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C-Teile-Anbieter im Auge des Sturms

Branchenführer im C-Teile-Management über Corona-Auswirkungen
C-Teile-Anbieter im Auge des Sturms

C-Teile-Anbieter im Auge des Sturms
Die Schrauben müssen sich drehen, auch in der Krise − sonst kann die ganze Produktion zum Erliegen kommen. Bild: Georgi Roshkov/stock.adobe.com
Die Corona-Pandemie hat auch auf C-Teile-Anbieter massive Auswirkungen. Fünf Branchenkenner erklären, was die Änderungen der letzten Zeit bei ihnen bewirkt haben und wo die Zukunft der Branche liegt. Dabei ist die Digitalisierung nach wie vor ein Megatrend, den es nicht aus den Augen zu verlieren gilt.

Sanja Döttling

Auch an der C-Teile-Branche ist die Corona-Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen – vielmehr waren die Hersteller und Händler im C-Teile-Bereich als Zulieferer mit internationalen Lieferketten sogar diejenigen, die „im Auge des Sturms“ standen. Marcel Rupprecht, Geschäftsführer bei Böllhoff mit Hauptsitz in Bielefeld, sagt: „In der Gesamtheit müssen wir im Handels- und Dienstleistungsumfeld von einer handfesten Krise sprechen, die auch unsere Branche mit voller Wucht getroffen hat.“

Kontakt mit Lieferanten halten

Insbesondere die internationalen Liefernetze, die bei vielen C-Teile-Händlern den ganzen Globus umspannen, zeigen sich in schwierigen Zeiten als sehr fragil. Um dafür zu sorgen, dass die Lieferketten auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten werden können, ist ein ständiger Kontakt mit den Lieferanten unerlässlich, wie alle befragten Unternehmen bestätigen. Volker Lederer, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Familienunternehmens, erklärt den eigenen Ansatz so: „Wir befragen unsere Lieferanten regelmäßig über ihre Produktionssituation, die Auswirkungen von Covid-19 auf ihre Kapazität und ihre Fähigkeit, pünktlich zu liefern.“

Multiple-Sourcing als Rettungsanker für die C-Teile-Branche

Ebenso wichtig ist es, eine Mehrfach-Lieferantenstrategie, auch Multiple-Sourcing-Strategie genannt, etabliert zu haben, auf welches in Krisensituationen wie der Corona-Pandemie zurückgegriffen werden kann. Eine solche Strategie ist bei den meisten Unternehmen schon lange an der Tagesordnung. Klaus-Dieter Schmidt, Geschäftsführer von Reyher bestätigt diese Sicht: „Wir kaufen seit Jahrzehnten nicht mehr im Single-Sourcing.“ Unternehmen, die Second-Sourcing implementiert hatten, musste dies in der Krisenzeit lediglich aktivieren, wie Martin Jauss, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Würth Industrie Service beschreibt: „Da unsere Aktivitäten schon seit Gründung auf die Sicherheit der C-Teile-Versorgung aufgebaut sind, waren die Mechanismen und Lösungen bereits aktiv, sodass keine zusätzlichen Aktivitäten notwendig waren.“

Auch bei Keller & Kalmbach war es möglich, auf zusätzliche Lieferanten zurückzugreifen. Bei der kurzfristigen Akquise erwies sich die eigene Niederlassung in China als Vorteil. Das Unternehmen konnte vor Ort bei der Überprüfung und Qualitätssicherung neuer Lieferanten schnell unterstützend eingreifen. Florian Seidl, geschäftsführender Gesellschafter von Keller & Kalmbach, sagt: „Wir hatten zum Glück keine Lieferausfälle. Bei vereinzelten Versorgungsproblemen haben wir alternative Beschaffungsquellen finden können.“

Keller & Kalmbach hat zudem frühzeitig auf die veränderten Anforderungen des Markts reagiert. Dazu gehörte auch eine Task-Force, die sich auf den Vertrieb von Sicherheitsausrüstung spezialisierte. So konnte das Unternehmen innerhalb kurzer Zeit zertifizierten Mund-und Nasenschutz anbieten.

Lockdowns überwinden

Aufgrund der Shutdowns im Rahmen von Corona fielen oft ganze Regionen aus; wichtige Zuliefer-Regionen für die C-Teile-Branche sind dabei zum Beispiel Norditalien oder Spanien. Hier waren Lieferungen verzögert. Schmidt von der Firma Reyher berichtet dagegen, dass es einzig bei den Lieferanten aus Indien zu Verzögerungen kam. Ebenfalls zu Buche schlugen Grenzkontrollen und Quarantänemaßnahmen für Lieferungen aus kritischen Ländern, wie Jauss erklärt: „In der Breite war weniger die Produktionsfähigkeit der Hersteller ausschlaggebend als vielmehr die Verfügbarkeit von Transportmöglichkeiten und den Regularien an der Grenze.“

Diese Situation ist aktuell weitestgehend überstanden, wie Jauss weiter berichtet: „Allerdings haben noch viele Industrieunternehmen eine stark reduzierte Produktionskapazität aufgrund von Hygiene-Vorschriften oder Kurzarbeit.“

Um Lieferschwierigkeiten vorzubeugen und nicht in Engpässe zu geraten, hat man bei vielen Unternehmen, auch bei Würth Industrie Service den eigenen Warenbestand erhöht. Bei Böllhoff wurden die Warenlieferungen stets sichergestellt: „Unsere Teams kümmerten sich nicht nur um die Überwachung der Lieferterminzusagen, sondern auch um eine zügige Kundeninformation bei erkennbaren Terminabweichungen“, so Rupprecht.

Keller & Kalmbach hat einen Lagerbestand von drei Monaten vorrätig, der dem Unternehmen über die Shutdowns hinweg half, die Kunden zu versorgen. Ihnen war es ebenfalls möglich, für einzelne Teile eine Produktionsfreigabe zu erhalten. Um den Kunden einen aktuellen Stand über die lieferbaren Teile geben zu können, hat Keller & Kalmbach zusätzlich seinen Online-Shop überarbeitet.

Schwache Nachfrage bei den Automobilisten

Schon Ende 2019, so Rupprecht, verlangsamte sich das Geschäft auf dem Automobilzulieferermarkt, um ab April voll im Bann der Krise zu stehen. Geschäftsführer Volker Lederer sagt: „Wir sehen Branchen, die noch recht stark sind, aber wir sehen auch Wirtschaftszweige, die sich bereits in einer tiefen Krise befinden.“ Das einschneidendste Beispiel für eine verlangsamte Nachfrage der deutschen Industrie waren die Produktionsstillstände bei Automobilriesen wie Daimler und VW. Ebenfalls stark betroffen ist noch immer die Messebranche, so sein Credo.

Reyher bestätigt die schwache Nachfrage aus dem Automotive-Bereich und nennt auch den Schiffsbau als momentan schwachen Abnehmer. „Eine Rückkehr zu gewohnten Geschäftsverhältnissen erwarten wir frühestens 2021 – abhängig davon, ob es noch eine weitere Infektionswelle geben wird“, mein Schmidt. Seidl erwartet, dass die Krise die Wirtschaft noch länger beeinflussen wird: „Es wird sehr lange – Jahre, nicht Monate – dauern, bis wir wieder auf dem Niveau vor der Coronakrise sein werden.“

Gründe für die verhaltene Nachfrage, auch nachdem die Lockdowns weitestgehend überstanden sind, sieht Jauss in einem Vakuum an Zukunftsstrategie: „Die noch immer bestehende Unsicherheit und der damit verbundene Investitionsstau sowie das Aufschieben von Entscheidungen stellt aus unserer Sicht die größte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Erholung dar.“

Megatrends der C-Teile-Branche: Digitalisierung

Doch wie steht es in diesen wirtschaftlich angespannten Zeiten um die Weiterentwicklung und die Megatrends in der Branche? Jauss ist sich sicher: „Die Coronakrise zeigt sich als Beschleuniger der Digitalisierung.“ Kontaktlose Versorgungssysteme und automatisierte E-Business-Lösungen für das C-Teile-Management seien auch im Lockdown gut von den Kunden angenommen worden.

Auch die Arbeitsweise selbst wird sich aus den Lehren der Pandemie verändern, vermutet Lederer: „Künftig wird der persönliche Kontakt stärker digitalisiert werden. Ich gehe auch davon aus, dass die Reisetätigkeit insgesamt zurückgehen wird. Eine Frage ist sicherlich, ob vor diesem Hintergrund Fachmessen in unserer Branche und die unserer Kunden eine Zukunft haben werden. Wenngleich natürlich die Funktion vieler Messen als ‚Meeting Point‘, Branchentreff, Ort für persönliche, menschliche Begegnung und Gespräche nicht zu unterschätzen ist.“

Doch das größte Thema, das sich für C-Teile-Händler im Bereich Digitalisierung ergibt, ist die Arbeit mit großen Datenmengen – Schlagwort „Big Data“. Seidl sieht eine gute Big-Data-Strategie dabei als Wettbewerbsvorteil und erklärt: „Es wird entscheidend sein, die großen Datenmengen, die bei der Digitalisierung entstehen, zu analysieren und für die Entwicklung von intelligenten Anwendungen zu nutzen.“ Dass das Managen von Datenmengen immer wichtiger wird, sieht man auch bei Würth Industrie Service so. „Wir haben den Anspruch, dem Kunden im Bereich der C-Teile aktiv mitzuteilen, wo ein Bedarf entstehen wird und diesen bereits gedeckt haben, bevor der Kunde überhaupt selbst davon Kenntnis hat“, betont Jauss.

Inzwischen sind nicht nur ausgefuchste Kanban-Systeme Standard, sondern auch die Verknüpfung der Ladungsträger mit RFID-Technologie. Diese Kanban-Systeme können Bestellungen selbst auslösen, wenn eine gewisse Mindestfüllmenge erreicht ist.

Auch bei Keller & Kalmbach ist das automatisierte C-Teile-Management wichtig. „Wir investieren stark in die Weiterentwicklung unserer selbstregulierenden Systeme für die automatische Bedarfserzeugung“, erklärt Seidl. Würth Industrie Service hat eine ähnliche Vision, denkt dabei über Landesgrenzen hinweg. Jauss erläutert: „Die Konnektivität beziehungsweise Vernetzung dezentraler Lösungen macht eine globale Abdeckung über mehrere Standorte und Länder hinweg möglich.“

Für die Zukunft sieht Volker Lederer einen weiteren Trend auf die Branche zukommen: „Die C-Teile-Industrie ist durch mittelständische Unternehmen geprägt, die meisten europäischen Akteure sind Familienunternehmen. Um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir immer professioneller werden. Die Professionalisierung dieser Branche ist seit vielen Jahren ein wichtiger Trend.“ Volker Lederer ist Sohn des Unternehmensgründers Rainer Lederer, der das Unternehmen 1970 gründete. Das Unternehmen feierte dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen – in einer Online-Feier, versteht sich.

Auch im Bereich der Nachhaltigkeit kann sich die C-Teile-Branche stark machen, ist Jauss überzeugt: „Optimale Versorgungsfrequenz in den optimalen Mengen und Behältern reduzieren die Einzelteilanlieferungen und damit Transport und Verpackung.“

Dem Gedanken der C-Teile-Händler als ganzheitliche Partner kommt auch ein anderer Trend entgegen: der 3D-Druck. Dieser finden inzwischen bei Würth Industrie Service, Böllhoff und bei Reyher Einsatz, um den Kunden bei der Entwicklung neuer Zeichnungsteile oder ganzer Baugruppen zur Seite zu stehen.

Technologien und Optimierungspotenzial

C-Teile kosten nicht viel. Dennoch können Sie teuer werden, wie Rupprecht erklärt: „Wenn in der Beschaffung eine Schraube ‚hinten angestellt‘ wird, weil sie verständlicherweise im Wert als C-Teil bezeichnet wird, dann wird sie auf Prozess- und Kostensicht schnell zum A-Teil. Das C-Teile-Management wird sich aus unserer Sicht daher stets weiter auf die Prozess- und Kostenverschlankung in der Beschaffungs- und Lieferkette unserer Kunden konzentrieren.“ Die Prozessoptimierung durch selbstregulierende Systeme und der Vermeidung von manuellen Bestellungen hat man sich auch bei den anderen Unternehmen auf die Fahne geschrieben.

Bei Böllhoff wurde in den letzten Monaten der Online-Shop erweitert, der Böllhoff eShop. Er bietet Einkäufern und Technikern Produktinformationen, CAD-Downloads und eine einfache Bestellmöglichkeit. Zusätzlich entwickeln sie neue Produkte im Bereich der Verbindungstechnik und digitalen Dienstleistungen. Außerdem sieht Rupprecht bei den Kunden den Wunsch, Lieferquellen zu konsolidieren. Er sagt: „Unsere Kunden haben zunehmend den Wunsch, neben der Verbindungstechnik auch weitere C-Teile über den gleichen Lieferanten zu beziehen.“ Deshalb bietet Böllhoff in seinem System Ecosit die Möglichkeit, weitere Lieferanten anzubinden. Das ist auch bei der Mehrlieferantenplattform eLogistics von Keller & Kalmbach möglich.

Zusätzlich forscht Keller & Kalmbach zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML im Rahmen des Enterprise Labs an weiteren Neuentwicklungen. Im Rahmen der selbstregulierenden C-Teile-Systeme ist dabei als Geschäftsmodell für 2025 ein Projekt zum Thema „Live-Tracking“ in Entwicklung. Zusätzlich setzten die Partner einen Service-Konfigurator und eine Lernfabrik um.

Bei Würth Industrie Service wurde jüngst eine RFID-Palettenbox entwickelt. Sie ist ein offenes System zur automatischen Bestellauslösung, die ihre Umgebung permanent nach neuen RFID-Codes scannt. Sie soll ein Fassungsvermögen von 160 RFID-Tags haben. Zusätzlich ergänzt der neue ORSYmat WGT das Sortiment. Dieser Entnahmeautomat wiegt die enthaltenen Artikel und kann so Entnahmen berechnen. Er ist in verschiedenen Größen verfügbar und kann auch großvolumige Artikel, wie Schutzanzüge, verstauen.

Auch in wirtschaftlich langsameren Zeiten wie der aktuellen Krise steht der Betrieb also nicht still. Lederer sagt: „Wir nutzen ruhigere Momente, um überfällige interne Projekte abzuschließen. Dies wird unsere Produktivität mittel- und langfristig steigern.“

Reyher hat sich in den letzten Monaten einen neuen Geschäftsbereich erschlossen, wie Schmidt erzählt: „Wir haben in den vergangenen Monaten ein umfangreiches Sortiment speziell für den Fachhandel aufgebaut.“ Darin sind im Moment 1600 Artikel enthalten. Auch der Webshop des Unternehmens, RIO – Reyher Internet Order, wurde optimiert.

Der Servicegedanke wird in all diesen Tätigkeiten im C-Teile-Bereich immer wichtiger. C-Teile-Händler werden von Lieferanten immer mehr zu Partnern, die tief in die Wertschöpfungskette der Kunden eintauchen. „Wir sind nicht mehr ‚nur‘ der Lieferant rund um C-Teile, sondern sitzen als strategischer Partner am Tisch, der wichtige Impulse gibt und als Sparringpartner dient. Ohnehin nimmt die Beratung einen immer größeren Stellenwert ein – sei es im Bereich der Logistik oder bei der Optimierung von laufenden Kanban-Systemen“, sagt Seidl.



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