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Autonome Transportfahrzeuge für den Reinraum

Batterietechnik
Fahrerlose Transportfahrzeuge für die Batteriezellproduktion im Reinraum

Die Elektromobilität boomt und die Nachfrage nach Batterien ist größer denn je. Um diesen Markt bedienen zu können, werden aktuell immer mehr Batteriewerke in Europa gebaut. Im neuen Werk eines nordeuropäischen Batterieherstellers sind mobile Systeme von SEW-Eurodrive im Einsatz. Die Besonderheit dieser fahrerlosen Transportfahrzeuge ist ihr Edelstahl-Aufbau, der den Einsatz in Reinraumapplikationen der Klasse ISO 6 erlaubt.

» Gunthart Mau, Referent Fachpresse bei SEW-Eurodrive

Seit langem haben sich in der Batteriezellenproduktion vor allem asiatische Firmen einen Vorsprung erarbeitet. Die steigende Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien im Mobilitätssektor und bei stationären Applikationen führte in den letzten Jahren zu einem schnellen Wachstum dieses Marktsegments, in dem europäische Anbieter dringend aufschließen müssen. Die Batterieherstellung erfordert eine Anlagentechnik, die den hohen Anforderungen an Prozessqualität und Durchsatz gerecht wird. Der Schlüssel hierfür ist die Automatisierung.

Spezialist auf diesem Gebiet ist die norwegische Firma Tronrud Engineering AS. Das Maschinenbauunternehmen entwickelt, produziert und liefert seit mehr als 40 Jahren Automatisierungslösungen. An den Standorten Eggemoen und Moss im Umkreis Oslos arbeiten rund 200 Mitarbeiter/innen. In Moss, am Ostufer des Oslofjords, ist auch die norwegische Landesgesellschaft SEW-Eurodrive AS beheimatet.

Besondere Reinraumanforderungen

Der Auftraggeber, ein Produzent von Lithium-Ionen-Batteriezellen, wünschte sich die Automatisierung von Transportaufgaben durch fahrerlose Transportfahrzeuge. Dabei müssen die Fahrzeuge und weitere Systeme so konzipiert sein, dass Reinraumanforderungen erfüllt werden. Hierfür realisierte Tronrud gemeinsam mit SEW-Eurodrive einen vollautomatisierten Paletten- und Behältertransport mit fahrerlosen Transportfahrzeugen aus dem Maxolution-Portfolio von SEW-Eurodrive.

Der Einsatz mobiler Systeme in einer Produktionsumgebung mit hohen Reinraumanforderungen und zahlreichen Schnittstellen wie Aufzügen, Stetigförderern und Sondermaschinen ist eine komplexe Herausforderung. Die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Übergabe in den Luftschleusen stellt hohe Anforderungen an die Positioniergenauigkeit und Sicherheitstechnik. Außerdem müssen verschiedene Ebenen (Erd- und Zwischengeschoss) überwunden werden. Dazu werden die Transportfahrzeuge samt Last in Aufzügen transportiert.

Vom Testsystem zur Serienproduktion

Zunächst wurde ein Testsystem in einer Pilotfabrik des Endkunden als Machbarkeitsstudie installiert. „Der Transfer von einem Fahrzeug zu einem anderen Fahrzeug mit über 1.000 Kilogramm Last war eine Herausforderung“, erinnert sich Cato Horten, Senior Project Manager bei Tronrud Engineering: „Durch mehrere Tests und die gute Zusammenarbeit konnte eine Lösung gefunden werden.“ Nach dem erfolgreichen Test realisierten beide Firmen gemeinsam den Materialfluss mittels eines fahrerlosen Transportsystems in der Serienproduktion eines neuen Werks „auf der grünen Wiese“. Tronrud-Geschäftsführer Skule Edvard Smørgrav unterstreicht: „Ich möchte die Bedeutung von SEW-Eurodrive AS in Norwegen hervorheben. Als Schlüsselpartner sorgte sie dafür, dass die richtigen Informationen die richtigen Leute sowohl bei SEW-Eurodrive Deutschland als auch bei Tronrud Engineering erreichten.“

Zwei strikt getrennte FTS-Bereiche

Verschiedene, über das Werk verteilte Routen sorgen dafür, den spezifizierten Materialfluss aufrechtzuerhalten. Dabei gibt es grundsätzlich zwei getrennte FTS-Bereiche: Im sogenannten „grauen Bereich“ müssen die Fahrzeuge keine besonderen Reinheitsanforderungen erfüllen. Dagegen gilt für den sogenannten „weißen Bereich“ die Reinraumanforderung nach ISO 14644–1 Klasse 6. Mit der Übergabe der Last an die Reinraumausführung der mobilen Systeme wird eine saubere Trennung zwischen beiden Bereichen ermöglicht. Zur Vermeidung einer Kreuzkontamination findet diese Lastübergabe in speziellen Luftschleusen statt.

Eine Hauptroute ist die Verbindung des zentralen Lagers mit den Fertigungsbereichen, um sie mit den benötigten Materialien zu versorgen. Sie umfassen die Prozessschritte Beschichten, Kalendern, Slitten, Stapeln, und Zellassemblierung. Darüber hinaus wird weiteres Material aus dem Umfeld des Zentrallagers zur Fertigung transportiert. Innerhalb des „weißen“ Reinraumbereichs werden die Materialien bis an den jeweiligen Verwendungsort gebracht. Entweder wird das Material direkt angeliefert oder es durchläuft vor der Anlieferung weitere Prozesse, z. B. Kommissionierung/Vereinzelung und Zwischenlagerung von Paletten auf einzelnen Kleinladungsträgern (KLT). Dabei findet auch ein Transfer von einem Fahrzeug auf ein anderes statt. Darüber hinaus werden FTF zum Palettentransport vom Lager in den „Supermarkt“ (Bereitstellung von Bauteilen für die Produktion in der Nähe des Einbauortes) und von dort zur Zellassemblierung eingesetzt.

Zwischen Flottenmanager und Fahrzeugen kommt die standardisierte, interoperable Kommunikationsschnittstelle VDA 5050 zum Einsatz. Dadurch ist es in diesem Projekt problemlos möglich, eine FTS-Leitsteuerung eines Drittanbieters einzusetzen. Insgesamt kommen in der ersten Ausbaustufe 42 FTF zum Einsatz – 31 Fahrzeuge zum Palettentransport und 11 zum KLT-Transport. Die längste zurückzulegende Strecke beträgt 345 m, einschließlich mehrerer Aufzugsfahrten.

Geteilte Verantwortung – doppelter Kundennutzen

Tronrud Engineering übernimmt die Gesamtverantwortung für die stationäre und mobile Handlingssysteme für Paletten und Behälter und hat SEW-Eurodrive die Verantwortung für das gesamte fahrerlose Transportsystem übergeben. SEW realisiert auch die Integration des Tronrud-Lastaufnahmemittels auf dem Fahrzeug, stellt die kompletten Fahrzeuge einschließlich der Konformitätserklärung zur Verfügung und integriert die Fahrzeuge in das Gesamtsystem – inklusive Planung, Parametrierung und Inbetriebnahme. Beide Partner unterstützten sich vor Ort bei der Inbetriebnahme beim Endkunden. Auch in Zukunft sichert die europa- und weltweite Präsenz von SEW-Eurodrive und von Tronrud Engineering eine schnelle, lokale Unterstützung.

Hardware und Dienstleistungen

Im Bereich der mobilen und schienengeführten Fördertechnik bietet SEW-Eurodrive innovative, skalierbare und zukunftsfähige Systemlösungen an. Hierbei liegt der Fokus nicht nur auf den Fahrzeugen selbst, sondern auch auf dazugehörigen Dienstleistungen – von der Systemplanung und Simulation bis zur Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur.

Nach dem Beispiel des weltweit eingesetzten Baukastensystems für Getriebemotoren und Elektronikprodukte erfolgt auch das Engineering des fahrerlosen Transportsystems auf Basis eines innovativen Technologie- und Softwarebaukastens. Er ermöglicht, individuelle Fahrzeuge zu konfigurieren und dabei die Komplexität gering zu halten.

Kontaktlose Energieversorgung

Die fahrerlosen Transportfahrzeuge lassen sich mithilfe des Energieversorgungssystems Movitrans von SEW-Eurodrive kontaktlos und wartungsfrei laden. Daher ist es besonders für sensible Bereiche wie die Lebensmittelproduktion oder Reinräume geeignet. Für die Movitrans-Komponenten gibt es verschiedene Einbauoptionen, die eine einfache und dezentrale Installation ermöglichen. Die Energieaufnahme erfolgt verschleißfrei, entweder punktuell im Stillstand oder während der Fahrt über Linienleiter, die im oder auf dem Boden verlegt werden. Durch das Laden während der Fahrt oder bei Lastübergabe lassen sich Stillstandszeiten vermeiden. So ist es möglich, die optimale Anzahl von Fahrzeugen für den innerbetrieblichen Materialfluss einzusetzen. Ferner hat das System einen automatischen Energiesparmodus, der zum effektiven Energieeinsatz beiträgt.

Sicherheitstechnik und Navigation

Umfangreiche Sicherheitstechnik schützt das gesamte Fahrzeug – und vor allem die Menschen, die in seiner Umgebung arbeiten. Die integrierte Sicherheitssteuerung sorgt für die geschwindigkeitsabhängige Schutzfeldumschaltung, sicher abgeschaltetes Drehmoment, sichere Geschwindigkeit und weitere Funktionen. Auch das Lastaufnahmemittel wurde vollständig in die Fahrzeugsicherheit integriert. Zur Navigation in den Produktionshallen kommt Laser-Slam zum Einsatz (Simultane Lokalisierung und Kartierung der Umgebung). In Kombination mit Laserparking und Feinpositionierung mittels Data-Matrix-Code ermöglicht dies eine präzise und prozesssichere Fahrzeugpositionierung. Das ist vor allem für sicherheitsrelevante Bereiche wichtig. Dazu gehört auch die Lastübergabe von Fahrzeug zu Fahrzeug.

Hard- und Software weltweit verfügbar

SEW-Eurodrive liefert mobile Systeme, Antriebs- und Steuerungskomponenten sowie Software aus einer Hand. Mit dem modularen und innovativen Technologiebaukasten sowie jahrzehntelanger Erfahrung in vielen Industriebranchen bietet der Bruchsaler Antriebsautomatisierer innovative, erweiterbare Hard- und Softwarelösungen mit weltweiter Verfügbarkeit. Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Tronrud Engineering installierte SEW-Eurodrive ein fahrerloses Transportsystem aus dem Maxolution-Portfolio mobiler Transport- und Assistenzsysteme in einer europäischen Fabrik zur Batteriezellenfertigung.

Die Verwendung der VDA5050-Schnittstelle ermöglichte es in diesem Fall, problemlos einen Flottenmanager eines Drittanbieters zu einzusetzen. Die Anlage befindet sich derzeit in der letzten Inbetriebnahmephase. Eine Erweiterung der FTS-Flotte ist bereits geplant und steht kurz vor der Umsetzung. Für den Endkunden ist die regionale Nähe des Maschinenbauers Tronrud Engineering von Vorteil, für beide Unternehmen die Unterstützung durch die norwegische Marktorganisation SEW-Eurodrive AS in Moss sowie die Firmenzentrale in Bruchsal.

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