Des Deutschen liebstes Kind ist das Auto – ein zum Heiligtum hochstilisierter Gebrauchsgegenstand, dessen Fortbestehen wichtiger zu sein scheint als ein bewohnbarer Planet. Sein Antlitz muss makellos sein, sonst hört der Spaß auf. Bewiesen hat das ausgerechnet ein Stuttgarter Automobilzulieferer, der in Sachen Elektromobilität etwas den Anschluss verschlafen hat. Mitarbeiter, die den Firmenparkplatz nutzen, klagten über mysteriöse Macken auf ihren blechernen Schätzchen. Der Sache musste selbstverständlich auf den Grund gegangen werden: Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, dass es sich nicht um das Werk eines Einzeltäters handelte. Verantwortlich für den respektlosen Umgang mit den Kraftfahrzeugen war eine ganze Gruppe von Angehörigen einer Spezies, der die Unversehrtheit von Autolackierungen naturgemäß an den Steuerfedern vorbeigeht: Rabenkrähen.
Beim Blick aus dem Fenster ertappte ein aufmerksamer Angestellter die fliegenden Gesetzesbrecher auf frischer Tat, wie sie Steinchen vom firmeneigenen Flachdach stahlen und auf die Autos warfen. Was ein Horror! Der engagierte Schädlingsbekämpfer war schnell mit seinem Latein am Ende: „Für diesen Fall gibt es keine passenden Maßnahmen und die Taubenabwehr lässt sich nicht auf Krähen anwenden“, so sein Urteil. Um den intelligenten Vögeln die Stirn bieten zu können, musste schließlich ein waschechter Biologe her. Rabenkrähen knacken Nüsse, indem sie sie aus dem Flug fallen lassen. Dieses natürliche Verhalten führte laut dem Biologen dazu, dass die sympathischen Tierchen einen Spieltrieb entwickelt haben und jetzt eben Autos mit Steinen bewerfen. Verständlich, macht ja lustige Geräusche. Eine „aufgeständerte Abspannung mit Netzen“ würde die unsachgemäße Verwendung des Dachkieses verhindern – der krisengebeutelte Zulieferer erwartet bereits ein Angebot. (hw)