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Rede von Dr. Thomas Lindner

VDMA Pressekonferenz
Rede von Dr. Thomas Lindner

Rede von Dr. Thomas Lindner
Seit dem 8. Oktober 2010 ist Dr. Thomas Lindner der neuePräsident des VDMA. Bild: VDMA
Im Rahmen der VDMA-Pressekonferenz am 2. November 2010 in Frankfurt am Main äußerte sich Dr. Thomas Lindner, Präsident des VDMA, unter anderem zur aktuellen Lage der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sowie zur deutschen Finanz- und Bildungspolitik:

Guten Morgen meine Damen und Herren, Danke für Ihr Kommen und Ihr Interesse am neuen Präsidenten des VDMA. Drei Jahre Amtszeit liegen vor mir. Und drei komplexe Themen treiben mich an:
  • Die Internationalisierung des Mittelstandes
  • Die deutsche Finanz- und Steuerpolitik
  • Und die deutsche Bildungspolitik
Außerdem möchte ich Ihnen heute die Ergebnisse der aktuellen Ingenieurerhebung des VDMA bekannt geben, die alle drei Jahre durchgeführt wird.
Doch zuallererst für Sie die Auftragseingangszahlen für den Monat September: Der Auftragseingang im deutschen Maschinen- und Anlagenbau lag im September 2010 um real 28 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahres. Das Inlandsgeschäft stieg um 33 Prozent. Bei der Auslandsnachfrage gab es ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahresniveau. In dem von kurzfristigen Schwankungen weniger beeinflussten Dreimonatsvergleich Juli bis September 2010 ergibt sich insgesamt ein Plus von 40 Prozent im Vorjahresvergleich, bei den Inlandsaufträgen ein Plus von 34 Prozent und bei den Auslandsaufträgen ein Plus von 43 Prozent.
Der Auftragseingang von Maschinen und Anlagen im September brachte abermals hohe Zuwächse im Vorjahresvergleich bei gleichzeitig leichtem Tempoverlust zu den Vormonaten. Die Investoren schalten offenbar in den Normalmodus. Meine Damen und Herren, bei solchen Auftragseingängen liegt natürlich schon die Frage in der Luft, was bedeutet das eigentlich für die Löhne. Sie werden nicht überrascht sein, dass der nächste Satz mit einem „aber“ beginnt: Aber so einfach ist es eben nicht. Denn:
  • Wir befinden uns in der Produktion zunächst einmal auf dem Niveau von Sommer 2006.
  • Wir haben eine extrem unterschiedliche Situation in den Branchen und auch in den einzelnen Unternehmen.
  • Wir sollten keinesfalls vergessen, dass der Tarifvertrag bis 2012 läuft.
Was Sie vielleicht jetzt überraschen wird ist, dass noch ein zweites „aber“ kommt. Aber die Art und Weise, wie der Maschinenbau diese extreme Krise überstanden hat, war nur durch ein außerordentliches Zusammenspiel zwischen den Betriebsräten, den Unternehmen, zwischen den Arbeitgeberverbänden und der IG Metall möglich.
Und deshalb halte ich es auch für völlig in Ordnung, wenn Unternehmen, die das Niveau von 2008 wieder erreicht haben, mit ihren Arbeitnehmern über betriebliche Lösungen sprechen. In vielen Unternehmen, die – so wie mein Haus – über Gewinnbeteiligungen verfügen, ist das relativ einfach. Ich denke aber, dass die anderen Unternehmen, soweit sie das alte Niveau tatsächlich wieder erreicht haben, in den meisten Fällen auch über Lösungen nachdenken werden. Aus der Krise lernen können wir alle: Die gemeinsame Bewältigung der Krise hat uns alle stärker gemacht.
Und das zeigt sich auch schon heute an dem Zuwachs auf inzwischen 909.000 feste Arbeitsplätze (Stand: August 2010). Das Tempo, mit dem dieser Zuwachs erfolgt, überrascht uns und bedeutet zumindest eines: Viele Maschinenbauer setzen auf einen stabilen Aufwärtstrend und damit auf die Zukunft. Der Zuwachs an Beschäftigung bringt aber auch neue Probleme mit, die bedauerlicherweise gleichzeitig auch die alten sind.
In diesem Sommer haben wir unsere Mitgliedsunternehmen erneut nach der Anzahl der beschäftigten Ingenieure und dem zukünftigen Bedarf gefragt. Sie finden eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Ingenieurerhebung in Ihrer Pressemappe. Einige wesentliche Punkte will ich herausgreifen:
  • Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau beschäftigte Ende April 2010 rund 167.500 Ingenieure. Das entspricht einem Anteil von 16,1 Prozent der Beschäftigten. Im Vergleich zum Jahr 2007 stieg die Zahl der Ingenieure um über 7.000. Und das trotz des konjunkturellen Einbruchs im Jahr 2009 und der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Wenn Sie genau nachrechnen – und ich weiß, dass einige von Ihnen das gerne machen – werden Sie auf eine statistische Inkonsistenz der Beschäftigtenzahlen stoßen. Das Rätsel ist relativ leicht auflösbar und kann bei Interesse nachher von Frau Dr. Krebs erklärt werden. Dies ändert aber nichts an den entscheidenden Botschaften:
  • Für die nächsten fünf Jahre rechnen 55 Prozent, also mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen, mit einer Zunahme der Ingenieure in ihrem Unternehmen.
  • Fast drei Viertel der Umfrageteilnehmer wollen in den nächsten Jahren Ingenieure für Forschung, Entwicklung und Konstruktion einstellen. In 58 Prozent der Fälle werden Ingenieure für Vertriebsaufgaben benötigt. Immerhin ein Fünftel wird Ingenieurstellen mit Aufgaben im Ausland zu besetzen haben.
  • Einen Bewerbermangel erwarten fast zwei Drittel der Unternehmen, die in den nächsten Jahren einen Bedarf an Ingenieuren haben. Unternehmen, die Ingenieure für eine Auslandstätigkeit suchen, befürchten sogar zu drei Vierteln, dass sich nicht genügend Bewerber für die Stelle finden.
Das Thema Ingenieurmangel wird uns auch in den kommenden Jahren massiv beschäftigen, und wir werden neue Initiativen und neue Strategien brauchen, um diesem Thema zu begegnen.
Denn, meine Damen und Herren, gerade der Mangel an Ingenieuren für Auslandstätigkeiten steht in direktem Gegensatz zu dem Thema der Internationalisierung des Mittelstandes, das ein entscheidendes Thema für die Zukunft des Maschinenbaus und der Industrie insgesamt sein wird. Dabei steht die Region Asien im besonderen Fokus. Rund 50 Prozent des Exportzuwachses des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus kam in den letzten Jahren aus dieser Region. In Zahlen bedeutet das einen Anstieg unserer Exporte nach Asien von 21,1 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 31,4 Milliarden Euro im Jahr 2008, um dann im Krisenjahr 2009 geringfügig auf 29,6 Milliarden Euro zurück zugehen. Von Januar bis August dieses Jahres sind die Exporte nach Asien wieder um über 19 Prozent gestiegen.
Spitzenreiter unseres Exportwachstums war China mit plus 26 Prozent von Januar bis August 2010. China ist damit seit 2008 unser TOP-Exportmarkt weltweit und gleichzeitig der Schlüsselmarkt in Asien. Man sollte aber bei aller China-Euphorie nicht die anderen asiatischen Märkte vergessen. So gibt es z.B. große Chancen in den ASEAN-Ländern, die kürzlich eine Freihandelszone mit China eingegangen sind. Und auch unser Indien-Geschäft wächst äußerst dynamisch. Ebenso hat sich Südkorea in Krisenzeiten als stabil erwiesen.
Die positiven Exportzahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die lokalen und internationalen Wettbewerber nicht schlafen. In der Region wächst eine eigene, leistungsfähige Maschinenbauindustrie heran, die auch von den deutschen Herstellern ernst genommen und genau beobachtet werden muss. Eine VDMA-Umfrage im Rahmen der Mitgliederversammlung am 8. Oktober 2010 in München zeigt, dass unsere Mitglieder ihre Aktivitäten in Asien verstärken wollen, insbesondere bei Vertrieb und Service. Aber auch bei der Produktion soll ausgebaut werden. Laut dieser Umfrage bleiben die F&EKapazitäten weitgehend in Deutschland. Größte Behinderungen im Asiengeschäft sind der Mangel an Management-Kapazitäten, IPR-(Intellectual property rights)-Verletzungen sowie bürokratische Hemmnisse im Zielmarkt.
Für den weiteren Ausbau des Asiengeschäfts braucht der deutsche Maschinenund Anlagenbau die Unterstützung der Politik. Nur sie kann die Rahmenbedingungen für ein Level-Playing-Field mit den internationalen Wettbewerbern setzen und damit zum Erhalt der industriellen Fertigung in Deutschland beitragen. Deshalb hat der VDMA Asienforderungen an die Politik formuliert. Unsere Kernforderungen sind:
  • Ausbau der Wissensbasis in Deutschland, um Asien noch besser zu verstehen. So untersuchen zurzeit nur wenige Wissenschaftler und Forscher die aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten in Indien, dem mit Abstand zweitwichtigsten Markt in Asien.
  • Wir fordern die wechselseitige Freiheit des Personenverkehrs zwischen Asien und Deutschland für Geschäftsleute und Ausbildungsmaßnahmen. Das berechtigte Interesse der Wirtschaft bei der Visapolitik muss berücksichtigt werden.
  • Wir fordern eine Überprüfung der deutschen Exportgenehmigungspolitik, insbesondere für China und Indien. Es kann nicht sein, dass durch politische offene Vorgaben monatelang über einer Genehmigung gebrütet wird, während der asiatische Wettbewerb bereits liefert.
  • Wir fordern konsequente Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums der deutschen Wirtschaft vor Produktpiraterie, insbesondere in China.
  • In der Handelspolitik muss die EU-Kommission stärker die Interessen der europäischen Hersteller in Asien vertreten. Das heißt konkret: Hauptziel der EU-Handelspolitik muss es sein, die Doha-Runde zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Bilaterale Freihandelsabkommen sollten nur mit großen, dynamischen Ländern wie Südkorea und Indien abgeschlossen werden.
Die ausführliche Fassung der Asienforderungen finden Sie in Ihrer Pressemappe.
Die Aktivitäten unserer Industrie in Asien und in den anderen großen Wirtschaftsräumen außerhalb Europas sind nicht unwesentlich abhängig vom Kurs des Euros. Sicher können wir Währungs-schwankungen in Grenzen kurzzeitig abfangen. Doch eines muss klar sein: Ein dauerhaft starker Euro schwächt unsere preisliche Wettbewerbsfähigkeit.
Wir treffen weltweit, auch in den Euro-Ländern und selbst in Deutschland, auf Wettbewerber aus anderen Währungsgebieten, insbesondere aus den USA, Japan und China. Gravierend verändernde Wettbewerbsbedingungen ziehen aber zwangsläufig gravierende Veränderungen unserer Export-strategien und Standortentscheidungen nach sich.
Insofern kann es uns nicht gleichgültig sein, wenn durch handelspolitisch motivierte Aktionen die Wechselkurse wichtiger Kunden- und Wettbewerbsländer manipuliert werden oder gar ein Währungskrieg ausgerufen wird. Wer das tut, spielt mit dem Feuer! Die Weltwirtschaft hat die Krise noch nicht überwunden. Hinzu kommt, dass ein Währungskrieg die Grundlage des weltweiten Wachstums und Wohlstandes gefährdet: den freien, arbeitsteilig organisierten Welthandel.
Im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb werden wir nur Erfolg haben, wenn es uns in Zukunft gelingt, unseren Kunden weltweit technisch optimale und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Lösungen zu liefern. Wir müssen unseren Innovationsvorsprung dort, wo wir ihn haben, verteidigen. Und wir müssen auf Märkten, wo wir heute nicht vorne mithalten können, um bessere Platzierungen kämpfen. Wir nehmen diese Aufgaben an. Technische und betriebswirtschaftliche Innovation ist deshalb selbstverständliches, alltägliches Pflichtprogramm in unseren Unternehmen.
Aber wir brauchen dazu auch die Politik – nicht als besserwissende Instanz, die uns die Richtung weist, sondern als Garant für Rahmenbedingungen, unter denen unsere Unternehmen ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit bestmöglich entfalten können. Dazu drei Punkte:
  • Deutschland ist Industrieland und sollte es möglichst auch über viele Jahrzehnte noch sein. Dazu muss es auf Investoren ein Mindestmaß an Attraktivität ausüben. Die derzeitige Diskussion um eine Höherbelastung insbesondere der Personenunternehmen durch die Einkommensteuer oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer ist Gift für die Investitionsbereitschaft in Deutschland. Auch das Auslaufen der degressiven AfA zum Jahresende ist für Investoren eher ein negatives Signal. Dass der Fiskus uns die Möglichkeit vorenthält, den Wertverzehr unserer Anlagen bei der Steuer sachgerecht geltend zu machen, läuft auf eine permanente Zwangsanleihe des Staates bei uns Unternehmen hinaus. Auch zum Thema Steuerstruktur in Deutschland fällt mir wenig Gutes ein. Die Komplexität und Bürokratiehaltigkeit des Unternehmenssteuerrechts sind legendär. Vorschläge der Wirtschaft, der Länder und der Bundestagsfraktionen für eine grundlegende Steuervereinfachung liegen schon lange auf dem Tisch, eine entsprechende Absichtserklärung der Bundesregierung gibt es auch. Wir können es uns nicht leisten, auf Dauer so weiter zu dilettieren. Für den Erfolg der Unternehmen brauchen wir ein wettbewerbsfähiges Umfeld. Weiter so, Deutschland, ist definitiv die falsche Strategie.
  • Der in der Vergangenheit oft beschworene Fachkräftemangel ist keine Chimäre, er konkretisiert sich aktuell. Wir haben in unserer Branche, obwohl die Krise kaum vorbei ist, schon wieder ca. 5.000 offene Ingenieursstellen. Fachleute weisen darauf hin, dass anders als in früheren Erholungsphasen die Zahl der Arbeitslosen schneller zurückgeht, als die Zahl der Beschäftigten zunimmt. Dieses „Jobwunder“ ist der Vorbote einer dramatischen Zuspitzung: Das Angebot an Fachkräften wird zum limitierenden Faktor – und zwar in der Produktion selbst, aber auch für Forschung und Entwicklung. Um es klar zu sagen: Eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften ist hilfreich. Der Versuch, das Problem des Fachkräftemangels alleine durch Zuwanderung in den Griff zu bekommen, ist einigermaßen aussichtslos. Wir sind nicht nur umgeben von Ländern, die das gleiche demografische Problem haben wie Deutschland. Auch die Schwellenländer brauchen ihre Fachkräfte selbst, wie der indische Handels- und Industrieminister neulich betont hat. Das Thema Migration ist aus meiner Sicht vor allem insofern interessant, als wir uns um die Gründe dafür kümmern sollten, dass Deutschland seit ein paar Jahren eine beachtliche Abwanderung von Fachkräften verkraften muss. Wir müssen uns schon selbst um die eigenen Potentiale kümmern. Hier liegen gewaltige Aufgaben. Die Zahl der Erwerbspersonen zwischen 15 und 30 Jahren wird in Deutschland bis 2030 um fast 25 Prozent zurückgehen. 2008 haben fast 440.000 Jugendliche die Schule, eine Berufsausbildung oder das Studium vorzeitig abgebrochen, also eigentlich jeder sechste. Und jeder fünfte Jugendliche in Deutschland hat eine so geringe Kompetenz in Lesen und Mathematik, dass er auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kaum eine Chance hat. Und dies obwohl die Unternehmen jenseits des Bildungsmonopols des Staates vor Ort viele Dinge in die Hand genommen haben, um die Qualität des Schulunterrichtes zu verbessern und Praxiswissen in die Schulen zu transferieren. Trotzdem bleibt das Fazit zu ziehen: Dieses Ergebnis kann und darf nicht sein. Es ist eine Schande, es ist ein Skandal gegenüber der jüngeren Generation, was hier passiert. Wir setzen im übrigen nicht nur die Zukunft der Unternehmen, sondern die Zukunft des Landes aufs Spiel und dieses eigentlich sehenden Auges. Dem ist mit schönen Worten nicht mehr beizukommen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir müssen – statt einer inputorientierten Vorgehensweise unter den Schlagwörtern „mehr Geld, mehr Lehrer“ – eine ergebnisorientierte Ausrichtung finden. Dies bedeutet, wir brauchen klare, verbindliche Vorstellungen darüber, welche Ziele mit dem Bildungssystem verfolgt werden sollen und müssen, damit endlich auf Effizienz geachtet wird. Unsere Aufgabe, auch als Unternehmen, wird es sein, den Maschinenbau für die bei uns völlig unterrepräsentierte Gruppe der Frauen attraktiver zu machen. Die gesellschaftliche Aufgabe wird auch darin bestehen, die zahllosen intelligenten Personen mit Migrationshintergrund für die Arbeitswelt zu gewinnen. Gerade wir, als internationale Industrie, könnten so viele von ihnen gebrauchen in unserem internationalen Netzwerk. Sie hätten bei uns – vorausgesetzt sie sind bildungswillig – außerordentliche Chancen und Möglichkeiten. Und wir müssen das Potential der Studienabbrecher heben – immerhin 46 Prozent der Studienanfänger. Das sind junge Leute, die eine technische Motivation haben, die technisch interessiert sind. Wir dürfen sie nicht verlieren, sondern müssen ihnen eine Chance geben. Die Stiftung Impuls des VDMA hat eine Ursachenanalyse über den Studienabbruch durchgeführt und jetzt sind wir dabei, ein Indikatorenset für die Abbruchgefährdung zu entwickeln. Kurzum: Wir müssen hier weiterkommen und dies sehe ich auch sehr persönlich als meine Aufgabe an, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, gegen Windmühlen zu kämpfen.
  • Nach der Krise ist leider irgendwie und irgendwo auch vor der Krise. Die letzte Krise haben wir insbesondere dadurch überstanden, dass wir außerordentlich flexibel auf radikalen Abbruch reagieren konnten. Das Thema Flexibilität muss daher auf der Agenda bleiben. Und das betrifft ebenso die Frage des Kündigungsschutzes wie die Befristung der Arbeitsverträge, aber auch eindeutig das Thema Zeitarbeit. Wir brauchen die Zeitarbeit als Flexibilitätspuffer. Wir wissen nicht, aber wir müssen befürchten, dass die Ausschläge in der Konjunktur kürzer und härter werden. Wenn die Unternehmen nicht darauf angemessen reagieren können, laufen wir in eine gefährliche Schere hinein, die eigentlich niemand verantworten kann. Natürlich war auch das Thema Kurzarbeit ein weiterer entscheidender Punkt, um die vergangene Krise zu bewältigen. Lassen Sie mich aber mit einem grundlegenden Irrtum aufräumen: Die Kurzarbeit wurde keineswegs alleine vom Staat bezahlt. Die Unternehmen haben genauso geblutet wie die Arbeitnehmer. Nach den generellen Industriezahlen des IAB investierten die Betriebe in Kurzarbeit im Jahr 2009 mehr als fünf Milliarden Euro. Der Einkommensverlust der Kurzarbeiter beträgt allein im Jahr 2009 rund drei Milliarden Euro die Ausgaben für Kurzarbeitergeld, erstattete Sozialbeträge usw. belaufen sich auf rund sechs Milliarden Euro. Der Staat hat also nur etwa gut 50 Prozent der Kosten für die Kurzarbeit nach diesen Zahlen übernommen. Das sind übrigens nur die Zahlen für 2009. Die Unternehmen und die Arbeitnehmer haben auch 2010 noch anständig draufgelegt.
Die Flexibilität ist aber nur ein Baustein zur Frage der Krisenbewältigung und es bleibt natürlich die Frage übrig, welche Lehren sind eigentlich aus der Krise zu ziehen. Und deshalb führt die VDMA-Stiftung Impuls – zusammen mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft – eine Untersuchung in Form einer Befragungzum Thema Lehren aus der Krise durch, die im Laufe des Novembers fertig gestellt werden wird. Wir werden Sie dann zu diesem Thema einladen. Meine Damen und Herren, ich habe jetzt sehr viel von der Krise gesprochen und nicht so sehr von den Chancen, die diese Industrie in der nächsten Zeit und mich als VDMA-Präsident in den nächsten drei Jahren hoffentlich primär beschäftigen werden. Lassen Sie mich sehr klar sagen: Unsere Industrie hat ihre Zukunft noch vor sich. Chancen gibt es ohne Ende. Unsere weltweit führende Position in der Produktionstechnik und unsere Rolle als Ausrüster der Welt kennen Sie. Unsere Chancen in neuen Märkten, insbesondere bei den ressourcenschonenden Technologien, bei Wasser und Energieeffizienz sind bekannte Zukunftsträger. Außerdem: Wir reden hier von nichts geringerem als der Lösungskompetenz für die Zukunftsprobleme der Menschen.
Auch die Frage der Rohstoffe ist für uns durchaus ein Chancenthema. Natürlich: Auch unsere Industrie hat bei bestimmten Rohstoffen Probleme. Aber ich persönlich glaube, dass die Chancen, die aus dieser Rohstoffknappheit für unsere Industrie entstehen werden, außerordentlich sind. Es ist die Kompetenz des Maschinenbau, durch Recycling Rohstoffe zu gewinnen. Und es ist die Kompetenz des Maschinenbau durch ressourcenschonende Produktionen Rohstoffe zu sparen. Wir sind mehr und mehr in der Lage, auch über Ersatzstoffe und deren Verarbeitung nachzudenken, wie zum Beispiel – auch was mich persönlich als Unternehmer betrifft – im Bereich der technischen Textilien.
Wenn ich schon bei persönlichen Dingen bin, erlauben Sie mir zum Schluss noch ein paar Worte zum Unternehmen Groz-Beckert und zu meiner Person. Groz-Beckert ist ein Familienunternehmen – gegründet 1852 – das sich schon lange vor meinem Eintritt für eine zurückhaltende, sehr fokussierte Öffentlichkeitsarbeit entschieden hat. An dieser Haltung kann und will ich nichts Grundsätzliches ändern, auch wenn mir natürlich klar ist, dass das Ehrenamt im VDMA zu einem größeren Interesse der Öffentlichkeit führt und man sich dem nicht dogmatisch verschließen kann. Groz-Beckert beschäftigt zur Zeit etwa 6300 Mitarbeiter weltweit. Der Vertrieb erfolgt in über 150 Märkten. Unser Exportanteil liegt – typisch für die Textilmaschinenindustrie – weit über 80 Prozent.
Zu meiner eigenen Person ist im Vorfeld meiner Wahl bereits ausführlich berichtet worden. Sollten noch Fragen offen sein – jetzt haben Sie die Gelegenheit. Ich freue mich auf drei spannende Jahre – auch mit Ihnen – und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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