erholen als andere Länder, deren Volkswirtschaften eher dienstleistungsorientiert ausgerichtet sind.
Dennoch hat der Dienstleistungssektor die Produktion in Deutschland längst als wichtigste Säule der Volkswirtschaft abgelöst und gewinnt weiter an Bedeutung. Selbst in China – häufig als „Fabrik der Welt“ bezeichnet – hat die Produktion ihre Position als wichtigster Bestandteil des Bruttoinlandsprodukts verloren.
Wie kam es zu dieser Entwicklung? In unserer Gesellschaft herrscht eine nie da gewesene Dynamik. Kundenwünsche ändern sich rasant und neue Technologien revolutionieren die Möglichkeiten, wie Produkte gefertigt werden. Als produzierendes Unternehmen in diesem Umfeld Schritt zu halten, ist eine große Herausforderung. Zudem wandelt sich die Art und Weise, wie sich Menschen verwirklichen. Statt dem eigenen Automobil als Statussymbol geht der Trend heute zu Car-Sharing-Modellen, der Markt für physische Produkte stagniert.
Andererseits gewinnt die virtuelle Welt als großer Wachstumsmarkt an Bedeutung und weckt das Interesse von Investoren. Vergleicht man etwa den Wert des Taxi-Unternehmens Uber mit verschiedenen Autoherstellern, wird deutlich, dass Ubers Marktkapitalisierung mit circa 35 Mrd. Euro größer ist als die von PSA Peugeot Citröen mit rund 30 Mrd. Euro. Real produzierende Unternehmen sehen sich somit im Kampf um Kunden und Investoren einem immer stärkeren virtuellen Konkurrenten gegenüber.
Auch innerhalb der Produktion herrscht ein starker Konkurrenzkampf. Früher stellte die Umsetzung einer Idee in ein physisches Produkt ein Hindernis dar, das produktionstechnische Innovation und Kompetenz erforderte. Dieses zu überwinden, war ein Alleinstellungsmerkmal. Heute sieht sich die Produktion einer Kommoditisierung gegenüber (siehe Chart): vielen Wettbewerbern mit ähnlichen Kompetenzen und dem Preis als alleiniges Entscheidungskriterium des Marktes. Zudem eröffnen neuartige Technologien wie der 3D-Druck neue Möglichkeiten, einfach und schnell zu produzieren.
Der Markt ist darüber hinaus geprägt von Dienstleistern, die eine Produktion kostengünstig übernehmen können – etwa das asiatische Unternehmen Foxconn, das vor allem für Apple, Intel und HP produziert. Doch trotz seiner Größe und Marktmacht befindet sich Foxconn in einem harten Wettbewerb. Dies äußert sich darin, dass seine Marge im Jahr 2011 bei rund 1,5 % lag. Apples Marge hingegen lag durch geschicktes Positionieren und Vermarkten seiner Produkte im selben Jahr bei circa 30%.
Diese Beispiele zeigen: Die Produktion bewegt sich in einem schwierigen Umfeld und stellt kein attraktives Geschäftsfeld dar. Junge Menschen begeistern sich immer weniger dafür, worin eine Ursache für den Fachkräftemangel gesehen wird. Ohne qualifizierte Mitarbeiter bleiben jedoch Innovationen aus, die die Margen in der Produktion steigern, wodurch sie wiederum unattraktiver wird. Die Produktion befindet sich somit in einem Teufelskreis und es muss die Frage gestellt werden, ob sie in Zukunft, vor allem an einem Hochlohnstandort wie Deutschland, überhaupt noch ein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell darstellt.
Neue Wege beschreiten – den Teufelskreis durchbrechen
Mit Blick auf die gesellschaftliche Relevanz, vor allem aufgrund der großen Anzahl an Arbeitsplätzen in der Produktion, lohnt es jedoch nach Wegen zu suchen, die Produktion wieder zu einem interessanten Geschäftsfeld zu entwickeln. Hierzu müssen jedoch neue Wege beschritten werden.
Doch wie sieht die Fabrik der Zukunft aus? Um die Marge zu steigern, existieren die beiden Ansatzpunkte Umsatz und Kosten, wobei die Kostenseite unmittelbar vom Unternehmen beeinflusst werden kann. Kosten stehen somit im Mittelpunkt der Diskussion einer margenfähigen Produktion. Deutsche Fabriken stehen derzeit vor allem für High-Tech und Wandlungsfähigkeit. Das Pendel muss vor diesem Hintergrund also von einer hochtechnologisierten Produktionsstätte hin zu einer auf Kosteneffizienz ausgerichteten Fabrik der Zukunft schwingen (siehe Chart).
Dieses Umdenken muss bereits in der Planung der Fabrik beginnen. Alle Aktivitäten werden am „Return on Planning“ ausgerichtet. Mit diesem Maß lassen sich die Maßnahmen hinsichtlich Kosten und Nutzen systematisch bewerten. Weiterhin werden klassische, phasenorientierte Ansätze in der Planung durch eine modulare Planung abgelöst. Diese Form der Planung lässt die Abhängigkeiten in einem hochkomplexen Fabrikplanungsprojekt transparent werden und ermöglicht in Kombination mit agilen Projektmanagementansätzen eine effiziente parallele Planung in den verschiedenen Gewerken.
Die deutsche Industrie ist bekannt für ihre Innovationskraft, auch in der Produktionstechnik. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Margenbefähigung. Häufig werden die Innovationen jedoch nur punktuell eingesetzt und nutzen nicht ihr volles Potenzial. Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Kostensenkung ist es daher, bewährte Ansätze flächendeckend umzusetzen.
Ein Beispiel ist die integrierte Produkt- und Prozessentwicklung. So zeigen Untersuchungen, dass Schweißarbeiten durch eine lasergerechte Konstruktion der Bauteile in Deutschland günstiger ausgeführt werden können als in China. Im nächsten Schritt ist der Ansatz der integrierten Entwicklung auf die Fabrik zu erweitern und ihre Leistungsfähigkeit ebenso wie die Leistungsfähigkeit der Prozesse eng in die Produktentwicklung mit einzubeziehen.
In diesem Zusammenhang spielt der Einsatz modularer Fabrikstandards eine wichtige Rolle. Mit ihnen lässt sich die Fabrik schnell und effizient planen und realisieren, was zudem die Wandlungsfähigkeit und Lebensdauer erhöht. Eine Befragung des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen unter Fabrikplanungsexperten hat ergeben, dass sich allein durch den intelligenten Einsatz von Fabrikstandards die Gesamtprojektkosten um 16 % und der Zeitbedarf sogar um 23 % reduzieren lassen.
Aber auch High-Tech-Lösungen der Industrie 4.0 können dazu beitragen, die Kosten in der Produktion zu senken. Ein Beispiel bietet die Berechnung dynamisch optimierter Logistikrouten für Routenzüge. So werden auf Basis der Rückmeldedaten aus der Produktion optimierte Routen und Abfahrtszeitpunkte berechnet. Ein mittelständischer Motorenhersteller hat durch diese Maßnahme seinen Logistikaufwand fast halbiert. •

Veranstaltung zum Thema
Möchten Sie mehr zum Thema erfahren? Der Kongress „Exzellente Fabriken planen+bauen“ am 29./30. September 2015 präsentiert innovative Lösungen, um eine wirtschaftlich attraktive Produktion zu realisieren. Weitere Infos unter www.exzellente-fabriken.de oder am WZL von Matthias Backs (Tel. 0241/8027724).

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