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Industrie 4.0: Plug & Produce-Konzept flexibilisiert die Produktion

Industrie 4.0
Plug & Produce-Konzept flexibilisiert die Produktion

Mit Plug & Produce stellt Lenze ein Konzept vor, mit dem Unternehmen ihre Produktion flexibilisieren können. Möglich ist das heute schon, es fehlt aber noch an Standards.

❧ Nora Nuissl

Was auf der vergangenen Hannover Messe wie ein Spiel anmutete, bei dem einzelne Module einer Produktionslinie einfach verschoben werden, birgt ein cleveres Industrie-4.0-Konzept, das die Produktion ohne Programmieraufwand flexibilisiert. Der Antriebs- und Automatisierungsspezialist Lenze will mit Plug & Produce zeigen, dass die Technologie für eine Industrie-4.0-Fertigung heute schon vorhanden ist. Klingt einfach, war es bis dato aber nicht.

Basis für Umsetzung in Produktion ist RAMI-4.0-Modell

Im Rahmen der Industrieschau demonstrierte das Unternehmen anhand eines Showcases die Verpackung von Consumerprodukten – wie Waschmittel oder Cremes – mit unterschiedlichen Modulen in einer Fertigungslinie. Basis dafür ist vor allem die Verwaltungsschale (Administration Shell), die als Teil des Referenzarchitekturmodells Industrie 4.0 (RAMI 4.0) im April 2018 verabschiedet wurde. Solche Verwaltungsschalen kann es sowohl für die einzelnen Komponenten, für Module oder die gesamte Maschine geben. Die darin enthaltenen Daten geben Auskunft über die Physik – etwa Anschlussmaße, Lebensdauer, Betriebswerte – und über die Fähigkeiten, die eine Maschine oder ein Modul erfüllen soll (sogenannte „Skills“). Handelt es sich zum Beispiel um einen Antrieb, eine Netzwerkkomponente, ein Verpackungsmodul oder eine Schweißanlage? Diese Daten bilden die Grundlage zur späteren Erstellung eines digitalen Zwillings, der Programmierung und Simulation lange vor der physischen Realisierung einer Maschine ermöglicht.

Aber zurück zu dem Showcase. Um eine komplette Produktionslinie jederzeit einfach umrüsten zu können, müssen die einzelnen Komponenten der Produktion zunächst in Module aufgeteilt werden. Diese beinhalten die Skills, also die Fähigkeiten, die die Module jeweils erfüllen sollen und die der Anwender zu Beginn einmal definiert. Das kann zum Beispiel der Punkt „Beförderung oder Transport“ sein. Damit ist noch nicht klar definiert, ob es sich dann in der Ausführung um ein Förderband oder einen Roboter handelt. Die Skills-Definition sollte zunächst losgelöst von den Gegebenheiten vor Ort sein. Das Produkt beziehungsweise Rezept gibt die benötigten Skills vor, die in der Produktion benötigt werden. Dieses Rezept wird von einem übergeordneten System, etwa einem Manufacturing Execution System oder einem ähnlichen IT-Verwaltungssystem, verwaltet.

In der modularisierten Produktion sprechen die SPS eigenständig miteinander

Im zweiten Schritt überprüft das übergeordnete MES, ob alle gewünschten Anforderungen, also Skills, in der Produktion vor Ort vorhanden sind und ob sie auch in der richtigen Reihenfolge zueinander stehen. Die Module selbst steuern hierfür die nötigen Informationen bei, beispielsweise in welcher Höhe sich Übergabepunkte wie etwa ein Förderband befinden, in welcher Position Werkstücke angeliefert werden sollen oder wie sie ausgegeben und mit welcher Geschwindigkeit sie verarbeitet werden können. Hat der Plausibilitäts-Check ergeben, dass alle benötigten Skills vorhanden sind, am richtigen Platz und mit den passenden physikalischen Schnittstellen, kann die Produktionsphase gestartet werden.

Das Besondere bei Plug & Produce ist, dass der Mensch in diesen Prozess nicht eingreifen muss, sondern die speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) kommunizieren über die Schnittstelle OPC UA selbst miteinander und prüfen das Rezept mit den Produktionsmodulen ab. Ab Schritt drei – in der Grafik unten der Produktionsphase – nutzte Lenze die OPC UA Companion Specification PackML als Grundlage für den Verpackungsprozess.

Fertigungsstraße per Rezept

Werden einzelne Module einer Fertigungslinie ausgetauscht – etwa, weil Maschinen erneuert werden oder Zwischenprozesse eingeführt werden müssen –, musste die Steuerung bisher neu programmiert werden. Mit dem Plug & Produce-Ansatz geht es einfacher und schneller. In einer Moderationsphase wird die Linie neu konfiguriert. Dies geschieht über das Hochladen von Rezepten, die nun nicht allein den Fertigungsprozess an sich steuern, sondern auch Informationen darüber enthalten, welche Aufgaben in welcher Reihenfolge zu erledigen sind, sodass die passenden Module ausgewählt und verknüpft werden können. Damit bedarf es auch keiner übergeordneten Steuerung in der Produktion mehr. „Diese Modularität in der Produktionslinie bietet dem Endkunden wesentlich mehr Flexibilität. Aber auch der Maschinenbauer profitiert davon, denn er benötigt beispielsweise nur noch eine Schnittstelle“, erläutert Patrick Bruder, Business Development Manager Automation bei Lenze.

Damit dieses Konzept nicht nur im Lenze-eigenen Showcase, sondern auch in gemischten Umgebungen im Feld funktioniert, gibt es künftig aber noch einige Herausfordernungen zu meistern. Die Grundlage für das Konzept ist, dass alle aktuellen Komponenten für Maschinenbau und -automatisierung vom Hersteller mit einer Verwaltungsschale ausgestattet werden. Zudem gilt es laut Bruder noch Lücken in der Standardisierung zu schließen. Zwar gibt es in den Bereichen Verpackung mit der Pack-ML-Specification sowie im Bereich Kunststofftechnik mit den Euromap-Schnittstellen bereits einige Standards, aber noch nicht branchenübergreifend.

Standardisierung in Fertigungsindustrie muss vorangetrieben werden

Aktuell ist das Konzept vor allem auch erst einmal für Greenfield-Anlagen sinnvoll. „Bei Anlagen oder Maschinen mit einer SPS ohne OPC-UA-Schnittstelle ist die Modularisierung der Produktion wie in unserem Showcase zwar per Retrofit machbar, jedoch muss ein Unternehmen genau prüfen, ob der Aufwand auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Das hängt immer vom individuellen Fall ab“, so sein Credo. Gleichzeitig sieht er in dem Konzept jedoch eine große Chance für Maschinenbauer: „OEMs sollten sich schon heute auf diese Entwicklung einstellen, die sich im digitalen Engineering niederschlägt. Hier gilt es insbesondere, bei der Erstellung der Steuerungssoftware die Modularisierung voranzutreiben – dann profitiert auch der Maschinenbauer von Plug & Produce und kann mit geringerem Ressourceneinsatz eine schnellere Markteinführung realisieren“, betont er.

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