Mit „viel Herzblut“ haben die Entwickler von KraussMaffei eine Idee realisiert, die denkbar ungewöhnlich ist für einen Kunststoffmaschinenbauer: Das Konzept für stabile Fertighäuser in Notgebieten, die maximal 5000 Euro kosten und schnell aufgestellt sind. Basiskomponenten sind Sandwichpaneele.
Die Häuser setzen sich aus wenigen unterschiedlichen Modulen zusammen. Wände und Decke bestehen aus Sandwichelementen, die auf Doppelbandanlagen von KraussMaffei produziert werden – eine Bauweise, die sich bei Kühlzellen und Industriehallen bewährt hat. Die Deckschichten können Stahl- oder Alu-Bleche sein, der Isolationskern ein PUR-Hartschaum. Oder ganz andere Materialien, die im Zielgebiet gebräuchlich sind, etwa Holz, Kunststoffe, glasfaserverstärkte Platten oder Mineralwolle (für den Kern). Nach deutschen Materialpreisen würde der Fertigbausatz 5000 Euro kosten.
„Die 5000 Euro waren ein Benchmark für uns“, erklärte Frank Peters, Geschäftsführer Reaktionstechnik, als im Mai der erste Prototyp auf dem Münchner Werksgelände vorgestellt wurde. „Denn in Entwicklungsländern bekommen die Menschen häufig gerade 5000 Euro bereit gestellt, um Baumaterial zu kaufen.“
Leider entstehen daraus oft improvisierte Hütten, die großen, gefährlichen Belastungen kaum standhalten. Das KraussMaffei-Fertighaus sollte darum primär stabil, günstig und einfach zu bauen sein.
Das Team hat sich dafür einiges einfallen lassen. Unter anderem wurden Bauexperten und andere Spezialisten eingebunden. So ist das fertig verschraubte Low-cost-Haus eine selbsttragende Konstruktion – und somit erdbebensicher. „Das Haus ist fast so stabil wie eine Monocoque-Fahrerzelle“, sagt Peters. Es könne nicht einstürzen, allenfalls sich verziehen. Ohne Fundament wiegt es nur 1,5 t. Für Deutschland hat es bereits eine Bauzulassung.
Alle Sandwichpaneele sind in einheitlichem Maß gefertigt. Da sich dieses Rastermaß nach der örtlich üblichen Fenster- und Türweite richtet (in Deutschland 86 cm), genügt es, die Sandwichelemente auf benötigte Längen vorzuschneiden. Sonst passt alles.
Der Aufbau soll nach einem Tag abgeschlossen sein, wenn ihn eingespielte Monteure in die Hand nehmen. Da Werkzeuge wie Schrauber und Gabelschlüssel genügen, können die künftigen Hausbesitzer aber auch selbst ans Werk gehen. Der Bausatz ist wie ein Ikea-Regal mit Stückliste und Anleitung ausgerüstet und so konzipiert, dass bei der Montage nichts falsch gemacht werden kann.
Das montierte Fertighaus umfasst knapp 30 m² Wohnfläche und bietet damit Platz für eine 5-köpfige Familie – in manchen Weltgegenden ein Luxus. Der in München vorgestellte Prototyp zeigt eine Unterteilung in drei Räume und einen Sanitärraum. Bei einer 66 mm dicken PUR-Dämmung gleicht der Wärmedurchgang dem einer 36 cm dicken Ziegelwand, teilt KraussMaffei mit. „Es hängt viel Herzblut am Projekt,“, bekennt Frank Peters, „wir werden uns engagieren und vernetzen, um es voran zu bringen.“
Auch die Politik soll beteiligt werden, etwa um Hilfsorganisationen den Zugang zur Technik zu ermöglichen. Die Systementwicklung selbst ist abgeschlossen. Bei KraussMaffei wird sie als Vorzeigebeispiel für die Firmenphilosophie verstanden, Lösungen für erkannte Marktbedürfnisse zu entwickeln.
Auch das Produktionskonzept steht, ein Stufenkonzept. Mit einer Basis-Doppelbandanlage kann ein Betrieber die Paneele für bis zu zwei Häuser am Tag fertigen. Steigt der Bedarf, kann er sie zur kontinuierlichen Anlage ausbauen und damit bis zu 10 000 Einheiten im Jahr schaffen. Und bei Bedarf lässt sich die Anlage leicht in neue Gebiete verlagern. Sogar als „schwimmende Fabrik“ könnte sie auf einem Schiff arbeiten. os
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