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„Wie in der Bobbahn“

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„Wie in der Bobbahn“

„Wie in der Bobbahn“
„Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um die Potenziale dieser Branche auszureizen.“
Die Stahl- und Metallverarbeiter haben eine Schlüsselfunktion in der Wertschöpfungskette am Standort Deutschland, wie Dr. Andreas Möhlenkamp betont, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM).

Der industrielle Mittelstand stellt der Politik keine guten Noten aus. Was fehlt?

Wir leben nun mal mit den Ergebnissen der Bundestagswahl, und das ist eine große aber leider keine starke Koalition. Wir würden uns – egal unter welcher Leitung – kraftvollere Reformen in den wichtigen Fragen wünschen.
Was kritisieren Sie konkret?
Die Reichen-Steuer oder das Antidiskriminierungsgesetz sind Themen mit Symbolcharakter. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wurden entgegen der Aussage der Bundesregierung beschlossen, europäisches Recht allenfalls 1:1 umzusetzen. Dass man so über europäische Regelungen hinausgeht und die Kosten für die Unternehmen nachweislich erhöht, ist nicht verständlich. Oder die Steuerpolitik: Sie ist zugegebenermaßen ein schwieriges Thema. Aber bei einer geplanten Substanzbesteuerung der Unternehmen, die jetzt hoffentlich vom Tisch ist, hört der Spaß auf.
Wie meistert die mittelständisch geprägte WSM-Branche die Globalisierung?
Wir liegen beim direkten Exportanteil von 30 Prozent nicht schlechter als andere Branchen. Dann muss man noch die indirekten Exporte über die Automobilindustrie hinzurechnen, um die Leistungsfähigkeit der Branche richtig zu analysieren. So hat sie hat in der Wertschöpfungskette eine sehr hohe Bedeutung als Drehscheibe.
Bleiben die Firmen dem Standort Deutschland längerfristig treu?
Wir als Verband müssen auf politischer Ebene dafür sorgen, dass der Druck, ins Ausland zu gehen, nicht zu groß wird. Es gibt natürlich auch den Druck von Kundenseite, ins Ausland zu folgen. Dabei ist es für Kleinunternehmen naturgemäß schwieriger, die Vorteile der Internationalisierung zu nutzen. Außerdem gibt es kleinere Unternehmen, die aufgrund ihrer bodenständigen Unternehmenspolitik hier bleiben. Viele haben auch nicht die kritische Masse, um ins Ausland zu gehen.
Wie weit ist der Strukturwandel in der mittelständischen Industrie gediehen?
Es gab immer wieder Strukturverschiebungen, weil sich die Märkte weiterentwickelten. Im Moment aber habe ich den Eindruck, dass der Strukturwandel einen vernünftigen Grad erreicht hat. Ich erkenne seit 2004 keine besorgniserregenden Rückgänge bei der Zahl der Unternehmen.
Erst Stahlkrise, dann hohe Energiepreise: Wie beurteilen Sie die Rohstoffversorgung am Standort Deutschland?
Ein Ergebnis des Engpasses vor zwei Jahren ist, dass die Aufmerksamkeit bei uns, bei Kunden und den Stahlversorgern deutlich gestiegen ist. Das ist ein Stück weit auch Ergebnis unserer Verbandsarbeit. Jetzt lassen sich Schwankungen auf den Stahlmärkten eher einpreisen als früher. Unsere Mittelständler haben schnell reagiert. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Bänder in der Automobilindustrie nie still standen. Es gibt nicht viele Automobilstandorte in der Welt, wo dieses industrielle Netzwerk so gut funktioniert.
Und wie steht es um die Energiepreise?
Die Stahl- und Metall verarbeitende Industrie ist sehr energieintensiv. Und wir tragen den Energiepreis mittelbar über den Stahlpreis mit. Die Steigerungen dort stammen zu einem hohen Teil aus dem gestiegenen Energiepreis. Das ist bedenklich, wenn man die Margen der Branche kennt.
Wie schwer wiegt dieser Nachteil?
Wir sitzen mit der Stahlindustrie, was die Energiekosten angeht, in einem Boot. Wir kritisieren die Marktstrukturen und die Regulierungskosten. Die unterschiedlichsten Steuern belasten uns im internationalen Vergleich. Und: Wir dürfen nicht aufgrund der Energiekosten eine qualitativ so hochwertige Stahlindustrie verlieren. Das hätte unmittelbare Wirkung auf unser Wertschöpfungsnetzwerk.
Der WSM hat zu Jahresbeginn eine Innovationsoffensive gestartet. Wie weit ist das Projekt gediehen?
Wir wollen der Politik und unseren Kunden zeigen, wie innovativ die WSM-Branche hier in Deutschland ist. Wir haben im Rahmen der Innovationsoffensive eine Broschüre zur Innovationspolitik erarbeitet. Wir haben eine Umfrage zur Innovationsfinanzierung gestartet, die wir zurzeit auswerten. Außerdem planen wir eine hochkarätig besetzte Veranstaltung. Das Ziel lautet: Wissen in den Hochschulen muss zu Wertschöpfung in den Unternehmen werden.
Für die Öffentlichkeit hört sich Metallverarbeitung nicht besonders innovativ an.
Es geht nicht um große Erfindungen. Die kleinen Innovationssprünge müssen stärker beachtet werden. Sie sind es, die in einer reifen Branche wie der unseren den internationalen Wettbewerbsvorsprung sichern. Das ist wie in einer Bobbahn: Da geht es um Hundertstel und Tausendstel Sekunden.
Welche Rolle spielt dort die Politik?
Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um die Potenziale dieser Branche auszureizen. Nordrhein-Westfalen ist mir besonders wichtig, weil hier gerade ein Hochschulfreiheitsgesetz geschaffen wird, von dem wir hoffen, dass es für den Technologietransfer ein Benchmark für andere Bundesländer sein kann.
Chefredakteur Werner Götz, Tilman Vögele-Ebering

Stahl- und Metallverarbeitung im Überblick

Strukturmerkmale:
  • Die Branche ist stark mittelständisch geprägt. Allerdings tragen Großunternehmen knapp 30 % zum Gesamtumsatz der Stahl- und Metallverarbeitung bei.
  • Familiengesellschaften sind die dominierende Unternehmensform.
  • Es herrscht ein geringer Konzentrationsgrad, anders betrachtet eine sehr hohe Wettbewerbsintensität.
  • Die Materialintensität der Branche (Vormaterialquoten bis 60 %) und damit die Abhängigkeit insbesondere von den Stahlpreisen ist außerordentlich hoch.
  • Der Spezialisierungsgrad ist hoch: Es gibt viele Nischenanbieter. Dagegen ist der Internationalisierungsgrad im Vergleich zu anderen Industriezweigen geringer.
Kennzahlen (2005):
  • 4600 Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten.
  • 410 888 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt
  • 65 Mrd. Euro Branchenumsatz
  • mehr als 17 Mio. t Stahlverbrauch pro Jahr.
Produktionsspektrum:
  • Vorprodukte: z.B. Blankstahl, Kaltband, Kaltprofile, gezogener Draht, Stahlrohre
  • Teile: geschmiedet, gepresst, gestanzt, gezogen, gesintert, gedreht, gebogen, geschweißt
  • Enderzeugnisse: z.B. Bauzuliefererzeugnisse, Betonstahl, Bürogeräte, Do-it-yourself-Produkte, Drahtgewebe und -seile, Federn, Flansche und Rohrverbinder, Gartengeräte, Industrieschilder, Schrauben, Schweißzusätze, Tore, (Sport-)Waffen und Munition, Wehrtechnisches Gerät
  • Industrielle Dienstleistungen: z.B. Oberflächen- und Wärmebehandlung, mechanische Bearbeitung
Informationen: www.wsm-net.de
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